Silicon Valley? We are Germany! Die Venture ’83 in München

Die Venture ’83 in München war ein wegbereitender Kongress in dem neue Möglichkeiten und Probleme bezüglich der Unterstützung von innovativen Unternehmen in Deutschland aufgezeigt und diskutiert wurden. Eduard Heilmayr, seiner Zeit Redakteur der Fachzeitschrift Markt & Technik, arbeitet die Kernaussagen der namhaften Vortragsredner heraus, skizziert Chancen und Probleme im Detail und verdeutlich dem Leser, dass es auch schon 1983 große Bemühungen gab, alternative Formen der Finanzierung für junge, innovative Unternehmen anzustossen.

Knapp 230 Teilnehmer besuchten den Kongress für innovative Unternehmensgründer Venture ’83 in München. Zirka 40 Prozent der Teilnehmer gehörten Banken an, der gleiche Besucheranteil fiel auf Angehörige von Unternehmen oder Unternehmern. Eine Trennung nach Neugründern, Mitarbeitern von Klein- oder Mittelbetrieben beziehungsweise von Großfirmen ließ sich leider nicht vornehmen. Der zweitägige Kongress war außer zwei Einführungsvorträgen in vier Themengruppen gegliedert: »Die technologischen Chancen«, »Die Investmentchancen«, »Venture Capital« und »Der Gang an die Börse«. Zwei Workshops ergänzten das Vortragsprogramm.

Wie können wir Neugründungen vorantreiben, aber gleichzeitig professioneller, also sicherer machen«, diese Frage stellte Professor Dr. Norbert Szyperski, Vorstandsvorsitzender der GMD, Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung und Lehrstuhlinhaber an der Universität Köln an den Anfang seiner Überlegungen. In der Bundesrepublik sind nach Szyperskis Meinung zwar die Inventoren, also die Basisentwicklungen beispielsweise durch Erfinder stark, »dennoch ist deren industrielle Nutzung nicht zum Durchbruch gekommen«. Trotzdem gäbe es, so Szyperski, für die Wirtschaft der BRD hier erneute Einstiegs- und Aufstiegsmöglichkeiten. Voraussetzung dafür sind aber nach Ansicht Szyperskis Promotoren oder sogenannte Mäzene.

Ausführlich begründete Szyperski im weiteren Verlauf seiner Rede die Notwendigkeit von Promotoren für erfolgreiche Neugründungen. Wichtige Voraussetzungen für einen Mäzen sind nach Szyperskis Meinung, dass sie hohe Einsatzbereitschaft zeigen, das notwendige Wissen über den Markt aufweisen und auch genügend Geduld gegenüber einem Neugründer aufbringen.

Auf die volkswirtschaftliche Bedeutung von Neugründungen weist Mitveranstalter Dr. Alfred Prommer in seinen Ausführungen zum Thema »Herausforderung und Chancen für technologische Ventures in der Bundesrepublik Deutschland« hin. Prommer: »Das Umsetzen von technologischen Innovationen in unternehmerische Leistung ist für eine zukunftsorientierte Wirtschaftspolitik für jede Industrienation unverzichtbar.« Innovation schaffe neue Märkte, neue Industrien, neue Strukturen. »Hier liegt«, so Prommer weiter, »die Chance im Realisieren des Neuen.« Zum Durchsetzen der Innovation gehörten dabei auch neue Industriestrukturen, »die unter anderem auch durch Venture- Unternehmen geprägt werden«. Ihre Aufgabe sei die Nutzung und nicht die Entwicklung von Basistechnologien.

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Die Voraussetzungen für technologische Venture sind laut Prommer in der Bundesrepublik in genügendem Maße vorhanden. Ebenso seien auch die Märkte vorhanden. Prommer sieht keinen Mangel an gründungswilligen und qualifizierten Venture-Unternehmen in Deutschland. Auch habe sich die Möglichkeit für die Venture-Finanzierung in den letzten Monaten sprunghaft verbessert und werde sich auch in den nächsten Monaten nach Meinung Prommers weiter verbessern. »Aber«, so Prommer weiter, »Venture-Finanzierung ist ein anspruchsvolles Unternehmen, und nur durch qualifizierte Investoren kann ein nachhaltiger Erfolg sichergestellt werden.« Neben der Finanzierung brauche deshalb der Markt ein qualifiziertes Venture-Management, das die Venture-Beurteilung und die Betreuung des Venture-Investments durchführe. »Hier wird in der BRD in nächster Zeit ein Engpass sein.«

Die technologischen Chancen – unter dieses Motto stellten die Veranstalter die nächste Vortragsreihe. Der erste Redner, Dr. David Crockett, Präsident des renommierten kalifornischen Marktforschungsinstituts Dataquest, bewies mit umfangreichem Zahlenmaterial die technologischen Wachstumsmärkte der Zukunft: Personal Computer und Telekommunikation. Crockett zufolge werde sich der Weltmarkt für Personal Computer von 9,125 Milliarden Dollar 1983 innerhalb von fünf Jahren auf 63,5 Milliarden Dollar vervielfachen. Dies entspricht einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 47,4 Prozent. Der Markt teile sich dabei etwa zur Hälfte auf die Vereinigten Staaten und den Rest der Welt auf. Ähnlich günstige Wachstums- vorhersagen prognostizierte Crockett auch für den Bereich Telekommunikation. Lokale Netzwerke, Datenübertragung über lokale Telefonleitungen und Fernverbindungen werden hier wesentlich dazu beitragen, die Wachstumsprognosen zu erfüllen. »Wir stehen an der Schwelle von großen Chancen«, so das Fazit von Dr. Crockett.

»Die Chance Mikrocomputer« legte Markt & Technik Geschäftsführer Otmar Weber in seinem Vortrag noch einmal ausführlich dar. »Was wir heute erleben, ist erst der Anfang einer riesengroßen Computerwelle«, so Weber. Dabei gehe es darum, den Computer nicht unter dem Gesichtspunkt der Arbeitsplatzvernichtung zu sehen, sondern, fährt Weber fort »mit dem Bewusstsein, dass der Vormarsch der Computer nicht aufzuhalten ist, und dass unsere Zukunftschancen vom rechtzeitigen Einstieg in die neue ‚Computerwelt‘ abhängt.« Nicht so sehr die derzeitige Umsatzgröße ist dabei nach Webers Meinung beachtenswert, sondern die Geschwindigkeit, mit der die Personal Computer nach sechs Jahren Existenz eine 25 Jahre alte Minicomputer- oder eine 40 Jahre alte Großcomputerindustrie eingeholt hätte. Wesentlich beeinflusst wurde, so Weber, dieses starke Wachstum von zwei Komponenten: durch den Einstieg von IBM 1981 in das Personal Computer-Geschäft und die drastischen Preissenkungen bei Heimcomputern in den letzten Jahren, »die eine Welle ins Rollen gebracht haben«. Ausführlich geht Weber in seiner weiteren Rede auf die Führungsposition von IBM auf den Personal Computer-Markt ein.

Ebenso wie die Hardware werde auch die Software nach Webers Einschätzung einen Boom erleben: »Die weltweiten Software-Umsätze werden von 1,2 Milliarden Dollar im Jahr 1982 auf 11 Milliarden Dollar 1987 steigen. Dies bedeutet ein jährliches Wachstum von durchschnittlich 55 Prozent.« Der Softwaremarkt außerhalb der USA werde Webers Zahlenangaben zufolge von 240 Millionen Dollar auf 3,3 Milliarden Dollar steigen. Die interessantesten Software-Marktsegmente seien dabei in der Reihenfolge ihrer zukünftigen Bedeutung: 1. Unterhaltung und Spiele, 2. Productivity Tools (Textverarbeitung, Datenbanken- und –verwaltungen, Tabellenkalkulation, Grafik), 3. Anwendungssoftware (Standardlösungen wie Buchhaltung und vertikale Branchenlösungen), 4. Systemsoftware und technisch-wissenschaftliche Software (Sprachen, Dienstprogramme, Utilities und Ingenieuranwendungen), 5. Ausbildung, Schulung, Heimanwendungen (Software zur Benutzung für zu Hause und in der Schule).

Für Dr. Klaus Neugebauer, Geschäftsführer von Softlab, ist Software »nicht nur ein steigender Kostenfaktor, sondern auch Mangelware«, Neugebauer begründet dies mit einem wesentlich schneller steigenden Bedarf als Software-Entwicklungskapazität zur Verfügung steht. So steige laut Neugebauer die Entwicklungskapazität und –produktivität der Software pro Jahr lediglich um 4 Prozent, die jährliche Software-Nachfrage steige um das Drei- bis Fünffache. Dies bedeute, dass klassische Datenverarbeitungsanwender externe Software-Lieferanten benötigen. Für einen externen Software-Anbieter ist es nach Neugebauers Erfahrungen aber ein schwierig zu bewältigendes Problem, die erheblichen Vorfinanzierungen für eine Software-Entwicklung zu leisten: »Hier werden große Mengen von Kapital benötigt.« Unter anderem ist dies ein Grund, so Neugebauer, dass 15 bis 20 Prozent der Neugründungen in diesem Bereich in den ersten zwei Jahren scheitern. Weitere Gründe sind: fehlendes Risiko, fehlendes Marketing (nicht nur technisches Know-how ist erforderlich), fehlendes Rechnungswesen zum Einsatz als Führungsinstrument, fehlende interne Unternehmensorganisation und fehlendes Vertragsmanagement (mangelnde wirtschaftliche Fähigkeiten ein Angebot zu erstellen). Zusammengefasst seien dies nach Neugebauers Meinung auch die Anforderungen, die der Markt an Neugründer auf diesem Gebiet stellt.

Zum Thema »Die Investmentchancen« sprach Peter Rosenbeck, Mitinhaber der Firma Rausch & Rosenbeck, Gesellschaft für Unternehmensentwicklung, über den »Finanzierungsbedarf für Venture-Unternehmen«. Eine wesentliche Rolle im Venture-Capital-Geschäft spiele der Geschäftsplan. Rosenbeck: »Während die meisten Anlageentscheidungen, insbesondere der von Banken und anderen institutionellen Anlegern, vergangenheitsbezogen aufgrund von Bilanzen, Tätigkeitsberichten und so weiter getroffen werden, müssen sich Venture Capitalisten mit zukunftsbezogenen Daten auseinandersetzen.« Dies habe zur Folge, so Rosenbeck, dass Geschäftspläne eines Unternehmens als ein wichtiges Entscheidungskriterium für eine Investition herangezogen werden müssen. »Der Venture Capitalist muss in der Lage sein, die ihm vorgelegten Planungen, Marktzahlen und sonstige zukunftsbezogenen Werte aus eigener Erfahrung kompetent zu beurteilen.« Aus einem Geschäftsplan sollten deshalb immer Zielsetzung und Produkt, Angaben zum Background des Managements, Marketingplan und Finanzplan gut ersichtlich sein.

Eine Umfrage Rosenbecks unter 145 Venture-Capital-Firmen, aus welchen Gründen eine Finanzierung abgelehnt wurde, kam zu folgenden Ergebnissen: 71 Prozent gaben als Grund »schwaches Management« an, mit deutlichem Abstand folgten »Projekt passt nicht zur Investitionsphilosophie (20 Prozent), Geschäftsplan beziehungsweise Analyse »schwach« (13 Prozent), Projekt nicht durchführbar (12 Prozent) und unbestimmte Marktchancen mit 9 Prozent. Es gelte, Rosenbeck weiter, dass ein gutes Management auch ein mittelmäßiges Projekt zum Erfolg führen könnte, »während ein schwaches Management selbst ein vorzügliches Produkt mit großer Wahrscheinlichkeit `in den Sand setzen´ wird.«

Daran anknüpfend beschreibt Thomas Kühr, Geschäftsführer von Genes, Gründungsberatung und Managementservice, die »finanzpolitischen Instrumentarien« für den Unternehmer. »Die Grundbegriffe der Finanzierung sind für einen Neugründer die Voraussetzung für den Erfolg«, betont Kühr. Die Entscheidung, welche der möglichen Finanzierungsformen gewählt wird, welche Bestimmungsfaktoren zur Eigen- und Fremdkapitalbildung angelegt werden können, das Wissen um die Funktion des Eigen- und Fremdkapitals, setzen Kenntnisse voraus, die Gründern von technologieorientierten Unternehmen nach Kührs Erfahrungen häufig fehlten. Kühr nennt in seinem Vortrag zehn Finanzierungsgebote, die Venture-Unternehmen in jeden Fall beachten sollten. So sollte beispielsweise die Relation zwischen Eigen- und Fremdkapital von mindestens 1/3 zu 1/3 sich innerhalb absehbarer Zeit in ein Verhältnis von½ zu ½ entwickeln. Weiterhin dürften bei der Ermittlung des Finanzbedarfs in der Kostenplanung für Investitionen und Betriebsmittel auch die Anlaufverluste nicht vergessen werden. Für eine »gesunde« Finanzierung sollte ebenfalls bei der Liquiditätssicherung auch ausreichende Liquiditätsressourcen zur Verfügung stehen. Die Finanzierung von langfristigen Anlagen dürften nicht mit kurzfristigen Krediten vorgenommen werden. Und »last but not least« sollte ein Existenzgründer sich auch über mögliche Alternativen bei der Suche nach Kapital informieren, rät Kühr.

Eine mögliche »Kapitalquelle« für Neugründer sind diverse Förderprogramme des Staates. Eine Zielsetzung des im Sommer dieses Jahres vom BMFT gestarteten Modellversuchs zur Förderung technologieorientierter Unternehmensgründungen, kurz TOU, beschreibt in seinem Vortrag Uwe Thomas, Leiter der Unterabteilung Informations- und Produktionstechnik, Innovationsförderung, im Bundesministerium für Forschung und Technologie: »Ein Ziel des TOU-Modells ist der Versuch, die notwendigen Voraussetzungen für die Bildung einer Venture-Capital-Infrastruktur zu schaffen: genügend stark technologieorientierte Jungunternehmen, die den entsprechenden Kapitalbedarf aufweisen und attraktive Renditen versprechen.« Zu berücksichtigen sei jedoch, betont Thomas, dass die finanziellen und personellen Ressourcen in der Bundesrepublik für innovative Neugründungen wesentlich geringer seien als beispielsweise in den USA oder Japan. Um Risikokapital in größerem Umfang investieren zu können, seien der deutsche Markt und die erzielbaren Erträge zu gering. »Wir brauchen den Zugang zu den europäischen und weltweiten Märkten«, fordert deshalb Thomas.

Die Überzeugung, dass durch die Ansiedlung von High-Technologie-Unternehmen langfristig zukunftsträchtige Arbeitsplätze geschaffen werden, hat beim Berliner Senat für Wirtschaft und Verkehr zur Entwicklung einer Reihe von Investitionsanreizen auf diesem Sektor geführt. So wurde im Rahmen des »Strukturprogramms zur Schaffung neuer Arbeitsplätze in Berlin« im Juni vergangenen Jahres ein sogenannter »Innovationsfonds« ins Leben gerufen. Durch diesen Fond werden bei bestehenden – Unternehmen die Produktionsaufbau- und Markteinführungsphase neuer Produkte mitfinanziert. Aber auch Gründern stellt der Innovationsfond Kapital für alle Phasen des Innovationsprozesses zur Verfügung. Die Förderung läuft als stille Beteiligung, Darlehen oder bedingt rückzahlbarer Zuschuss. Senatsdirektor Dr. Günter Rexrodt: »Unsere Erwartungen haben sich erfüllt. Wir haben 13 Unternehmen mit einem Fördervolumen von 6,7 Millionen Mark gefördert.« Rexrodt begrüßt darüber hinaus den Entschluss von einigen Berliner Banken, eine Venture-Capital-Gesellschaft mit insgesamt 10 Millionen Mark Kapital auf privater Basis zu gründen. Schon Anfang nächsten Jahres sollen innovativen Berliner Unternehmen Gelder als haftendes Risikokapital angeboten werden.

Wie schwer sich doch nach wie vor die Banken mit dem neuen Geschäft » Venture Capital« tun, geht aus den Worten von Martin Pütz, stellvertretender Direktor bei der Industriekreditbank in Düsseldorf, hervor: »Es darf und kann nicht Aufgabe der Banken sein, ein Unternehmerrisiko zu übernehmen. Zumal Chancen und Risiken ungleichmäßig verteilt sind. Ist die Innovation erfolgreich, profitieren die Banken nur in der Höhe ihrer Zinsmargen; scheitert das Projekt dagegen, verlieren sie unter Umständen die gesamte Kreditsumme. Hier sind andere Finanzierungsinstrumente notwendig.«

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