In diesem Artikel fühlt damaliger Markt & Technik Redakteur Eduard Heilmayr den Geschäftsführer der Techno Venture, Dr. Hellmut Kirchner, auf den Zahn warum Siemens bei der 1983 gegründeten internationalen Techno Venture Management Gesellschaft eingestiegen ist. Ein interessanter Artikel der veranschaulicht, aus welchen Gründen sich Großunternehmen, im zeitlichen Kontext der frühen 80er Jahre, an derartigen Joint-Ventures beteiligen.
Der Einstieg von Siemens in das Venture-Capital-Geschäft sorgte kürzlich für Schlagzeilen (siehe Markt & Technik-Ausgabe 41, Seite 26). Ausgangspunkt hierfür ist für den Münchner Elektronik-Konzern eine 25prozentige Beteiligung an der neugegründeten Techno Venture Management Gesellschaft, die einen Investitionspool von insgesamt 130 Millionen Mark verwalten soll. Dieses Geld wird aber nicht von Siemens allein bereit gestellt. »Es ist der Pool der deutschen Industrie«, präzisiert Dr. Hellmut Kirchner, einer der Geschäftsführer von Techno Venture, in einem Gespräch mit Markt & Technik seine Vorstellungen.
Der Anteil von Siemens am Poolkapital werde, so Dr. Hellmut Kirchner, kleiner als 25 Prozent sein. Das weitere Kapital soll sowohl von der deutschen Industrie als auch von Banken und Versicherungen aufgebracht werden. Die Vielzahl der anvisierten Kapitalgeber begründet Dr. Kirchner mit dem Hinweis: »Dieser Pool soll nicht von einem Industrieunternehmen beeinflusst werden.« Mit welchen weiteren, an einer Fondsbeteiligung interessierten Unternehmen Techno Venture in Verhandlungen steht, wollte allerdings Dr. Kirchner nicht verraten. Eben so wenig wollte er die Herkunft der bereits investierten 15 Millionen Mark konkretisieren. (Die Zeitschrift Wirtschaftswoche bezifferte in ihrer Ausgabe 41 vom 7.10.83 das finanzielle Engagement von Siemens in den Investitionsfonds auf 20 Millionen Mark, über die Höhe des eingezahlten beziehungsweise einzuzahlenden Siemens-Kapitals wollte sich Dr. Kirchner aber ebenfalls nicht äußern) Dennoch verspricht Dr. Kirchner: »Das Liquiditätspolster ist gegenwärtig so gut ausgestattet, dass wir keine Beteiligung aus finanziellen Gründen ablehnen müssen.«
Ziel einer möglichen Beteiligung durch Techno Venture sei es, »jungen, vielversprechenden technologieorientierten Unternehmen Kapital zur Verfügung zu stellen und die Wachstumsphase eines solchen Unternehmens durch laufende Betreuung abzustützen.« Betreuungsschwerpunkte setzt Dr. Kirchner dabei weniger im technischen Bereich als im Marketing, Vertrieb sowie im Finanzierungs- und Rechnungswesen. Man wolle geeignete Managementteams für ein junges Unternehmen schaffen und dafür auch bei der Suche nach kompetentem Personal Hilfestellung leisten. Überhaupt weist Dr. Kirchner dem »Teamgedanken« — also der möglichst engen Verbindung zwischen Unternehmer und Beteiligungsgesellschaft — einen hohen Stellenwert zu. Um jedoch den »Spielraum« eines Unternehmers so wenig wie möglich einzuengen, wolle man eine Beteiligung auf jeden Fall unter 50 Prozent halten. Eine »faire Partnerschaft«, so Dr. Kirchner, sei auch noch aus einem anderen Grund Voraussetzung: »Wir müssen davon ausgehen, dass wir über einen Zeitraum von 5 bis 10 Jahren zusammen arbeiten.«
Beteiligen wolle und werde man sich auch weiterhin an Unternehmen aus der »klassischen Technologiebranche — von der Software bis zur Chip-Fertigung«. Dabei wolle man sich aber nicht nur nach branchenspezifischen Gesichtspunkten — »sektoral«, wie Dr. Kirchner sich ausdrückt — orientieren, sondern für einen Einstieg der Techno Venture ebenfalls die Phasen der Entwicklung, Produktion und Vermarktung eines Produktes berücksichtigen. Dabei setzt Dr. Kirchner eindeutig Prioritäten: »Wir wollen zwar auch in Neugründungen einsteigen, aber ein Prototyp eines Produktes muss schon vorhanden sein, ein Konzept allein genügt uns in der Regel nicht.«
Voraussetzung für eine Beteiligung ist laut Dr. Kirchner eine Produktneuheit, die typisch in neuen Anwendungen eingesetzt werden sollte. Zur Bewertung eines Unternehmens für eine eventuelle Beteiligung stehen alle Möglichkeiten der an der Management-Gesellschaft beteiligten Unternehmen zur Verfügung. Dies sind neben Siemens die Matuschka-Gruppe TRV München, die T.A. Associates, Boston, mit jeweils 25 Prozent und die Advent Management, London (5 Prozent). Für die Geschäftsführung der Techno Venture sind 20 Prozent der Anteile vorgesehen. »Dieses Netzwerk, das sich über Europa, USA und Fernost erstreckt, erlaubt eine Bewertungsanalyse innerhalb von vier bis sechs Wochen — zumindest können wir dann entscheiden, ob wir an einem Projekt interessiert sind oder nicht«, verspricht Dr. Kirchner. In diesem Zusammenhang vertraut Dr. Kirchnern vor allem den über 15jährigen Erfahrungen des amerikanischen Partners, T.A. Associates, der mit einem Investitionskapital von über einer Milliarde Mark zu den größten amerikanischen Venture-Capital-Managementgruppen zählt. Im Regelfall werde der Zeitraum von der ersten Kontaktaufnahme bis zur Finanzierung nicht länger als drei Monate dauern.
In dem Bewertungs- und Finanzierungs-Know-how der ausländischen Partner liegt zu einem wesentlichen Teil nach Dr. Kirchners Ansicht die Antwort auf die ketzerische Frage: »Warum ist Siemens nicht in einen rein deutschen Venture-Capital-Fonds eingestiegen?«, »Wir brauchen die ausländischen Partner für den Zutritt junger Unternehmen zu den internationalen Märkten.«