Vortrag: Politik ist ohne Technologie nicht möglich – Der Vortrag „Technologie – Schlüssel zur Zukunft“ von Klaus P. Friebe, 1986 in Oberhausen

Lesen Sie den Vortrag „Technologie – Schlüssel zur Zukunft“ von Klaus P. Friebe, damaliger Leiter des VDI-Technologiezentrums Berlin, vom 20. September 1986 in Oberhausen. Friebe erkannte bereits in den 80er Jahren, in welchem Ausmaß die technologischen Umwälzungen sich auf Wirtschaft, Politik und Gesellschaft auswirken. Ein leidenschaftliches und zugleich analytisches Plädoyer an die Politik, sich der Herausforderung des technologischen Wandels zu stellen und wichtige Weichenstellungen vorzunehmen.

Zunächst, Herr Hausmann, möchte ich darauf eingehen, was uns trennt, was Politik und Technik unterscheidet. Ich denke, es sind grundsätzlich zwei Dinge:

  1. Der Zeithorizont des Technikers bei der Entwicklung von Technologien ist in Dimensionen von zehn, fünfzehn, zwanzig Jahren zu sehen. Der Zeithorizont des Politikers bewegt sich, wie wir alle wissen, in Zeiträumen von Wahlperioden.
  2. Was uns auch trennt, ist die Basis, auf der Perspektiven entwickelt werden. Der Techniker ist gewohnt, rational zu denken. Er wird immer gemessen an seinen Ergebnissen, denn seine Ergebnisse sind nachprüfbar. Der Politiker beruft sich meistens – verzeihen Sie, wenn ich so hart mit den Wirtschaftsprognosen umgehe – auf Prognosen, die oft ohne Berücksichtigung der technischen Basis entstanden sind, und selten nachgeprüft werden.

Dies sind die grundsätzlichen Unterschiede, die uns trennen. Was verbindet uns? Uns verbindet die Einsicht, dass die Gestaltung der Zukunft nur über die Technik möglich ist. Dank dieser gemeinsamen Grundlage sind wir in der Bundesrepublik Deutschland – verglichen mit den umliegenden Staaten – einen wesentlichen Schritt weiter. Wir sollten darüber froh sein, dass sich die politischen Parteien der Grundfrage stellen, welchen Einfluss die Technik auf unsere Wirtschaft und unsere Gesellschaftsordnung hat. Und diese Fragestellung ist ja auch, notwendig, wenn man sich einmal die Rolle der Technik im historischen Zeitmaß betrachtet.

Vereinfacht lassen sich drei, besser vier Phasen unterscheiden: Phase 1: In einer akuten Krisensituation wird die Dominanz der Technik gegenüber anderen Bereichen von niemanden in Frage gestellt.

Phase 2: Im Anschluss an eine Krise wird der Wirtschaftspolitik Vorrang eingeräumt. Dabei fließen jedoch die während der Krise entwickelten neuen Techniken in das Wirtschaftsleben ein.

Erst in der Phase 3: – Phase der Konsolidierung – kommt eine gesellschaftspolitische Diskussion über die Technik auf. Die haben wir mehr oder weniger über uns hinweglaufen lassen. Um den Zeitbezug herzustellen: vor wenigen Jahren.

Zum heutigen Zeitpunkt befinden wir uns in einer 4. Phase. Die Bundesrepublik Deutschland ist ein ganz normaler Staat geworden. Jetzt müssen wir uns darauf konzentrieren, der Technologie den Stellenwert zu geben, der notwendig ist, um gesellschafts- und wirtschaftspolitisch weiterzukommen.

Meine These lautet daher: Wir können keine Gesellschaftspolitik betreiben ohne eine gesunde Wirtschaftspolitik und keine gesunde Wirtschaftspolitik ohne eine langfristige Technologiepolitik.

Was nun fehlt in der Bundesrepublik Deutschland, ist eine nationale Industriepolitik auf der Basis einer Technologiepolitik. Die haben wir nicht. Wir haben nur Teile davon. Aber wir haben keine nationale Politik, die unsere Basis für die Zukunft sichert. Das mag hart klingen, aber wir sollten von der technischen Seite her die Fragen klar ansprechen. Soweit ein paar Bemerkungen zu dem, wie ich die heutige politische Situation in der Bundesrepublik sehe.

Was ist nun unsere Aufgabe als Manager, als Techniker? Wir haben zwei Aufgaben zu erfüllen. Die eine heißt: Wir sollen ständig Strukturen verändern – so muss man Technik verstehen. Andererseits müssen wir Ordnung halten. Das ist ein Konflikt, den wir zu bewältigen haben, und ich glaube, wir tun es relativ gut. Darüber hinaus müssen wir uns, die wir in der Informationstechnik tätig sind, klar abgrenzen von denen, die suggerieren, dass irgendwelche Daten, irgendwelche Zusammenhänge, nur weil sie elektronisch zu verarbeiten sind, Weisheiten sind. Das ist ein Problem.

Wenn wir zurückblicken auf unsere Vergangenheit, dann hat nach Gehlen, dem Soziologen Gehlen, die Menschheit nur deshalb ihre Entwicklung genommen, weil sie gelernt hat, Substitutionsprozesse zu nutzen. Der erste Substitutionsprozess, der über Millionen von Jahren lief, war die Substitution der Kraft. Wir sind fähig, Kraft über unsere Körperkraft hinaus zu nutzen, zu potenzieren. Die zweite Periode war die der Substitution der Energie, und daraus ist die Industrie, ist die Wirtschaft entstanden. Nur durch die Substitution der Energie in der Kombination mit Kraft waren die Entwicklungen des 19. und des 20. Jahrhunderts möglich. Was wir heute vorfinden, sind die Resultate dieser beiden Substitutionsprozesse. Heute befinden wir uns in einem dritten, nämlich in einem Prozess der Substitution von Informationen und Intelligenz.

Hier sehe ich grundlegende Unterschiede zu den ersten beiden, denn für den Substitutionsprozess, den wir im Moment erleben, haben wir keine politische Antwort gefunden, geschweige denn eine wirtschaftliche. Die Veränderung, die gesellschaftspolitisch auf uns in den nächsten Jahren zukommt, wird um Dimensionen größer sein als das, was wir in den letzten Jahren erlebt haben, denn es hat sich etwas Grundlegendes in der Technik verändert. Wir sind wirtschaftlich nicht mehr isoliert. Wir können keine nationalen Erbhöfe mehr bestellen. Wir müssen uns dem internationalen Geschehen stellen, und da sind Länder wie die USA und Japan und der gesamte asiatische Raum zu beachten. Wenn wir nicht Flexibilität gegenüber der Technik zeigen und zur Technik selbst keine positive Einstellung haben, befürchte ich, dass wir bei uns Barrieren aufbauen, die nicht mehr zu überwinden sind. Wohin entwickelt sich die Technik insgesamt? In nur zwanzig Minuten darüber zu reden, ist schwer, aber ich werde es versuchen. Ich will drei Thesen aufstellen.

These Nr. 1 heißt: Wirtschaftspolitik, Unternehmenspolitik, Gewerkschaftspolitik der 80iger und 90iger Jahre ist ohne eine effektive Technologiepolitik nicht möglich.

These Nr. 2: Will man eine effektive Technologiepolitik auf der Ebene des Unternehmens oder auf der Ebene des Staates betreiben, so muss man das Hauptaugenmerk auf die Qualifizierungsfrage richten. In der Bundesrepublik Deutschland sind wir davon weit, weit entfernt. Das staatlich-monopolistische Qualifizierungssystem der Bundesrepublik Deutschland hat nach meiner Ansicht versagt. Und da das monopolistische System versagt hat, müssen die Betriebe, ob sie wollen oder nicht, betriebsorientiert qualifizieren. Das ist ein Kostenfaktor, der in der gleichen Größenordnung wie Investitionen zu rechnen ist.

Die These Nr. 3 in der Nutzung der Technologie heißt: Nimmt man das Qualifikationsargument ernst, so müssen wir im produktiven Bereich der Fertigung – und nicht nur bei der Fertigung von Hardware im engeren Sinne – das Hauptaugenmerk auf Qualifikationsoffensiven richten. Leider-ist durch die vielfach noch missverstandene Diskussion über die Fragen: „Was ist Produktion?“, „Was sind die Produktionsfaktoren?“ und „Was ist Produktionsrate heute?“ noch nicht entschieden, wo und wie die Intensität bei der Qualifikation einsetzen soll.

Doch genau die Frage müssen wir jetzt klären; denn ein neuer Produktionsfaktor, nämlich der Faktor Information, wird eine entscheidende Rolle spielen in der nächsten Phase der Wirtschaftsentwicklung. Andere Elemente, wie z. B. der Produktionsfaktor Boden, haben relativ an Bedeutung verloren. Auch die Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital sind im Wandel. Kapital ist heute genügend vorhanden, und der Produktionsfaktor Arbeit wird davon abhängen, ob er die notwendige Qualität hat.

Wenn wir nicht die Qualifikationsfrage lösen, dann müssen wir damit rechnen, dass Industrien abwandern. Wollen wir aber die Produktion zurückbringen, die wir in den 60iger Jahren ins Ausland, in die Billiglohnländer verlagert haben, dann ist es zwingend notwendig, dass wir mit ganz neuen Technologien und besserem Wissensstand in der Bundesrepublik aufwarten.

Also: Der Faktor Information wird von entscheidender Bedeutung sein, und hier spielen die Mikroelektronik und die mit ihr assoziierten Technologien eine entscheidende Rolle. Vor Jahren glaubten wir noch, die wir in der Technik groß geworden sind, es gebe Grenzen. Doch bis ins Jahr 2000 lässt sich kein Stillstand in der Entwicklung der Mikroelektronik absehen. Das Silizium wird auch für die nächsten 20 Jahre das Basismaterial bleiben, selbst wenn wir heute schon an neue Materialien wie Galliumarsenid und andere denken müssen. Im Silizium haben wir heute das Material gefunden, das für die nächsten Jahre von entscheidender Bedeutung sein wird. Die Dimensionen für einzelne Funktionen werden kleiner, die Chipfläche wird größer werden. Es gibt das Scaling-up-Problem, das wir meiner Meinung nach einigermaßen gelöst haben. Wir werden uns daran gewöhnen müssen, mit Megachips umzugehen, und bitte beachten wir einmal, wie viele Informationen ein Megachip speichert und wie schnell man an sie herankommen kann.

Damit stellt sich das Problem der Informationsverarbeitung. Da sehen wir eindeutig eine Verengung, da nur wenige von uns in der Lage oder trainiert worden sind, mit Informationen umzugehen. Wir müssen überlegen, wie wir zukünftig eine effektivere Informationsverarbeitung für breite Bevölkerungsschichten zustande bringen können.

Wie schnell die Entwicklung läuft, zeigt sich auf dem IC-Markt: 1973 kostete ein Megachip – damals realisiert mit 1 kbit-Chip – noch so viel wie ein Einfamilienhaus. 1977 kostete die Herstellung eines Megaspeichers so viel wie ein Kleinwagen. 1984 musste man dafür nur noch den Preis eines Fahrrads bezahlen. Und heute kann man es zum Preis eines Hemdes bekommen. 80 DM kostet heute so ein Chip.

Das ist es, was ich deutlich machen will. Alle Bereiche der Gesellschaft sind von Veränderungen der Technologie beeinflusst, der industrielle Bereich sogar relativ wenig. Denn dort hat und ist man schon an schnellen und sprunghaften Veränderungen gewöhnt. Die Veränderung kommt gerade in den Bereichen, in denen man sie nicht erwartet. In den Berufen, in denen man heute noch glaubt, nichts über Technik wissen zu müssen, wo man noch stolz darauf ist, dass man nichts von Technik versteht. Da ist eine Grundhaltung zu sehen, eine halb-humanistische Bildung, die glaubt, dass auch ohne Technik noch ein kulturelles Leben möglich ist. Doch es gibt keine Kultur ohne Technik. Die alten Ägypter wussten das, die Griechen – bloß wir wollen es anders praktizieren.

Die Technik hat heute so vielfältige Erscheinungen, deshalb müssen wir uns überlegen, welche Auswirkungen sie auf uns in den nächsten Jahren haben wird. Was tun wir denn heute wirklich? Wir versuchen, das bisschen Intelligenz, die wir haben, von Punkt A zu Punkt B zu transportieren. Dort laden wir sie ab in irgendeinem Computer, fahren abends wieder heim, mit Autos oder mit Hilfe großer kommunaler Systeme, und das nennen wir Industriegesellschaft.

In welche Richtung geht die Entwicklung? Wenn wir wirklich das ernst nehmen, was mit ISDN heute schon gemeint ist, und das ist nur noch fünf bis zehn Jahre weit weg von uns, dann ist abzusehen, dass die Kommunen eine ganz andere kommunale Verträglichkeit benötigen als sie heute noch planen. Sie werden sagen: Das ist lange hin, zehn Jahre. Es ist nicht lange hin. Die Technik steht bereits vor der Tür. Beobachten Sie mal, was heute schon der Personalcomputer im Bildungssystem für eine Revolution bewirkt hat. Warum gibt es diese Barrieren bei den Lehrern? Doch nicht weil sie dumm sind. Nein, sie haben nie die Erfahrung gemacht, wie man mit solchen Systemen umgeht. Das ist keine Barriere auf sachlicher Ebene, das sind rein psychologische Momente. Und diese Phänomene werden wesentlich stärker in unsere Gesellschaft, in unsere Wirtschaft eindringen. Der ganze öffentliche Dienst ist davon betroffen. Ich frage mich: Wird die Gewerkschaft ÖTV zustimmen, dass man wegkommt von der 35- Stunden-Woche-Diskussion? Ich muss jede Woche Mitarbeiter abmahnen, dass sie nicht länger als 40 Stunden arbeiten. So etwas blockiert, geht man von den vier Phasen aus, mit denen man den Lebenszyklus einer Technik beschreiben kann, dann lässt sich für die Mikroelektronik sagen: Sie befindet sich heute in der ersten Phase.

Das bedeutet, es muss möglich sein, dass die wenigen Leute, die wir haben, ihre Zeit flexibel verwenden, um eine Sache zu entwickeln. Sie müssen die individuelle Freiheit haben, wenn sie sich mal eine Woche lang schulen wollen und nicht am Arbeitsplatz sein müssen, ihre Zeit frei zu gestalten. Wenn wir nicht zu dieser Flexibilität kommen, dann sage ich voraus, dass wir die Früchte des technologischen Wandels, so wie wir sie nutzen könnten, nicht nutzen werden.

Wir müssen von der Technik heraus überlegen, was sinnvoll ist und was nicht. Es gibt viele Berufe, bei denen die 30-Stunde-Woche zu viel ist. Aber es gibt eine ganze Reihe von Berufen und Aufgaben, bei denen 40 oder 48 Stunden normal sind. Was haben wir mit der Diskussion über die 35-Stunden-Woche wirklich erreicht? Wir haben den Anteil der Qualifizierung, der im normalen Arbeitsablauf drin war, radikal herausrationalisiert. Und wer ist der Betroffene? Derjenige, der 35 Stunden arbeitet. Dem kann ein Unternehmer gar nicht erlauben, dass er sich in der kurzen Arbeitszeit qualifiziert. Der Kostenfaktor ist einfach die entscheidende Sache. Die Rahmenbedingungen, die interessieren mich als Unternehmer nur zweitrangig. Für meine unternehmerischen Entscheidungen zählt einzig und allein: Wie hoch sind die Lohnkosten, die Lohnnebenkosten, welche Investitionen habe ich vor und was habe ich an Kosten auf unternehmerischer Ebene? Erst dann kommt die Frage der Rahmenbedingungen. Und deswegen wird meiner Ansicht nach die Diskussion falsch geführt, wenn wir von Rahmenbedingungen im staatspolitischen Sinne reden.

Aber jetzt bin ich ins Politisieren gekommen. Beobachten wir wirklich, was in letzter Zeit in der Bundesrepublik Deutschland passiert ist. Wir haben einen immensen Fortschritt in der Nutzung der Anwendung der Mikroelektronik erlebt. Verglichen mit Frankreich und Großbritannien haben wir heute das optimal Mögliche in der Mikroelektronikanwendung in der Bundesrepublik Deutschland erreicht und das insbesondere bei mittelständischen Unternehmen. Man kann auch Forschungspolitik so gestalten, damit sie zielgerecht einen nationalen Schub gibt. Ich glaube, da sehen wir nicht schlecht aus. Der deutsche Maschinenbau wäre nicht in seine heutige Position gekommen, hätte er nicht systematisch in den letzten zehn Jahren so intensiv die Mikroelektronik genutzt. Jetzt klopfen sich viele stolz auf die Schulter. Wenn wir aber betrachten, was in der Industrie wirklich läuft, dann sehen wir, dass es keinen Grund gibt, sich mit dem Erreichten zufrieden zu geben. Ein Viertel der Unternehmen ist clever genug, nutzt die Technik unwahrscheinlich gut. Zwei Viertel, das sind die Kopierer, die überleben gerade noch! Und das letzte Viertel, das sind die Abstauber, die gehen ein.

Betrachten wir das erste Viertel dieser Unternehmen und sehen wir, welche Eigenschaften sie haben, die die Stärke der Firmen ausmachen, so sind es: Konfliktfähigkeit, hohe Mobilität, Risikofreude. Ich meine, wir werden nur dann überleben, wenn wir Risiko und Eigenverantwortung fördern. Beides geht Hand in Hand. Wir können nicht jemandem sagen: Du bist risikofreudig, und ihn dann dafür bestrafen, wenn er Fehler macht. Auch große zentralistische Systeme haben diese Eigenschaft und glauben durch Risikominimierung überleben zu können. Ich versuche oft, die Rate der Entscheidung, der Risikoentscheidung in einem Unternehmen herauszufinden. Sie werden sehen, wenn die Rate sehr hoch ist und im Steigen begriffen, sind die Unternehmen relativ gesichert, was die Zukunft betrifft. Fällt die Rate oder ist sie nicht vorhanden, können Sie davon ausgehen, dass die Unternehmen relativ große Schwierigkeiten haben.

Welche Forderungen haben wir nun an die Politik? Wenn ich schon mal die Gelegenheit habe, hier zu sprechen, hoffe ich, dass es erlaubt ist einige Forderungen aufzustellen:

Erstens müssen wir erkennen, dass sich unsere Wissenschaftsszene im Umbruch befindet, in einem gewaltigen Umbruch. Früher waren der Informationsanteil und der Wissensteil und das Umsetzen der wissenschaftlichen Ergebnisse in einer Hand. Ein Professor konnte das relativ gut handhaben. Der letzte, ein sehr erfolgreicher und für die deutsche Fertigungstechnik von entscheidender Bedeutung, war Professor Opitz. Er war der letzte der Leute die noch den Oberblick über die drei Bereiche besaßen. Dies ist heute nicht mehr möglich. Wir haben eine Trennung zwischen Informationsteil und Wissensteil und dem Management dieser Wissenschaft. Die Mehrzahl unserer Wissenschaftsinstitutionen hat das noch nicht begriffen, und wenn unsere Forschungspolitik so weitergeht und sich alles in den Hochschulen konzentriert und das Potential, das nun einfach in der Industrie steckt, nicht genutzt wird, dann werden wir wirtschaftlich die Forschungsergebnisse nicht adäquat nutzen können.

Was tun wir heute in der Elektronik? Jeder Ministerpräsident will sein eigenes mikroelektronisches Zentrum haben. Da fließen Millionen Mark hinein. Und woher holen wir die dafür qualifizierten Leute? Wir holen sie aus der Industrie! Aber in der Industrie haben wir nicht genügend Potential, um die Technologie zu entwickeln. Die Technologie ist heute so teuer, dass kein Land, kein Bundesland, sogar die Bundesrepublik nicht allen Technologien genügend Mittel zur Verfügung stellen kann. Das heißt: Die Forschungsinfrastruktur wird durch die Industrie bestimmt und nicht durch die Hochschulen. Doch über eine nationale Industriepolitik wird wenig nachgedacht. Ein weiteres Hemmnis für eine zügige Entwicklung ist meiner Ansicht nach die fehlende „Transfermobilität“ der Wissenschaftler, die Verbeamtung des gesamten Wissenschaftsbereichs. Wir haben alleine im TZ Berlin 20 offene Stellen für Ingenieure, die nur ein bisschen clever sein müssen, egal aus welchem Bereich sie kommen. Wir trainieren sie. Aber die Vielzahl der Leute aus den Forschungsinstituten sind nach BAT bezahlt, und sie haben keine Zeitverträge. Die Mentalität, von der Wiege bis zur Bahre abgesichert sein zu müssen und nichts zu riskieren – das ist das Problem, das wir heute bei der Personalbeschaffung haben.

Zweitens: Mich stört, dass wir eine Wirtschaftspolitik betreiben, als wäre die Technologie uninteressant. Man kann und man muss auch in einer sehr freien Wirtschaft strategisch planen. Allerdings muss man zwischen einer strategischen und einer operativen Planung unterscheiden. Oft habe ich das Gefühl, wir diskutieren hier von zwei verschiedenen Perspektiven aus, wir diskutieren immer über die operative Planung, und das ist natürlich sinnlos. Das kann ein Staat gar nicht, das soll er der Wirtschaft überlassen. Aber strategisch gesehen benötigen wir Felder, die wir mit der Wirtschaft, der Wissenschaft definieren und wir müssen versuchen, diese in den nächsten 20 Jahren zu erreichen. Ich sehe z. B. nicht, dass die Politik der notwendigen Qualifizierung den Stellenwert zuordnet, den sie eigentlich haben müsste.

Und drittens: Wir benötigen eine neue Flexibilität in der Organisation. Wir müssten Organisationen und Institutionen, die nicht mehr effektiv sind, auflösen können. Das trifft auch auf Wissenschaftseinrichtungen zu. Es sollte möglich sein, diese zu schließen, wenn sie ihr Ziel erreicht haben. Diesen Ablösungsprozess von Alt und Neu gilt es politisch in den kommenden Jahren zu gestalten und zu aktivieren.

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