Artikel: Ein Update in der Elektroindustrie – die neuen Leitlinien des ZVEI

Neue Entwicklungen in der Forschungsfinanzierung und -förderung im Technologiesektor veranlassen auch im Jahr 1983 den Zentralverband der Elektrotechnischen Industrie (ZVEI) neue Leitlinien zum Thema Forschungspolitik auszuarbeiten. Damaliger Markt & Technik Redakteur Eduard Heilmayr stellt diese vor, geht auf die wichtige Aufgabenteilung zwischen Staat und Wirtschaft ein und nennt die Kriterien der ZVEI für eine nachhaltige Forschungs- und Entwicklungsförderung.

»Die in letzter Zeit unternommenen Bemühungen um die Verbesserung der Forschungsfähigkeit der Unternehmen werden von der Elektroindustrie begrüßt«, so der Zentralverband der Elektrotechnischen Industrie. Der ZVEI trete für die notwendige Konzentration der Forschungsprojekte ein und spricht sich für eine angemessene Relation zwischen den verschiedenen Maßnahmen der direkten und indirekten Forschungsförderung aus. In diesem Sinne hat der ZVEI kürzlich ein Kooperationsgespräch mit dem Bundesforschungsminister geführt. Auf der Grundlage dieses Gesprächs hat das Präsidium des Verbandes soeben die nachfolgenden neuen Leitlinien des ZVEI zum Thema Forschungspolitik verabschiedet.

Unter den deutschen Industriezweigen weist die Elektroindustrie die höchste Forschungsintensität auf. Zurzeit erreichen die jährlichen Forschungsaufwendungen einen Betrag von rund acht Milliarden Mark. Auch im internationalen Vergleich ist die Forschungsintensität der deutschen Elektroindustrie hoch. Elektronische Technologien, insbesondere Mikroelektronik sowie Kommunikations- und Informationstechniken, rücken immer mehr in den Mittelpunkt der elektrotechnischen Industrie und damit in das Forschungs- und Entwicklungsinteresse der Unternehmen.

Von den Ergebnissen, die im Zuge der elektroindustriellen Forschung und Entwicklung (FuE) erzielt werden, gehen produktive Wirkungen auf die gesamte deutsche Volkswirtschaft und auf die Entwicklung in anderen Ländern aus. Damit trägt die Elektroindustrie wesentlich dazu bei, den technisch-wirtschaftlichen Fortschritt in arbeitsplatzschaffendes Wachstum umzusetzen, Rohstoffe und Primärenergie sparsamer zu nutzen, die Vielfalt der Kommunikationsmöglichkeiten zu erhöhen und die Arbeitsbedingungen produktiv zu verbessern. Grundsätze der Forschungspolitik sind nach den Vorstellungen des ZVEI:

  1. Der volkswirtschaftliche Zweck und das öffentliche Interesse der staatlichen Forschungsförderung liegt darin, innovationsfördernde, produktivitätssteigernde und umweltschützende Forschungsergebnisse früher zu erzielen, als sie bei rein privatwirtschaftlicher Forschungstätigkeit zu erwarten wären.
  2. Zwischen der Forschungstätigkeit der Unternehmen und der des Staates sollte auf der Basis klarer Zielsetzungen eine zielgerichtete Arbeitsteilung bestehen. Staatliche Forschungseinrichtungen sollten sich im Wesentlichen auf Grundlagenforschung und diejenigen Aufgaben konzentrieren, für die sie besser geeignet sind als private Forschungsstellen. Forschung mit dem Ziel der Produktentwicklung und der Verfahrensoptimierung ist Aufgabe der Unternehmen.
  3. In der Realität sind beide Gebiete nicht exakt voneinander zu trennen. Durch engen Kontakt zwischen Staat und Wirtschaft sollten die Maßnahmen zur Forschungsförderung so angelegt werden, dass die Kooperation zwischen staatlichen und privaten Forschungseinrichtungen verbessert und die Umsetzung der erzielten Forschungsergebnisse erleichtert wird.
  4. Die Elektroindustrie unterstützt die Grundlagenforschung leistenden Stellen im universitären Bereich in ihrem Bestreben, die Einheit der Forschung und Lehre zu wahren.
  5. Die staatliche Förderung industrieller Forschungs- und Entwicklungsvorhaben sollte sich dementsprechend vor allem konzentrieren auf folgende Maßnahmen und Projekte:
     
    • von denen eine hohe gesamtwirtschaftliche Produktivitätssteigerung und eine Stärkung der internationalen Wettbewerbsposition deutscher Unternehmen erwartet wird
    • die im Vorgriff auf die zu erwartende technisch-wissenschaftliche Entwicklung realisiert werden sollen, weil von ihnen eine innovatorische Breitenwirkung über eine rasche Diffusion der gewonnenen Erkenntnisse erwartet wird
    • die zur Entwicklung von Produkten und Verfahren führen, an deren frühzeitiger Entwicklung ein öffentliches Interesse besteht (zum Beispiel aus Gründen des Umweltschutzes), für die es jedoch kurz- und mittelfristig noch keinen Markt gibt oder deren Markt erst durch noch in der Planung befindliche Festlegungen bestimmt wird
    • die dazu dienen, Wettbewerbsverzerrungen auf dem Gebiet der FuE abzubauen (Beispiel: Kompensation direkte und indirekter FuE-Subventionen ausländischer Konkurrenz)
    • die zum Abbau struktureller Nachteile der kleinen und mittleren Unternehmen auf dem Forschungs- und Entwicklungssektor führen
    • die zur Verbesserung der technologischen Voraussetzungen staatlicher Daseinsvorsorge und Zukunftssicherung in den Bereichen der Infrastruktur und der Verteidigung beitragen

Kriterien der Forschungs- und Entwicklungsförderung

  1. Die deutsche Elektroindustrie begrüßt die in letzter Zeit unternommenen Bemühungen um die Verbesserung der Forschungsfähigkeit der Unternehmen und um eine angemessene Relation zwischen den verschiedenen Maßnahmen der direkten und indirekten Forschungsförderung. Dies ist von besonderer Bedeutung für die kleinen und mittleren Unternehmen, die einem starken Forschungs- und Innovationswettbewerb ausgesetzt sind und die aufgrund ihrer Größe und Struktur nur selten an direkt geförderten Projekten teilnehmen können: Dieser Firmenkreis partizipiert allerdings vielfältig auch von Forschungs- und Entwicklungsergebnissen, die in großen Unternehmen und in Forschungsinstituten erzielt werden. Entwicklungsdynamik und zunehmende Produktdifferenzierung bieten in der Elektroindustrie besonders gute Chancen zu selbständigen Entwicklungen in Unternehmen sehr verschiedener Größenordnungen. Dabei liegen die Chancen der kleineren und mittleren Unternehmen besonders auf Spezialgebieten, auf denen sie nicht selten eine führende Position einnehmen.
  2. Die verstärkte indirekte und indirekt-spezifische Forschungsförderung sollte nicht nur zu Lasten der direkten Forschungsförderung im industriellen Bereich, sondern auch als Ergebnis einer Konzentration der Projektförderung sowie eines Prioritätenwechsels im gesamten staatlichen Haushalt herbeigeführt werden. Die indirekt-spezifische Förderung ist dabei unter der· Voraussetzung ausreichender Planungszeiträume ein geeignetes weiteres Instrument für genau umrissene Förderbereiche, über die zwischen Staat und Wirtschaft Einvernehmen erzielt werden sollte. Zu begrüßen ist, dass dabei auf die Begrenzung nach Unternehmensgröße verzichtet wird und die mit der Abwicklung verbundenen Regularien vereinfacht werden. Im gleichen Sinne sollte auf eine Reduzierung des Verwaltungsaufwandes einschließlich der Projektbegleitung bei direkt geförderten Vorhaben hingewirkt werden.
  3. Soweit staatliche Forschungseinrichtungen Vorhaben durchführen, die nicht der Grundlagenforschung zuzurechnen sind, sollte dies soweit wie möglich in Kooperation mit der Industrie geschehen. Dies ist dann mit geringstmöglichem Verwaltungsaufwand zu erreichen, wenn solche Vorhaben vorzugsweise im Rahmen der externen Vertragsforschung oder anderer Formen der FuE Kooperation abgewickelt werden.
  4. Die Forderung, Wettbewerbsverzerrungen im Vergleich zu anderen Industrieländern auf dem FuE-Gebiet zu kompensieren, steht nicht im Widerspruch zu den für einzelne Gebiete sinnvollen Bestrebungen nach internationaler Arbeitsteilung und Schwerpunktbildung. Eine weltweit operierende Volkswirtschaft braucht eine breite interdisziplinär verankerte FuE-Basis im eigenen Land, um der zunehmenden Komplexität und Integration der Forschungsgebiete entsprechen zu können. Ein jüngste Erkenntnisse einschließendes Gesamtwissen ist als Fundament für die Weiterentwicklung sowie für die Anerkennung als internationaler Partner entscheidend. Ein Rückstand bei Basistechnologien lässt sich in der Regel nicht durch internationale FuE-Kooperation ausgleichen, da die jeweils führenden Unternehmen ihr Wissen selbst nutzen wollen. Rückständige Partner laufen Gefahr sich mit Zulieferungen aus der vorangegangenen Generation von Erzeugnissen begnügen zu müssen und damit weiter in Rückstand zu geraten.
  5. Die EG-Institutionen sollten sich auf solche Projekte konzentrieren, die entweder in Umfang und Kosten über die Möglichkeiten der einzelnen EG-Länder hinausgehen oder deren Ziel einen besonders gesamteuropäischen Integrationseffekt verspricht. Im Rahmen der EG-Forschungs- und Technologiepolitik sollten die deutschen Interessen in enger Kooperation~ von Staat und Wirtschaft vertreten werden. Dies gilt auch für alle Bereiche der internationalen Forschungspolitik und damit zusammenhängender Gebiete wie Know-how-Transfer, Patentschutz und Standardisierung.

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