Artikel: Lange vor Big Data – die Notwendigkeit der Nutzung digitaler Daten in den 80er Jahren

Antje Pieper vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW), Köln, beschäftigt sich in Ihrem Artikel, 1986 im IBM Verbandsbrief veröffentlicht, mit dem Anpassungsprozess mittelständischer Unternehmen im Bezug auf die Nutzung digitaler Informationen. Pieper skizziert 1) wie unzureichend auf digitale Daten in Bezug auf Entscheidungsfindungen zurückgegriffen wird und 2) wie zunehmend wichtig genau dies wird. Aber wohl selbst Antje Pieper konnte nicht ahnen, welche immense und weitreichende Rolle digitale Daten für Unternehmen in den nachfolgenden Jahren und Jahrzehnten spielen sollten.

Mittelständische Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland befinden sich zunehmend in einem Spannungsfeld zwischen eigenem Wissen und ungewohnter Kommunikationstechnik. Einerseits wächst der Bedarf an externen Informationen über Märkte und Technik, sodass die bisherigen Wissenskanäle nicht mehr ausreichen. Andererseits treffen kleine und mittlere Betriebe auf ein elektronisches Informationsangebot, das den Zugang zum »Wissen der Welt« verspricht, bei dem es aber zahlreiche Nutzungsbarrieren zu überwinden gilt.

1986_Dezember_IBM Verbandsbrief_

Die Verfügbarkeit neuer Daten über technische Innovationen und die Entwicklung der Märkte wird mehr und mehr zum Wettbewerbsfaktor auch des Mittelstandes. Information ist zur Produktivkraft geworden. Für sie hat sich in den letzten Jahren ein schnell wachsender elektronischer Markt gebildet. Dieser Markt wird aber von mittelständischen Unternehmen selbst dann kaum genutzt, wenn es um die Beschaffung von Informationen zur Einführung neuer Produkte und Herstellungsverfahren geht. Dies ist das Ergebnis einer Umfrage des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln.

Das »Gewußt wie« ist von je her das Problem Nr. 1 unternehmerischen Handelns gerade im Innovationsprozess. Risiken können abgemildert werden, wenn möglichst viele für eine Entscheidung bedeutsame Informationen berücksichtigt werden. Dazu reicht das im Unternehmen vorhandene Wissen wegen des beschleunigten technischen Fortschritts immer weniger aus. Gerade für mittelständische Unternehmen, die sich Innovationen verschrieben haben, gleicht die Beschaffung geeigneter Daten der Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen: Die Zahl von Informationsträgern und -quellen wächst und wächst, zugleich mangelt es aber an Daten, die auf den Bedarf der Betriebe zugeschnitten sind.

1986_Dezember_IBM Verbandsbrief_

Obwohl die neuen Informations- und Kommunikationstechniken in den letzten Jahren den Prozess des Sammelns und Auswertens von Daten revolutioniert haben, ist der elektronische Wissensmarkt bisher kein Markt, den mittlere und kleine Unternehmen nachfragen. Er ist vorwiegend durch die Wissenschaft und wenige Großunternehmen erschlossen. Der Mittelstand dagegen beschafft sich den Großteil der benötigten Informationen auch heute noch überwiegend auf konventionellen Wegen.

Wie die Ergebnisse der IW-Umfrage im Einzelnen zeigen, beziehen mittelständische Unternehmen gut 70 Prozent ihres externen Informationsbedarfs über die persönliche Kommunikation. Datenbanken bilden mit knapp 5 Prozent das Schlusslicht. Die am häufigsten genannten Informationsquellen sind Lieferanten und Kunden. Danach folgen vor allem Gespräche mit Fachverbänden, Kammern oder anderen Unternehmen.

1986_Dezember_IBM Verbandsbrief_

Die Nachfrage der mittelständischen Wirtschaft wird – so weitere Ergebnisse – auf folgenden Gebieten ansteigen:

  • Marktdaten werden über Konkurrenz, Produkte, Branchen, Länder und Kooperations-Partner zunehmend abgefragt werden.
  • Technikinformationen werden vor allem bei Prozess- und Produktinnovationen bei der Diversifizierung an Bedeutung gewinnen.

Das zentrale Problem des Informationsmarktes für den Mittelstand ist der Mangel an Übersetzungen des externen Wissens auf betriebliche Probleme. Dabei setzt die Nutzung externer Informationen Vertrauen in die Seriosität des Angebots voraus. Des Weiteren steht eine stärkere Nutzung von Datenbanken durch den Mittelstand noch vor einem weiteren Hindernis: Eigene Online-Recherchen sind bei fehlender Erfahrung mühevoll und zeitraubend. Denn gegenwärtig sind weder die gespeicherten Daten noch die technische Handhabung der Datenbanken mittelstandsorientiert. Kleinere und mittlere Unternehmen sehen sich daher meist gezwungen, einen Datenbankfachmann einzuschalten – zumal wenn diese Dienste nicht regelmäßig benötigt werden. Dabei greifen sie gerne auf Mittlerorganisationen wie Industrie- und Handelskammern, Wirtschaftsverbände und Handwerkskammern zurück.

Trotz dieser Hürden ist allerdings in den letzten Jahren eine schrittweise Öffnung des Mittelstandes gegenüber den neuen Informationstechniken zu beobachten. Der Grund: Der Zwang zur Elektrisierung durch den internationalen Wettbewerb führt zu einem erweiterten Informationsbedarf und steigender Aufnahmebereitschaft.

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