Der Artikel beschreibt sehr anschaulich wie bereits in den frühen 80er Jahren das Themenfeld „Finanzierung von Innovationen und neuer Technologien“, zum Beispiel der Mikroelektronik, diskutiert wurde. Welche Probleme waren damit verbunden? Warum hat sich der amerikanische Begriff „Venture Capital“ auch hierzulande durchgesetzt? Welche Finanzierungsinstrumente haben sich bereits zu dieser Zeit herauskristallisiert?
München (he) — Themen, wie das ‚Venture Capital‘ in den USA, mangelnder Sachverstand der Banken, Partnerschaftsfeindlichkeit der Unternehmer, Kommunikations- und Informationsmangel, Fakten zur Beschaffung von Finanzierungsmitteln, die Situation am Beschaffungsmarkt in Deutschland, Zukunftsaussichten und -wünsche, wurden im Laufe eines von Markt & Technik veranstalteten Forums ausführlich diskutiert. Ziel war, die derzeitige Situation in Deutschland für die Finanzierung von Innovation gerade im Klein- und mittelständischen Bereich zu beleuchten, vorhandene Möglichkeiten aufzuzeigen und Anregungen für weitere Diskussionen zu geben. Diskussionsteilnehmer waren Vertreter von Unternehmen, Finanzierungsgesellschaften, des Bundesforschungsministeriums, der Westdeutschen Landesbank und des VDI-Technologiezentrums. Der nachfolgende erste Artikel einer Serie berichtet über die Notwendigkeit der Technologiefinanzierung, die damit verbundenen allgemeinen Probleme und die prinzipiellen Instrumente zur Beschaffung von Finanzierungsmitteln.
Wenn wir bei der Finanzierung neuer Technologien die alten Maßstäbe beibehalten, dann kann es uns passieren, dass wir eine große Zahl der Kunden im Bankgewerbe verlieren, weil die dann einfach nicht mehr existieren« (Klaus P. Friebe, VDI-TZ).
Die Entwicklung, Einführung und Anwendung der Mikroelektronik wird als Basisinnovation angesehen. Dieser Bedeutung entsprechend wurde durch den Staat gerade die finanzielle Förderung der Klein- und mittelständischen Unter nehmen bei der »Anwendung der Mikroelektronik« — wie ein gleichnamiges Förderprogramm des Bundesforschungsministeriums beweist — in der jüngsten Vergangenheit vorangetrieben. Dass auch die jetzige Bundesregierung nach Aussagen von Bundesfinanzminister Gerhard Stoltenberg der Förderung kleiner und mittlerer Betriebe größte Bedeutung bei misst, zeigen konkrete Pläne — entstanden noch unter der alten Bundesregierung — für einen neuen Modellversuch zugunsten neuzugründender oder sich in Gründung befindlicher Firmen. Dieses Programm soll Anfang 1983 in drei Phasen gestartet werden. Entwicklung, Prototypenerstellung und Markteinführung neuer Produkte soll bis zu einem Kapitalanlagenteil von 75 Prozent finanziell kräftig unterstützt werden.
Der staatlichen Förderung sind Grenzen gesetzt. Sie wird häufig nur als »Tropfen auf den heißen Stein« gesehen. Durch Finanzierungshilfen für Forschung und Entwicklung kann ein Kapitalbedarf angeregt werden, der dann bei Serienfertigung und Vermarktung ein Vielfaches der ursprünglich zur Verfügung gestellten Mittel übersteigt. Die Finanzierung von Forschung und Entwicklung sowie von Wachstum stellt für Klein- und mittelständische Unternehmer und gleichermaßen für die Kapitalgeber, besonders im Bereich des »High-Technology- Business«, meist ein schwer kalkulierbares Risiko dar. In diesem Bereich muss die Entwicklung, Prototypenerstellung, Serienfertigung und Vermarktung eines Produktes innerhalb kürzester Zeit erfolgen. Die Funktion des Produktes bleibt für einen technischen Laien (und um solche handelt es sich in der Regel bei Kapitalgebern) meist unverständlich, die Rentabilität ist schwer einzuschätzen. Die Lebensdauer ist meist kurz und kaum exakt vorherbestimmbar. Der »klassische Techniker« als Unternehmer möchte wenig mit Krediten, Eigenkapital und sonstigen betriebswirtschaftlichen Erfordernissen zu tun haben. Ein Bereich also, der durch Schwierigkeiten, Gegensätze, Informations- und Kommunikationsmangel geprägt ist — eine große Herausforderung für Unternehmer, Finanziers und den Staat.
Die staatliche Förderung hat für Dr. Hartmut Grünau vom Bundesforschungsministerium schwerpunktmäßig zwei Aufgaben: Die Finanzierung von Forschung und Entwicklung und die Wachstumsfinanzierung. Den Bereich der Forschung und Entwicklung definiert Grünau als Vorphase, wo in der Regel durch das BMFT und das Wirtschaftsministerium, häufig in enger Zusammenarbeit mit Banken, ein Produkt bis zur Prototypenerstellung finanziert wird. Dieses Geld hat für den Unternehmer dann einen eigenen kapitalähnlichen Charakter, wenn es nicht zurückgezahlt werden muss. »Diese Mittel sind für den Staat verlorene Zuschüsse — sie sind also ein Geschenk an die Unternehmen«, erklärte Grünau. In diesem Bereich habe der Staat eine wichtige Anregungsfunktion, um Entwicklungen einzuleiten, die wegen finanzieller Barrieren noch nicht in Angriff genommen wurden. Außerdem habe der Staat eine Anreizfunktion »im Sinne des Setzens von Schwerpunkten in gewissen technischen Bereichen«. Beispiel hierfür sei die Mikroelektronik, wo mit dem jüngsten Förderprogramm des BMFT in diesem Bereich Akzente gesetzt wurden. Im Forschungs- und Entwicklungsbereich habe nach Meinung von Grünau der Staat die Aufgabe »einerseits Firmen auf die Probleme im Technikbereich aufmerksam zu machen, in welche Richtung sie stärker voranmarschieren sollen, andererseits aber den Firmen auch in schweren Zeiten zu helfen und gewisse Vorleistungen bei Forschung und Entwicklung zu erbringen«.
Das Problem der Wachstumsfinanzierung sei sowohl bei »gestandenen Firmen« als auch bei jungen Firmen vorhanden, die gerade mit einem erfolgreichen Produkt auf dem Markt seien und ihre Produktionskapazitäten sowie den Vertrieb entsprechend ausbauen müssten. Hier habe der Staat zusammen mit Banken und der Deutschen Wagnisfinanzierungs-Gesellschaft (WFG) Anregungen gegeben. Förderprogramme zur Wachstumsfinanzierung setzten allerdings voraus, dass mehr oder weniger immer gewisse Sicherheiten beim Unternehmer vorhanden sind.
Neben direkten Finanzierungshilfen zur Wachstumsförderung von Unternehmen ständen weitere Instrumente zur Verfügung. Es sei erforderlich, potentielle Kapitalgeber »in den technologieorientierten Bereich hineinzulocken, damit sie hier ihr Geld anlegen«. Dies könne der Staat indirekt über Bürgschaftsprogramme als Absicherung versuchen und Grünau bestätigt: »In dieser Richtung wird in Bonn zur Zeit sehr stark nachgedacht, um gerade unter dem Technologieaspekt solche Dinge stärker in Gang zu bringen.«
Vor allem im Bereich Forschung und Entwicklung finden die staatlichen Finanzierungshilfen mit gewissen Einschränkungen Zustimmung bei den Unternehmern. »Da gibt es durchaus positive Erfahrungen«, drückt Michael Hoff (LG.EL) den allgemeinen Tenor der Fördermittelempfänger aus. »Selbstverständlich gibt es aber eine ganze Anzahl von Einschränkungen«, bemerkt Eberhard Färber (PCS). Beispielsweise habe der Zugang zu den Fördermitteln für kleine und mittlere Unternehmen erst in den Jahren 78/79 begonnen. Zuvor habe es zwar auch Geld vom Staat gegeben, dies waren aber sogenannte »bedingt rückzahlbare Zuschüsse«, die laut Färber »bei Erfolg eines Projektes zurückzuzahlen sind.« Zur Zeit sei man in einer Phase, wo alle kleinen und mittleren Unternehmen, die solche Zuschüsse erhalten haben, darüber diskutierten, ob dieses Programm ein Erfolg war oder nicht. »Dies wäre kein Thema«, kritisierte Färber weiter, »wenn nicht 90 bis 95 Prozent der Mittel damals als sogenannte Normförderung an Großunternehmen gegangen wären.« Durch diese nichtrückzahlbare Förderung von Großunternehmen ist für Färber »schlichtweg eine Wettbewerbsverzerrung« entstanden.
Auch Volker Dolch (Dolch Logic Instruments) habe mit staatlichen Mitteln an sich positive Erfahrungen. »Nur ich glaube, dass die Finanzierung von Innovationsfirmen weit über die staatlichen Fördermöglichkeiten hinausgeht«, schränkt Dolch ein. Er sieht die staatliche Förderung als eine Hilfe an, aber das könne nur im Rahmen der Innovationsfinanzierung ein kleiner Teil des Gesamtfinanzierungsprogramms sein. Es gehe seiner Meinung nach mehr darum, Eigenkapital zu schöpfen, um damit Wachstum zu erzielen. Der gleichen Meinung ist Eberhard Färber, der die Problematik verdeutlicht: »Zuschüsse für Forschung und Entwicklung, selbst wenn sie 40 oder 50 Prozent der dabei an fallenden Kosten abdecken, sind von den Gesamtkosten eines Projektes höchstens 20 oder 30 Prozent. Es ist vor allem in Marketing und Vertrieb das Wachstum zu finanzieren. Da besteht die große Finanzierungslücke.«
Welche gewaltigen Ausmaße diese Finanzierungslücke aufweisen könnte, legt Klaus P. Friebe (VDI-Technologiezen- trum) plastisch dar. Allein durch das Sonderprogramm des BMFT »Anwendung der Mikroelektronik« sei für die dadurch ausgelöste Wachstumsfinanzierung seiner Schätzung nach ein Mindestkapitalbedarf von 10 Milliarden Mark erforderlich. Die Rechnung Friebes ist einfach: Bei einem Fördervolumen von insgesamt 450 Millionen Mark wurden Entwicklungsprojekte bis zu 40 Prozent gefördert. Damit wurde ein Forschungs- und Entwicklungsvolumen von mindestens einer Milliarde Mark losgelöst. Zieht man jetzt in Betracht, dass die Mittel für die Entwicklung eines Produktes bei konservativer Schätzung 10 Prozent der gesamten erforderlichen Investitionssumme betragen, ist für die Anschlussfinanzierung ein Mindestkapitalbedarf von 10 Milliarden Mark notwendig. »Ich weiß nicht, wo wir diese Mittel herbringen«, meinte Friebe.
»Wir können schon davon ausgehen, dass Mittel im großen Umfang vorhanden sind«, bemerkte Max Pohl (West LB), und weiter: »Die Frage ist nur, wie die Mittel geleitet werden.« Karl-Heinz Fanselow (WFG) ist in diesem Punkt noch optimistischer: »Ich glaube, die Finanzierungswelt insgesamt verfügt über genügend Mittel, das notwendige Wachstum zu finanzieren. Ich möchte sogar provokatorisch behaupten, es mangelt nicht an Risikokapital«. Seine Begründung: Derzeit seien Beteiligungen in den verschiedensten Formen mit einem Gesamtvolumen von ungefähr einer Milliarde Mark schon auf dem deutschen Markt. Die konkrete Frage, ob der Finanzmarkt insgesamt in der Lage sei, diese Mittel bereitzustellen, beantwortete Dr. Alfred Prommer (Prommer Consultants) ebenfalls mit Ja. Dabei reichen »bei aller Würdigung« die staatlichen Hilfen nicht aus. Vielmehr müsse es gelingen, die privaten Initiativen, die privaten Mittel zu stimulieren. Hier habe nach Meinung Prommers der Staat sehr wohl die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die privaten Mittel interessante Investitionsmöglichkeiten fänden.
Private Initiativen müssten auch nach Ansicht von Rüdiger (SPL Software Product) getätigt werden, nur — und damit sprach er ein zentrales Problem an — »Wie und über welche Kanäle könnten die Unternehmen an das Geld gelangen?« Diese Aufgabe fällt überwiegend Banken und Finanzierungsgesellschaften zu. Dabei sei aber auf Seiten der Unternehmer die strikte Differenzierung der Finanzmittel in Eigenkapitalbereich und Kreditbereich unbedingt erforderlich, betonte Max Pohl: »Wir alle wissen, dass Banken in der Lage sind, Kredite aus ihren Einlagen zu geben — aber nur mit einem Risiko, das nicht weitergehen kann, als bis zu einer erträglichen Ausfallquote.« Im Grunde haben die Banken Mittel unter den Gesichtspunkten auszuleihen, die ein Ausfallrisiko nicht beinhalten. Infolgedessen habe die Bank auf der Kreditseite ihre Hauptaufgabe darin zu sehen, die Ertragssituation, die Bonität des Unternehmens bei einem Kreditantrag zu überprüfen. Pohl erklärte weiter: »Ein Kredit beinhaltet für die Bank die Notwendigkeit der Rückführung. Er kann nur aus dem, was der Unternehmer in Zukunft erwirtschaftet, zurückgeführt werden.«
Auf der anderen Seite stehe die Eigenkapitalfinanzierung. Diese habe immer da Platz zugreifen, wo ein unternehmerisches Risiko, ein Ausfallrisiko vorhanden sei, erläuterte Pohl. Hierfür seien die Mittel, die die Banken auf der Kreditseite zur Verfügung stellen, ungeeignet. Das Risikokapitalgeschäft auf dem Eigenkapitalsektor zur Innovationsfinanzierung betreiben Beteiligungsgesellschaften. Die Philosophie solcher Finanzierungsgesellschaften beschrieb Thomas Kühr (Genes): »Wir wollen den Begriff Wagnis- oder Risikokapital in Deutschland nicht benutzen. Wir lassen es bei dem amerikanischen Ausdruck ‚Venture Capital‘, weil dieser viel mehr beinhaltet, nämlich in erster Linie die Chancen und auch das Bewusstsein der Risiken. Die Mikroelektronik ist eine Herausforderung an die unternehmerisch veranlagte Finanzwelt und an unternehmerisch veranlagten Personen — hier gibt es etwas zu tun.«