Konflikte und wie man sie bewältigt

Der DCO-Report vom März 2016 setzt sich mit dem Thema „Konflikt“ auseinander. Die These, die Klaus P. Friebe vertritt, klingt einfach: „Wir leben in einer Harmoniekultur. Das Ergebnis ist Stillstand.“ Der Umgang und die Bewältung von Konflikten steht im Mittelpunkt des Gespräches. Konkrete Handreichungen zum Konfliktmanagement, zum Beispiel in Unternehmen, werden vorgestellt und diskutiert.

(c) Wiedenroth, DCO-Report

»Konfliktfähigkeit ist die notwendige Voraussetzung, um Neues zu schaffen«. Friebes Aussage überrascht, fordert mich heraus, zum spontanen Widerspruch: »Wie? Was? Auseinandersetzungen sollen positiv sein? Streben wir nicht alle nach Harmonie?«

»Konfliktfähigkeit ist die notwendige Voraussetzung, um Neues zu schaffen.« Friebes Aussage überrascht, fordert mich heraus, zum spontanen Widerspruch: »Wie? Was? Auseinandersetzungen sollen positiv sein? Streben wir nicht alle nach Harmonie?«

Friebe kontert: »Wir haben verlernt, mit Konflikten umzugehen. Die Gesellschaft ist konfliktunfähig. Jeder will Konsens. Wir leben in einer Harmoniekultur. Das Ergebnis – das Ergebnis ist Stillstand!«, postuliert Friebe.

Die Behauptung verlangt Beweise, meine ich. Friebe spannt einen großen Bogen. Er beobachtet eine zunehmende Kluft. Diese betrifft alle Mitglieder unserer Gesellschaft, ob Fabrikarbeiter, Lehrer, Manager, Politiker. Die fundamentalen Zusammenhänge, wie eine Gesellschaft Werte schafft und welchen Zwängen sie zur Wertschöpfungserzielung unterliegt, werden nicht mehr verstanden.

Deutlich sichtbar war dieses Verständnisdefizit schon in den Achtziger Jahren. Schon damals wurden die Menschen vom industriellen Wertschöpfungsprozess und den Zwängen der industriellen Produktionsprozesse abgekoppelt. Der Bezug, zwischen ihrem eigenen Einkommen »und wo das Geld wirklich verdient wird«, war für sie nicht mehr erkennbar.

Lehrer sind für Friebe dafür ein plakatives Beispiel: »Sie beziehen eine Bezahlung, die nicht direkt an die Ursachen der Wertschöpfungsprozesse gekoppelt sind, z. B. an die Industrieproduktion. Sie fangen an, ein Subsystem zu bilden, das mit der realen Welt nichts mehr zu tun hat.« In solchen entkoppelten gesellschaftlichen Subsystemen werden falsche Schlüsse gezogen.

Deutlich zu beobachten war das im allgemeinen Credo: »Wir brauchen keine Industrien mehr, wir leben zukünftig von Dienstleistungen!« Verlagerungen von industriellen Produktionsstätten in das vermeintlich kostengünstigere Ausland waren jahrzehntelang die Folge. Noch schlimmer, so Friebe, »technologische Gegebenheiten werden negiert oder gar abgelehnt. Technologie, als ein entscheidender Faktor für die Entwicklung einer lebenswerten Zukunft, wird damit nicht berücksichtigt.«

Dabei ist für Friebe eines klar: »Industrielle Entwicklungsprozesse sind immer technologisch bedingt.« Die Technologie verursache große Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft – »keinesfalls ist es umgekehrt!«.

Typisch, Friebe provoziert schon wieder, mit neuen Thesen und Themen. Meist mit jedem Satz.

Ich will beim Thema bleiben: »Was hat dies alles mit Konflikten und Konfliktfähigkeit zu tun?«, hake ich nach.

Friebe lässt sich nicht beirren. Er benennt die Ursachen: »Generell gesehen, ist die Ursache von Konflikten das Unverständnis über Ergebnisse und Zwänge in einem Beziehungs­system, also zwischen einen oder mehreren Partnern. Diese Verständniskluft entsteht häufig durch einen Mangel an Information.«

Dies gelte generell, zeigt sich Friebe überzeugt: ob in einer persönlichen Beziehung, in der Familie, im Unternehmen, in der Wirtschaft, der Politik, der Gesellschaft oder zwischen Staaten und Staatengemeinschaften.

Insbesondere gelte dies auch bei neuen Technologien. Neue Technologien und ihre Verwertung in neuen Produkten und Dienstleistungen, bedingen Umbrüche: in Produktionsprozessen, in der Vermarktung, in den Märkten, in der Gesellschaft. Man denke an den Mikroprozessor vor 40 Jahren oder an das Internet heute.

Auf einen Nenner gebracht, sagt Friebe: »Innovationen bedeuten Brüche – Brüche machen den Menschen Angst.« Mangelnde Information führt zu Unsicherheit. Die Folge: Argumente können nicht mehr ausgetauscht werden.

Dort wo Angst entsteht, entstehe unkontrollierte Energie, beschreibt Friebe diesen menschlichen Verhaltensprozess. Diese Energie kann dann nicht via Auseinandersetzung in der Sache, sondern muss dann emotional abgeladen werden. Wir kennen das alle: Die Angst wächst, staut sich auf und irgendwann sucht sie sich ein Ventil und man explodiert.

Das Ergebnis: Man ist nicht mehr konfliktfähig.

Friebes persönliche Erfahrungen belegen diese Erkenntnisse. Im Frühjahr 1988 wurde auf das VDI/VDE-Technologiezentrum Informationstechnik in Berlin ein Bombenanschlag verübt. Friebe war dort langjähriger Geschäftsführer. In einem Bekennerschreiben hieß es, man wolle die »Atom-Lobby« treffen. Mit Atomenergie und Atomlobby hatte die Arbeit des VDI/VDE-Technologiezentrums tatsächlich rein gar nichts zu tun. Der Anschlag traf schlichtweg die Falschen.

Der Mangel an relevanter Information und fehlende Konfliktbewältigung führen im Extremfall, so Friebes eigenes Beispiel, zu unkontrollierten, gesetzeswidrigen Ausschreitungen und Schlimmeren – keinesfalls zu sinnvollen und nachhaltigen Lösungen.

Einen weiteren Schluss zieht Friebe: »Information bedeutet Macht, in der Konsequenz also die Verschiebung von Machtstrukturen – und keine Information bedeutet Ohnmacht.« Ohnmacht führt ebenso wie Angst zu unkontrollierten Reaktionen, wie sein eigenes Erlebnis drastisch zeigt.

Für Friebe ist es deshalb ein Muss, »Organisationsstrukturen, sowohl in der Wirtschaft als auch in der Gesellschaft, konfliktfähig zu machen«.

Für Friebe hat »Konfliktfähigkeit« in diesem Sinne eine zusätzliche Bedeutung: »Die Konfliktfähigkeit entblößt und minimiert Strukturen der Macht und lässt der Entwicklung an der Sache Raum – um der Sache willen.«

Der konstruktive und bewusste Umgang mit Konflikten ist für Friebe ein »Demokratisierungselement für den Aufbruch in die Zukunft«. Dabei vollziehe sich jeder neue Aufbruch sprunghaft, zeigt er sich überzeugt. Machtstrukturen, die auf hierarchischen Strukturen und auf Herrschaftswissen beruhen, würden durch Konflikte zerstört. »Bei einer konstruktiven Konfliktlösung findet ein Demokratisierungsprozess auf Basis von Informationen statt.«

Um die demokratische Entwicklung einer Gesellschaft zu fördern, sei das »Wie« um konstruktive Konfliktbewältigung eine wichtige Komponente, ist Friebe überzeugt. Dies treffe genauso auf Führungskräfte und Mitarbeiter in Unternehmen zu. Friebe ist sich sicher: »Etwa 20 bis 30 Prozent der Arbeitszeit verwenden Manager für Konfliktbewältigung, ohne diese wirklich zu lösen.« Welche Verschwendung von Ressourcen und Zeit, kann man da nur sagen.

So logisch wie trivial kommen meine nächsten Fragen: »Wie bewältigt man denn nun Konflikte? Gibt es Rezepte?«

Friebe beginnt, entgegen seiner sonstigen Gesprächsführung, dieses Mal mit allgemeinen, eher selbstverständlichen Ausführungen.

»Die Konflikthandhabung ist oft von externen Zwängen bestimmt. Deshalb muss die Bewältigung nach der jeweiligen Situation erfolgen.«

Nicht sehr spannend, denke ich, da wäre ich wohl selbst drauf gekommen.

Vom Zuhören komme ich zum Denken. »Was steckt dahinter?«, frage ich mich und suche Ereignisse, die mich selbst beschäftigen, z. B. die akuten Krisen, die Deutschland und Europa betreffen, oder Konflikte in Zusammenhang mit meiner Arbeit.

Kenne ich alle meine Zwänge, kenne ich die Zwänge der anderen? Habe ich ausreichende Informationen, um Situationen beschreiben und Auswirkungen einschätzen zu können? Wie bewerte ich diese Informationen? Meine Antworten auf meine selbstgestellten Fragen verunsichern mich? So lapidar und allgemein ist Friebes Einführung zu Methoden der Konfliktbewältigung wohl doch nicht.

Ich stelle meine Gedanken fürs Erste zurück. Friebe geht in seinen Ausführungen weiter. Es wird spannender – wenigstens für mich.

Friebe erklärt mir fünf grundsätzliche Möglichkeiten, die man zur Konfliktbewältigung nutzen kann.

Er zeichnet ein Bild dazu, wie immer, wenn er seine Erklärungen besonders überzeugend vermitteln will.

An die horizontale Achse (x-Achse) zeichnet Friebe folgende fünf Konfliktlösungsmethoden:

  • Flucht
  • Kampf
  • Delegation (z. B. Strategem)
  • Kompromiss
  • Konsens

Die vertikale Achse, die y-Achse, benennt Friebe mit „Konfliktmenge“. Per Definition, so Friebe, ist jeder Konflikt vor Beginn des ersten Lösungsversuchs maximal.

Friebe fragt mich: »Was schätzen Sie, welchen Beitrag liefert die einzelne Methode zur Lösung eines Konfliktes?« Die Frage bringt mich erst einmal zum Schweigen.

Friebe lässt mir Zeit.

Flucht heißt: Man rennt davon.

Ich schaue mir mal die Unterschiede der beiden am weitesten voneinander entfernten Methoden an. »Flucht« heißt, »ich renne davon«. Es könnte sein, denke ich mir, dass damit mein Konflikt gelöst ist. Ist er das wirklich? In der aktuellen Situation vielleicht – ja. Vielleicht deshalb, um Zeit zu gewinnen, für mein Gegenüber und für mich. Zeit, um Informationen zu sammeln, Zeit, um sachlich zu bleiben, Zeit, um über weitere Lösungswege nachzudenken. Aber wirklich viel, so antworte ich Friebe, trägt wohl »Flucht« nicht zur Lösung eines Konfliktes bei. Friebe nickt.

Bei »Konsens« bewerte ich das anders. Wenn man übereinstimmt, »ist alles zu einhundert Prozent in Ordnung«. Der Konflikt ist gelöst, komme ich schnell zum Ergebnis. »Konsens«, antworte ich Friebe, »löst den Konflikt zu einhundert Prozent und liefert deshalb den maximalen Beitrag zur Konfliktbewältigung.«

Friebe ist nicht restlos überzeugt, merke ich an seinem leicht skeptischen Blick. »Kennen Sie alle Zwänge Ihres Gegenübers?« »Sind Sie sich sicher, dass der Konsens auf Dauer tragfähig ist?« Was soll ich darauf antworten, denke ich genervt, und lasse mir das auch anmerken.

Friebe meint: »Bei jedem Konflikt bleibt immer eine emotionale Restmenge des Konfliktes übrig. Diese ist nur durch Einsicht, Versöhnung oder Vergebung aufzulösen. Zu einhundert Prozent kann ein Konflikt nur zwischen Partnern gelöst werden, die absolutes Vertrauen zueinander haben.« Im wirklichen Leben findet man das, so Friebe, tatsächlich nur zwischen Menschen, die einander lieben. »Liebe ist die höchste Form der Konfliktbewältigung.«

Außerhalb von Lebenspartnerschaften zwischen zwei Menschen oder in der Familie mit den Kindern sei Liebe in diesem Sinne wohl nicht zu finden, meint Friebe. Deshalb habe er »Liebe« als »Konfliktlösungsmethode« auch nicht benannt.

Wir einigen uns also darauf, dass »Konsens« nicht die Einhundert-Prozent-Lösung darstellt, aber im Normalfall den höchsten Konflikt­lösungsbeitrag liefert.

»Wie schätzen Sie Kampf ein«, fragt mich Friebe. »Kampf«, so meine ich, »ist wohl der verbreiteste Konfliktlösungsansatz«. »Insbesondere im Unternehmen«, füge ich hinzu, »und wohl auch unter Staaten, wenn ich an die vergangenen Jahrhunderte denke.« Friebe mag mir nicht widersprechen.

Aber in welcher Weise trägt der »Kampf« tatsächlich zur Lösung eines Konfliktes bei, hakt Friebe nach?

»Wohl nicht sehr nachhaltig«, antworte ich, »schon deshalb, weil es beim Kampf in der Regel Verlierer gibt.«

Friebe bestätigt: »Die emotionale Restmenge des Konfliktes bleibt bei einer Konfliktlösung über einen Kampf sehr hoch.« Friebe drückt es noch anders aus: Schnell werden mögliche sachliche Lösungsansätze durch »Kampf« auf eine persönliche Ebene transferiert, man kämpfe beispielsweise darum, selbst nicht als Verlierer dazustehen, oder um seine Macht zu zeigen.

Ein Sachkonflikt, der personalisiert wird, sei immer schwieriger zu lösen. »Die erste Stufe der Konfliktunfähigkeit ist, Fehler Personen zuzuweisen«, zeigt sich Friebe überzeugt. Umgekehrt gilt die Regel, emotionale, häufig persönliche Konflikte unbedingt in eine Sachebene zu überführen, um mögliche Lösungen zu erzielen.

Deshalb macht es viel Sinn, meint Friebe, bei der Bewältigung von Konflikten zuallererst zu erkennen, »welche Ursachen ein Konflikt hat«. Dies sei wichtig, um weitgehend von den Wirkungen eines Konfliktes unbeeindruckt zu sein.

Ein mögliches Analysewerkzeug dazu kann ein »Konfliktkatalog« sein. Dieser listet in einer Tabelle mögliche Konfliktursachen nach sachlichen, persönlichen und kulturellen Kriterien systematisch auf. Die einzelnen Elemente sind dabei situa­tionsbedingt an die jeweilige Konfliktsituation anzupassen.

Zu den sachlichen und persönlichen Kriterien sollte man gegebenenfalls noch kulturelle Kriterien mitberücksichtigen. »Spielen in einem Konflikt unterschiedliche Kulturen eine große Rolle, sind Konflikte sehr schwierig nachhaltig lösbar«, zeigt sich Friebe überzeugt. Umso wichtiger sei es, sich von Anfang an über die beherrschenden Elemente eines Konfliktes klar zu werden.

Um die nachhaltigste Konfliktbewältigungsstufe, den »Konsens« zu erreichen, begreife ich jetzt ganz deutlich: Erst eine umfassende Analyse der Wirkungen und Ursachen eines Konfliktes legt die Basis für einen möglichen »Konsens« zwischen Konfliktparteien.

Wichtig ist dabei zu berücksichtigen, so Friebe weiter, dass Konflikte mehrheitlich auf Wirkungen und weniger auf Ursachen beruhen.

Wirkungsorientierte Konflikte sind wesentlich schwieriger zu lösen als Konflikte, bei denen man die Ursachen kennt. »Deshalb ist es so wichtig, zu erkennen, welche Ursachen ein Konflikt hat«, betont Friebe.

Ich komme wieder zurück auf unsere Liste der grundsätzlichen Methoden zur Konfliktlösung. An Nummer 3 steht dort der Begriff »Delegation« und in Klammern »Strategema«.

»Delegation von Konflikten, wie soll das denn gehen? Meinen Sie, ich kann einen Mitarbeiter anweisen, einen Konflikt für mich auszutragen?«, frage ich Friebe leicht sarkastisch und gleich hinterher: »Strategema – was ist das? Das habe ich noch nie gehört!«

»So viele Fragen auf einmal? Und so spöttisch? Zu einem Punkt? Das ist doch sonst nicht Ihre Art«, entgegnet Friebe geduldig.

»Die Delegation von Konflikten ist ein altbekanntes Werkzeug«, sagt Friebe. Jeder kenne das, zumindest in der Form, »Schuld oder Verantwortung auf einen anderen abschieben zu wollen«. Wir sprachen schon davon, dass gerade eine solche Vorgehensweise kaum einen nennenswerten Beitrag zur Konfliktlösung liefert. Ganz im Gegenteil.

Schlagartig fällt mir dazu ein unangenehmes Schlagwort ein – »Stellvertreterkrieg«. Ich assoziiere damit sofort Beispiele aus der Geschichte aus der aktuellen Weltpolitik wie der Ukraine-Krise, genauso wie aus meinem Arbeitsalltag und sogar aus der Familie.

Ich ahne, was Friebe mit der Konfliktlösungsmethode »Delegation« vermitteln will. »Delegation«, erwidert Friebe, sei wesentlich mehr als »Kampf«, also die Konfliktlösungsmethode, die ich mit dem Begriff »Stellvertreterkrieg« spontan in die Diskussion einbrachte.

Besser beschreibt diese Konfliktlösungsmethode der Ausdruck »Strategeme«, meint Friebe. Da er wohl meine Nachfrage, was denn das sei, nicht abwarten will, erklärt er gleich: »Als Strategema – auch Strategem genannt – wird eine Jahrtausende alte Methode aus China bezeichnet. Kurz gesagt beschreibt der Begriff eine List, auch eine Kriegslist, einen Trick oder ein manipulatives Vorgehen, ursprünglich aus dem militärischen Sektor.«

»Strategema ist«, so erklärt Friebe weiter, »die Lehre von der List und Täuschung zur Erreichung eines Sieges.« Friebe: »Später wurden Strategema auch in der Politik und sogar im privaten Bereich angewendet.«

Charakteristisch für ein angewandtes Strategem sei, so Friebe, ein durchdachtes, zusammenhängendes, aber unkonventionelles, unübliches Vorgehen. »Ich sage: Ein Strategem ist immer gekennzeichnet durch das organische Unorthodoxe.«

Ein eigenartiger Begriff, wie ich finde, »das organisch Unorthodoxe«. Irgendwie aber auch sehr treffend, denke ich nach einigem Nachdenken darüber. Mich interessieren mehr Details.

Ein Strategema kann in unterschiedlichen Formen angewendet werden.

Friebe nennt sieben Arten:

  • Die Verschleierung (z. B. von etwas Wahrem)
  • Die Vorspiegelung (z. B. von etwas Unwahrem)
  • Beutegewinnung
  • Einkreisung
  • Vorhandgewinnung
  • Verlockung
  • Furcht

Die Auswahl des zum Einsatz kommenden Strategems folge einer strukturierten Vorgehensweise, erklärt Friebe die Methode weiter. Dazu gebe es vier aufeinanderfolgende Teile, die auf die jeweilige Situation bezogen sein muss.

Erster Teil: Analyse
Die Analyse, besteht aus »Zählen« (Was habe ich?), »Rechnen« (Was brauche ich?) und »Berechnen« (Was verbrauche ich?).

Zweiter Teil: Entscheidung
Der Entscheidungsteil, auch Kalkül genannt, liefert als Ergebnis die (geeignete) anzuwendende Form des Strategems, zum Beispiel die »Vorspiegelung«, auch »Falscher Priester« genannt.

Dritter Teil: Vorbereitung
Im Vorbereitungsteil wird der Plan, basierend auf dem Analyse- und Entscheidungsteil, zur Erreichung des Sieges entwickelt. Dazu werde die grundsätzliche Methode der anzuwendenden Strategeme entschieden, erklärt Friebe weiter. Diese seien priorisiert nach:

  • Sieg ohne Kampf
  • Sieg mit diplomatischen Mitteln
  • Sieg durch Kriegskunst

Vierter Teil: Handlung
Der Handlungsteil beschreibt die Aktionen zur Erreichung des Sieges.Wieder hake ich nach: »Wie passt die Kunst der Strategema in ein heutiges Unternehmen?«

Friebe antwortet mit einer Gegenfrage: »Wie setze ich als Manager bewusst Konflikte ein, beispielsweise um das Unternehmen innovativ voranzubringen, vorhandene Strukturen aufzubrechen, neue Märkte zu gewinnen? Wie mache ich das? Mit wem mache ich das? An wen delegiere ich was?«

Ich begreife, dass eine Konfliktbewältigung nach der Methode der »Delegation« oder seiner chinesischen Verwandtschaft »Strategema« ein durchdachtes, unkonventionelles Vorgehen erfordert. Friebes Kurzbegriff dafür, »das organische Unorthodoxe«, ist mir noch klarer geworden.

Damit ist Friebe mit seinen Erklärungen noch nicht zu Ende: »Bedenken Sie noch: Zentrale Konflikte sind schwieriger zu lösen als dezentrale Konflikte. Leider neigt der Mensch eher dazu, dezentrale Konflikte zu zentralen Konflikten anwachsen zu lassen. Das bedeutet: Die Konfliktlösung wird potenziell erheblich schwieriger.«

Die Konsequenz als Manager liegt für ihn auf der Hand: »Ich bin Anhänger der Methode »kleiner Konflikte«, überrascht mich Friebe. »Viele kleine Konflikte verhindern einen großen, unlösbaren Konflikt«, so seine Überzeugung. »Aus diesem Grund kann es sehr wichtig sein, »kleine Konflikte« selbst zu initiieren.«

Jeder, der Friebe beruflich begleitet hat, kennt viele dieser Situationen, in denen er Gesprächspartner provoziert, mit überraschenden Statements aus dem Konzept gebracht hat oder Aufsehen erregende, ungewöhnliche Begründungen und Sichtweisen in Diskussionen einbrachte. Jetzt verstehe ich besser den Grund dafür.

Was Friebe so erreichen will, nennt er »Ebenenwechsel«. Für ihn bedeutete dies ein »genaues Hinsehen aus vielen Blickwinkeln«, sich nicht zufrieden geben mit dem Offensichtlichen, die »Logik in der Unlogik suchen« – das »Denken vom Allgemeinen zum Spezifischen« – das ist sein Credo.

Mit zunehmender Bedeutung kulturell begründeter Konflikte, emotionaler Befindlichkeiten und persönlicher Machtinteressen ist die Ursachenanalyse mit Ebenenwechsel unabdingbar. Sie liefert den wesentlichen Teil der notwendigen Information unter Verhandlungspartnern, um Machtstrukturen aufzubrechen und einen Demokratisierungsprozess in den Verhandlungen zu ermöglichen.

Nur so, zeigt sich Friebe überzeugt, sei eine nachhaltige Verhandlungs­lösung im Sinne eines Konsens in einem Beziehungssystem erst möglich. Historische Beispiele oder das Bemühen der Staatengemeinschaften um die Bewältigung aktueller Krisensituationen in der Welt belegen Friebes Leitfaden zur Konfliktbewältigung.

Lesen und Anwenden desselben würde nicht schaden, oder? (he)

3 Gedanken zu „Konflikte und wie man sie bewältigt“

  1. Dr. Oliver Diedrich, am 11.03.2016

    Hallo Eduard
    ….
    Ich habe dein Heft noch am Abend gelesen und verstehe deine Faszination für
    Klaus P. Friebe gut – ich habe das Gefühl, schon aus dem Heftchen mehr
    gelernt zu haben als aus diversen Führungsseminar-Wochenenden.

    Dir noch ein schönes Wochenende und auf bald.

    Ciao, Oliver


    Dr. Oliver Diedrich
    Leitender Redakteur / Senior Editor
    c’t Magazin für Computertechnik / http://www.ct.de

    Antworten
  2. Britt Lorenzen, am 12.03.2016

    Sehr geehrter Herr Heilmayr,
    ….
    Ich freue mich sehr, dass der Friebeismus durch Sie einer interessierten offenen Leserschaft näher gebracht wird.
    ….
    KPFs (Anm.d.Red. KPF=Klaus P. Friebe) Eingangsthese „Konfliktunfähigkeit –denn jeder will Konsens“: gleichzeitig beschreiben Sie/KPF den Konsens (neben der Liebe im privaten Bereich) als die höchstmögliche Form der Konfliktlösung und als Konfliktlösungsmuster, das den höchsten Konfliktlösungsbeitrag liefert.

    In meiner eigenen beruflichen und privaten Realität ist Konsens die höchstmögliche kulturelle Konfliktlösungsstufe nach dem vorherigen Austragen des Konfliktes, also das Ergebnis einer die Wertewelt des anderen respektierenden und Unterschiede wahrnehmenden Auseinandersetzung. Sehr häufig erfahre ich im Rahmen von Konflikten, dass es nicht ausreicht, wenn nur einer der Konfliktpartner den Konsens anstrebt. Die Grundvoraussetzung ist, dass beide Seiten den Konsens anstreben und die Regeln für Konsenserreichung (Respekt vor subjektiver Wahrnehmung, Ursachensuche und -analyse)

    Ich erlebe häufig beruflich wie privat den Wunsch nach Konsens als einen irrationalen im Vp begründeten ureigenen Wunsch der Konfliktvermeidung als Konfliktlösung.
    KPFs Eingangsthese „jeder will Konsens“ ist also gleichzusetzen mit „jeder will ein Ergebnis/Produkt ohne Auseinandersetzung mit Faktoren (Ursachen)

    Ursachen eines Konfliktes zu erkennen bedeutet, dass beide Konfliktparteien sich mit dieser Frage beschäftigen, sich in die Wertewelt des anderen hineindenken können, also die untere Ebene des Eisberges aus den Augen der anderen Konfliktpartei erkennen können.
    Es geht um das reife, selbstreflektierte Vp, das in der Lage ist die Logik in der Unlogik (=Wertewelt des anderen zu erkennen.)

    Mit freundlichen Grüßen
    Ihre Britt Lorenzen, Kiel

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  3. Max Heilmayr, am 15.03.2016

    Guten Morgen Papa,
    ….
    Endlich habe ich gestern Zeit gefunden, den Konflikt zu lesen. Ich finde ihn ganz wunderbar! Du hast das Thema toll aufbereitet, leicht verständlich geschrieben und vor allem, das gefällt mir am besten, klargemacht, dass das Thema für jeden relevant ist. Ob politische Konflikte, gesellschaftliche oder private, du hast die Dimensionen für mich wirklich gekonnt in den Mittelpunkt gestellt. Sehr soziologisch, sehr relevant, sehr überschaubar, grafisch ideal untermalt – die Skizzen finde ich toll, leicht verständlich, sehr einleuchtend, passend integriert. Alles in allem ganz wunderbar. Auch Juli war begeistert, ihr hab ich ihn am Wochenende gegeben, auch Eva liest ihn jetzt, die wird da noch einmal ganz andere soziologische Erkenntnisse darin sehen.
    Und da wolltest du mir weismachen, du wüsstest nicht, was die Soziologie kann und macht und dann schreibst du sowas!
    ….
    Ganz liebe Grüße nach Hannover,
    Max

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