Artikel: Wer keine reiche Oma hat… – Herausforderungen in der Technologiefinanzierung der frühen 80er Jahre

Eduard Heilmayr beschreibt die Tücken der Wachstumsfinanzierung für mittelständische und Kleinunternehmer in den frühen 80er Jahren. Warum verweigern Banken oft Kredite und verhindern dadurch Innovation? Bieten Eigenkapitalfinanzierungsmodelle oder staatliche Förderungsprogramm Alternativen? Ein spannender und informativer Artikel über die Herausforderungen der damaligen Technologiefinanzierung.

München (he) – »Wer keine reiche Oma hat und trotzdem sein Geschäft betreiben will, muss das Geld, das er zu Wachstumsfinanzierung braucht, erst verdienen«, so stellt sich für Michael Iloff die Situation der Kleinunternehmer dar.“ Wenn er das nicht machen will oder kann, bleiben dem Unternehmer drei Möglichkeiten: zur Bank zu gehen und Kredite aufzunehmen, ein passendes staatliches Förderprogramm zu finden oder aber auf dem privaten Markt sich Risikokapital zu besorgen. Mit welchen Tücken er rechnen muss und welche Fehler er machen kann, beschreibt der Artikel im Rahmen der Berichterstattung über das Markt & Technik-Forum zum Thema Technologiefinanzierung.

Wenn man ein Produkt fertig entwickelt hat, dann glaubt man, die größten Probleme sind gelöst. Das ist nicht so. Gerade für uns Techniker ist es schwierig, die Fertigung und den Vertrieb aufzubauen«, so beschrieb Karl-Hans Schönweitz (GS-Electronic) die Ausgangsposition vieler Klein- und mittelständischer Unternehmer. Für den Aufbau von Fertigung und Vertrieb ist im wesentlichen Geld erforderlich. Der erste Weg des Unternehmers führt dabei zu den Banken. Die Erfahrungen, die Unternehmer auf diesem Gebiet machen mussten, bezeichneten die am Forum teilnehmenden Unternehmer generell als schlecht. »Wir haben versucht, Bankkredite zu bekommen, und es ist uns auch gelungen, aber doch nur mit sehr großen Schwierigkeiten«, berichtet Schönweitz. Seiner Ansicht nach wurde der Bankkredit nicht aufgrund des entwickelten Produktes erteilt, sondern nur die persönliche Leistungsfähigkeit seiner Person und die seines Teilhabers als Bewertungsmaßstab der Bank für einen Kredit herangezogen.

Dass dieser Bewertungsmaßstab speziell bei neugegründeten Unternehmen häufig zu abseitigen Kreditbescheiden führt, musste Gerhard Blanke am eigenen Leib erfahren. Trotz Geschäftsplan, Marktstudien vergleichbarer Produkte in den USA und privaten Beteiligungen stellte Blanke seine Gespräche mit zirka fünf Banken über weitere Finanzierungsmittel letztendlich ein: »Wir kamen in einer gewissen Verhandlungsphase immer in eine Situation, wo die andere Seite sagte, die amerikanischen Marktstudien mögen zwar stimmen, aber wir können die Chancen für das Produkt am europäischen Markt insgesamt nicht einschätzen.« Jetzt, nach einem halben Jahr, sei die Zeit für die Einführung dieses Produktes wahrscheinlich schon vorbei, weil die Amerikaner ihrerseits damit auf den europäischen Markt drängen, so Blanke.

Für Rüdiger Hahn (SPL Software Product) ist das Kriterium der Schnelligkeit im innovativen Technikbereich ein wesentlicher Gesichtspunkt. Seine Firma wollte ein Produkt einführen, das ein Halbleiter sein sollte. Zum Aufbau einer Halbleiterfertigung sei aber erhebliches Kapital notwendig. Hahn sprach von mindestens vier Millionen Mark, das praktisch sofort zur Verfügung stehen müsste. »Ich muss ein Produkt in unserer Branche innerhalb eines halben Jahres auf den Markt bringen und so kostengünstig fertigen können, dass es auch eine Chance hat, einen Markt zu gewinnen«, analysierte Hahn seine Situation. Ihm sei es aber nicht gelungen, über eine Bank an Risikokapital heranzukommen. Er habe auch keine Möglichkeit gefunden, Privatgelder hierfür vermittelt zu bekommen. Auch Klaus P. Friebe (VDI-Technologiezentrum) hielt sich mit Vorwürfen an die Finanziers nicht zurück: »Das Verständnis für den Markt und die Marktentwicklung, für die Risiken im Vertrieb und für die Chancen eines Produktes sind in der Finanzwelt bei uns unterentwickelt.« Dies träfe nach Friebes Meinung besonders für den Mikroelektronik-Bereich zu: »Mit was wir es hier zu tun haben ist ein Phänomen der Schnelllebigkeit, der Nichtbeurteilbarkeit von Märkten, von Vertriebssystemen und Produkten.«

Dementsprechend schwierig ist die richtige Einschätzung eines Produktes für die Bank. Max Pohl (West LB) scheut sich auch nicht, unumwunden zuzugeben, dass höherer Sachverstand beim Bankpartner unumgänglich ist. Aber auch die Finanziers übten massive Kritik an den Unternehmern. »Was ich schon alles an Finanzierungen gesehen habe, da standen mir die Haare zu Berge«, berichtete Pohl aus der Praxis. Zunächst sei festgehalten, dass eine Finanzierung entweder einen Kredit oder Eigenkapital in Form von Beteiligungen verlangt, legte Pohl noch einmal die Voraussetzungen fest. Erst dann, wenn ein Unternehmen Rentabilität als ausreichend sicher darstellen kann, lässt sich mit Krediten arbeiten. Voraussetzung für Finanziers und Unternehmer gleichermaßen, betonte Pohl weiter, sei es doch, dass Gewinne erzielt werden. Bei der Vergabe von Krediten müsse die Bank prüfen, ob der Kreditnehmer in der Lage ist, einerseits die Kreditbelastungen zu finanzieren und andererseits den Kredit fristgerecht zurückzuzahlen. So betrachtet herrschte Einigung der Forumsteilnehmer darin, dass unter diesen Voraussetzungen Kredite selten ein geeignetes Finanzierungsmittel für die Wachstumsfinanzierung darstellen. Was bleibt, ist die Eigenkapitalfinanzierung durch Beteiligungsgesellschaften. Hier müsste nach Meinung von Dr. Alfred Prommer (Prommer Consultants) der Unternehmer erkennen, dass er den Finanzier bei der Eigenkapitalfinanzierung als Partner braucht, und zwar nicht als Gespenst oder als Loch, das sich irgendwann die Firma unter den Nagel reißen möchte«. Karl-Heinz Fanselow (WFG) ergänzt: »Es braucht den anlagenbereiten Finanzier mit unternehmerischem Sachverstand und es braucht auf der Unternehmerseite Partner, die den Gesellschafter in Freud und Leid akzeptieren.« Dies ist keineswegs eine Selbstverständlichkeit. »Der Unternehmer hat eine Schwellenangst«, so Pohl. »Er glaubt, dass der Kapitalgeber, der sich an seiner Firma beteiligt, ihn beeinflusst, ihn beherrscht, ihn nicht mehr selbstständig entscheiden lässt.«

Dieser Vertrauensmangel scheint nicht nur zwischen Unternehmen und Kapitalgebern vorzuherrschen. Auch die Beschaffungspolitik des Staates und der Industrie zeugt nicht von großem Vertrauen in die Leistungsfähigkeit kleiner und mittelständischer Betriebe. »Die Angst des Auftraggebers, insbesondere öffentlicher Auftraggeber, ist die, dass die Firma, von der man die Produkte bezieht, in den kommenden Jahren Pleite geht«, teilt Eberhard Färber seine Erfahrungen mit. Hier ansetzend habe Färber versucht, mit dem Aufbau einer sogenannten Projekt-Garantie Gemeinschaft systematisch Vertrauen für kleine und mittlere Unternehmen zu schaffen. »Es entstand ein rundes Konzept«, berichtete Färber weiter, »das auch mit dem BMFT und dem Wirtschaftsministerium besprochen wurde.« Diese Bemühungen seien aber letztendlich aus folgenden Gründen gescheitert: »Das Forschungsministerium fühlte sich nicht zuständig. Wir gingen zum Wirtschaftsministerium, das sich ebenfalls für nicht zuständig erklärte, weil Wirtschaftsförderung Sache der Länder ist.« Seine Reise durch die Bundesrepublik, so Färber weiter, führte ebenfalls zu keinem Ergebnis. Da die Bundesländer völlig verschiedene Instrumente zur Wirtschaftsförderung anbieten (Bayern fördert beispielsweise den Handel aber nicht die Industrie, Baden-Württemberg Handel und Industrie), die Garantiegemeinschaftsmitglieder aber in sämtlichen Bundesländern angesiedelt waren, sei das Projekt mangels Kompetenz gescheitert.

»Wir haben diesem Problem schon Aufmerksamkeit gewidmet«, bestätigte indirekt Dr. H. Grünau die Vorwürfe Färbers. Man habe im Ruhrgebiet ein Beratungsmodell für Kommunen laufen. Sie sollen unter dem Stichwort innovative Beschaffung im Energie- und Entsorgungsbereich verbesserte und neue Technologien einsetzen. »Häufig werden leider zu kurzatmige Rechnungen über die Wirtschaftlichkeit neuer Techniken angestellt«, meinte auch Grünau. »Wir werden weiterüberlegen, inwieweit staatliche Beschaffungspolitik auf solche Dinge stärker ausgerichtet und verbessert werden könnte.« Es sei aber nicht zu verschweigen, dass es hier enorme Schwierigkeiten gibt. So werden beispielsweise bei der öffentlichen Sicherheit oder im Verteidigungsressort andere Prioritäten gesetzt, erklärte Grünau weiter. »Es wird sehr schwierig sein, hier auch den Sachverstand reinzubringen. Wir müssen aber sicherlich mehr Aufgeschlossenheit erreichen, damit durch öffentliche Aufträge der Start für neue Firmen leichter gemacht wird. «

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