Anaheim/USA, 08.10.1982 (he) — Im südkalifornischen Anaheim war auch die diesjährige amerikanische Elektronikmesse »Wescon« — ausgehend von den Gesamtbesucherzahlen — ein voller Erfolg. Nicht leicht zu verstehen, bei einer von Rezession auch in den Vereinigten Staaten gebeutelten Elektronikindustrie und einer mächtigen demnächst in München stattfindenden Konkurrenzmesse, der »Electronica«. Neben geographischen Gründen könnte der Erfolg der »Wescon« im augenscheinlich immer noch ungebrochenen Informationsbedürfnis der Fachbesucher, in großzügiger Standaufteilung und -gestaltung im Vergleich zum Vorjahr, in einer reibungslosen Organisation bei Registrierung und Personenbeförderung und in den zahlreichen Fachvorträgen begründet sein.
Das Ziel wurde erreicht – nach Ankündigung als »größte“ Elektronikausstellung in der Geschichte der Vereinigten Staaten«, warteten die Veranstalter der »Western Electronic Show and Convention« (Wescon) mit imposanten Zahlen auf: 74112 registrierte Messebesucher auf der Wescon und zusätzlich zirka 5000 Besucher von der parallel laufenden Messe Mini/Micro. Diese Kleincomputer-Messe für den OEMMarkt verzeichnete an den drei Öffnungstagen (14. bis 16. September) 13 163 registrierte Besucher und fand auch noch das Interesse von zirka 18000 Wescon-Registrierten«. Vergleicht man die Wescon-Besucherzahlen mit denen des Vorjahres, so bedeutet dies einen Anstieg von ungefähr 10000 Besuchern. Daß es trotzdem nicht zu chaotischem Gedränge vor den Ständen und in den Gängen kam, läßt sich auf eine wesentliche Erweiterung des Messegeländes zurückführen. Insgesamt vier Hallen mit einer totalen Ausstellungsfläche von zirka 12250 qm beherbergten 767 Aussteller in 1464 Ständen (1981: 959 Stände).
Diese Erweiterung an Standfläche gegenüber dem Vorjahr — der Veranstalter spricht von einer Größenordnung von 57 Prozent — zog auch eine weitere äußerliche Veränderung nach sich: Repräsentativere und übersichtlichere Stände bewirkten trotz Besucherandrang eine lockere Atmosphäre und boten auch den notwendigen Raum für interessante Fachgespräche. Eine Annäherung an europäische Messestandards scheint sich zumindest äußerlich abzuzeichnen.
Berechtigter Stolz schwingt bei der Bekanntgabe der ab schließenden Besucherzahlen durch Kent E. Keller, Public Relations Consul des Veranstalters, mit: »The largest Wescon in history«. Gleichzeitig fragt er im kleinen Presseraum die wenigen deutschen Journalisten nach Vergleichszahlen zur bedeutendsten Bauelemente-Messe der Welt, der Münchner »Electronica«, die 1980 mit 84500 Fachbesuchern in sieben Tagen aufwarten konnte. Natürlich hinkt der alleinige Vergleich der Besucherzahlen. In dieser Hinsicht und so, wie sich die Wescon darstellt, scheint der .Anschluß an die »Electronica« durchaus gelungen zu sein. Aber einige wesentliche Unterschiede bestehen nach wie vor. So ist die Wescon in erster Linie eine inneramerikanische Repräsentations-Show, bei der bei weitem nicht alle weltweit bekannten Bauelementehersteller es für notwendig befinden, durch eigene Stände vertreten zu sein. Betrachtet man sich die Ausstellerliste, so lassen sich beispielsweise Finnen wie Intel, Harris, Bourns oder Intersil nur durch Distributoren vertreten, ebenso wie der größte Computerhersteller IBM.
Auch die ausländischen Firmen scheinen in einem »Electronica« -Jahr von verstärkten Aktivitäten auf der bedeutendsten amerikanischen Elektronikmesse wenig zu halten. Speziell die deutschen Firmen glänzten bis auf wenige Ausnahmen durch Abwesenheit. Die auf der Wescon mit eigenen Ständen vertretenen deutschen Herstellerfirmen, wie Dolch, Kontron, Hameg, Schroff, Marquardt, Prema, Roederstein, die Akkumulatorenfabrik Sonnenschein, Weco und die amerikanische Tochter von Zettler zeigten sich mit dem Messeverlauf überwiegend zufrieden. So war Günther Schroff als Neueinsteiger auf der Wescon vom Interesse der Fachbesucher an seinen ausgestellten 19-Zoll Gehäusesystemen »angenehm überrascht«, was er aber letztendlich auf die Qualität der deutschen Produkte und die fachlich orientierte Beratung durch die Standbesatzungen zurückführt.
Über die Fachsimpelei an den einzelnen Ständen hinaus hatte der interessierte Besucher weitere Möglichkeiten, sein Informationsbedürfnis zu befriedigen. Dazu dient alljährlich der parallel zur Wescon-Messe laufende Fachkongreß, der sich dieses Jahr mit 38 Themen und insgesamt 170 Vorträgen befaßte. Neben den schon letztes Jahr aktuellen Themen wie 16-Bit- Mikroprozessoren, Einchip-Mikrocomputer, unterschiedliche Betriebssysteme und Softwarebeschreibungen, digitale Signalverarbeitung sowie analoge Systeme nahm dieses Mal das Thema »semikundenspezifische Bausteine« software- und hardwaremäßig einen breiten Raum ein. Insgesamt 20 Einzelpräsentationen befaßten sich mit den für die Entwicklung semikundenspezifischer ICs notwendigen CAD-Systemen, Aufbau und Technologie der einzelnen Bausteine, wirtschaftlichen und alternativen Betrachtungen zum Thema »Gate-Arrays« und ähnlichem.
Für »potente« Fachbesucher, wie Großkunden, boten überraschend viele Ausstellerfirmen einen zusätzlichen Informationsservice. Hinter verschlossenen Türen von Hotelsuiten in meist nahe dem Ausstellungsgelände liegenden Nobelherber gen findet das eigentliche »harte Messegeschäft« statt. Hier werden die heißen Informationen über neue und zukünftige Produkte, über Marktchancen, über echte Bedarfsentwicklung und auch wirkliche Verkaufsabschlüsse gehandelt. Eine Einrichtung, die für Besucher und Aussteller gleichermaßen Zeit, Raum und Muße für detaillierte Problemlösungen außerhalb des Messerummels gewährleistet. Negativeren sei hier nur die nahezu als geheim gehandelten Orte und Personen zu bemerken, die üblicherweise für den »Normalbesucher« kaum fassbar werden.
Positiv auf der Wescon war die reibungslose Organisation, angefangen bei den Transportmöglichkeiten vom Internationalen Flughafen von Los Angeles nach Anaheim sowie der Bereitstellung ausreichender Parkplätze (das benachbarte »Disneyland« stellte zusätzlich ein riesiges Parkareal zur Verfügung) und der raschen Besucher-Registrierung bis hin zu den eingerichteten Pendelbuslinien, die zwischen der Wescon, den wichtigsten Hotels und der »Mini/Micro« ständig verkehrten.
Nur einen wesentlichen Punkt scheint man übersehen zu haben. Die nächstjährige »Wescon 83«, die vom 8. bis 10. November wieder in San Francisco stattfindet, überschneidet sich direkt mit der „Productronica“ in München (8.bis 12. November 83). Fragt man die Wescon-Veranstalter nach der Begründung für diese unglückliche Terminwahl, so schiebt man die Schuld auf das Wetter. Da die Schwestermesse MIDCOM, die in Chicago stattfindet, in der Vergangenheit meist mit schlechtem Wetter beschert wurde, hat man einen zeitlichen Tausch mit der durch kalifornisches Wetter verwöhnten Wescon vereinbart. Glaubhaft? Diese Frage allein böte schon Gesprächsstoff für ein Komitee des Wescon-Veranstalters, das anlässlich der Electronica im November nach München kommen will. Dabei soll neben dem Austausch von Erfahrungen auch eine engere Zusammenarbeit mit den Münchener Messeveranstaltern beschlossen werden.