Lesen Sie hier einen Artikel von Klaus P. Friebe zum Thema „Schlüsseltechnologie Mikroelektronik“, 1987 veröffentlicht im DIHT Artikeldienst. Friebe lobt die BRD als führende Nation beim Einsatz der Mikroelektronik in Europa, appelliert aber auch eindringlich an die deutsche Unternehmensführung dem Technologiemanagement größeres Gewicht beizumessen. Eine weitere wichtige Aufgabe für Politik und Wirtschaft sieht der Autor in der guten Qualifizierung der Mitarbeiter. Im PDF-Reader oder als Download, erhalten Sie Zugriff auf die Gesamtveröffentlichung, welche zum Beispiel einen Artikel des damaligen Bundesministers für Forschung und Technologie, Dr. Heinz Riesenhuber, enthält.
Wer sich rechtzeitig für den Einsatz neuer Techniken entscheidet, hat am Markt früher oder später die Nase vorn. Dies schließt systematische Weiterbildungsmaßnahmen mit ein.
Betrachtet man die Entwicklung der Mikroelektronik seit den 60er Jahren, so lag der Schwerpunkt zunächst in der Entwicklung einzelner Bauelemente (Chips). Es folgte eine Periode der Adaption dieser Chips in verschiedene Anwendungen, wovon besonders der Maschinenbau profitiert hat. Heutzutage erhält die Mikroelektronik eine neue Qualität: Software und Peripherie erlauben immer komplexere Anwendungen, die sich über den industriellen Einsatz hinaus auf alle Wirtschaftsbereiche erstrecken.
Die deutsche Wirtschaft erfüllt aufgrund kontinuierlich gewachsener Infrastrukturen alle Voraussetzungen, um beim Produktmanagement führend zu sein. Diese Einschätzung wird durch eine Studie der VDI/VDE Technologiezentrum-Informationstechnik GmbH bestätigt. Befragt wurden rund 1.500 Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes. Ergebnis: die deutsche Industrie ist beim Einsatz der Mikroelektronik in Europa führend. Bedarf für unternehmerisches Handeln wird weitgehend nur im Bereich des Produktmanagements gesehen.
Da zukünftig Entscheidungen zwangsläufig stärker an der Technologie orientiert sein werden, sollte dem Technologiemanagement größeres Gewicht beigemessen werden. Da interessiert es schon, welches die Gründe sind, die zum Abbruch von (Mikroelektronik)Innovationsvorhaben verleiten. Es fällt auf, dass besonders in der frühen Phase der Konzipierung und der ersten Bewertung der Vorhaben aufgesteckt wird. Eine Aufschlüsselung nach Unternehmensgröße zeigt, dass vor allem die kleineren Unternehmen durch Finanzierungsprobleme zum Abbruch gezwungen werden. Mittlere Unternehmen haben Schwierigkeiten in der Technologiebewertung und Marktanalyse.
Auch die Kommunen müssen sich auf den von der Mikroelektronik vorangetriebenen Strukturwandel einstellen. So dürfte der klassischen Ansiedlungspolitik der 60er und 70er Jahre, die sich noch vorwiegend auf Bodenressourcen (flankiert von adäquatem Kapital) bezog, zukünftig kein Erfolg mehr beschieden sein. Heute spielen der Produktionsfaktor Information ebenso wie die Qualifikation der ansässigen Bevölkerung eine immer wichtigere Rolle in der Ansiedlungspolitik. Nur Gemeinden mit hoher „kommunaler Verträglichkeit“ sind potentielle Kandidaten für technologie-orientierte Unternehmen. Die Konkurrenz ist auch so noch groß genug: Weil die Märkte immer mehr zusammenwachsen, lässt sich die heutige Technik ohne großen Aufwand in andere Regionen, ja selbst fremde Länder verlagern.
Für die Bundespolitik heißt das: Wir können keine Gesellschaftspolitik betreiben ohne eine gesunde Wirtschaftspolitik. Aber keine gesunde Wirtschaftspolitik ohne langfristig angelegte Technologiepolitik. Eine effektive Technologiepolitik, ob auf Unternehmens- oder Staatsebene, kann aber nur Erfolg haben, wenn das Hauptaugenmerk der Qualifizierungsfrage gilt. Doch auch in diesem Punkt ist das staatlich-monopolistische Qualifizierungssystem überfordert. Es fördert nämlich nur ungenügend solche Qualifikationen, die aktuell und zukünftig benötigt werden.
Damit sind die Betriebe in der Pflicht. Sie müssen nicht nur mehr in neue Techniken investieren, sondern auch die Mitarbeiter-Schulung forcieren. Entwicklung und Produktion sind mit den neuen Techniken so eng verzahnt worden, dass die Qualifizierung bis hin zur Produktionsebene gehen muss. Angesichts der Informationstechnik sind gar neue betriebliche Qualifikationsstrukturen erforderlich, um die neue Technik zu beherrschen – und vor allem, sie in die Unternehmen zu bringen.
Erst auf sich ändernde Produkte und Märkte zu reagieren, das kann schon zu spät sein. Wir müssen agieren, also die Folgen der neuen Techniken vorwegnehmen und so neue Produkte und Märkte schaffen.
Eine solche Strategie schließt systematische Weiterbildungsmaßnahmen mit ein. Denn erst qualifizierte Mitarbeiter befähigen die Unternehmensführung, Aufgaben im Rahmen des Technologiemanagements richtig wahrzunehmen. Sieger im Wettbewerb werden die Unternehmen sein, die mit Risiken umzugehen lernen – und sich frühzeitig für den Einsatz neuer Technologien entscheiden. Je flexibler ein Unternehmen auf Schlüsseltechnologien reagiert, desto erfolgreicher wird die Umsetzung in Produkte und Verfahren gelingen. Ein Produktionsaufbau, der technologische Neuerungen permanent berücksichtigt, ist so gesehen die beste Anpassung an den Markt.