Bericht: Der Einfluss der Technologie – Eine Analyse, Prognose und Strategieentwicklung der Technologiestiftung Schleswig-Holstein

Der Beitrag enthält den Originalbericht „Die Technologiestiftung Schleswig-Holstein (TSH) als strategischer Akteur im Wandel“, veröffentlicht im Jahr 2000. Wenn Sie den Bericht lesen, verstehen Sie den Diskurs um Technik und seine (wechselseitige) Einflusskraft auf Politik, Fortschritt oder Gesellschaft nicht nur besser, Sie durchdringen das Thema. Wie hat sich der Technikbegriff im Laufe der Geschichte entwickelt? Wie beeinflussen sich Technik und Gesellschaft bzw. Globalisierung? Mit welchen Strategien begegnet die TSH neuen Herausforderungen, welche Arbeitsschwerpunkte werden gesetzt? Was können Akteure aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft tun, damit Technologie die Lösung der Probleme ist und nicht umgekehrt? Der Bericht hat bis heute nicht an Aktualität eingebüßt; die Sprache des Texts ist wissenschaftlich, aber falls Sie die Mühe auf sich nehmen, werden Sie es nicht bereuen, der Erkenntnisgewinn ist groß.

Technologietransformation

Die Technologiestiftung Schleswig-Holstein als strategischer Akteur im Wandel

1. Vorbemerkung

In den Diskursen um den Standort Deutschland und die Zukunft moderner Industriegesellschaften ist die Forderung nach einer schnellen Umsetzung technischer Erfindungen in marktfähige Produkte immer wieder zu hören. Dabei besteht insgesamt über das Wesen und die Steuerbarkeit von Innovationsprozessen ebenso wenig Einigkeit wie über die Ausgestaltung und das Methodenspektrum einer Innovations- und Technologie-Transfer-Struktur.

Für die Entwicklung und Realisierung entsprechender Mechanismen macht sich deutlich negativ bemerkbar, dass eine modische Abgrenzung von Technik in Teilen der Gesellschaft noch immer als schick gilt. Dabei ist dies oft keine Technikverweigerung: man nutzt die Technologie überall, will aber nicht zu ihr stehen. Diese Art der Technikdistanz erschwert eine gesellschaftlich verantwortliche Gestaltung von Innovationsstrukturen. Die folgende Betrachtung will verdeutlichen, in welchem Kontext heute technologische Innovationen zu verstehen sind und welche Anforderungen dies an Institutionen stellt, die – wie die Technologiestiftung Schleswig-Holstein – als Prozessgestalter eine bedeutende Funktion im Rahmen regionaler Technologiepolitik einnehmen, um auch in einem sich rasch wandelnden Umfeld innovativ tätig zu sein.

Als die Technologiestiftung Schleswig-Holstein vor neun Jahren ins Leben gerufen wurde, wagte wohl kaum jemand eine Prognose, ob die Einrichtung die in sie gesetzten Erwartungen würde erfüllen können angesichts des beträchtlichen Gestaltungsbedarfs, den die technologischen Innovationen uns in Wirtschaft und Gesellschaft aufgeben. Schnell hat die »TSH«, wie sie von vielen bald genannt wurde, jedoch an technologischen Fragen interessierte aktiviert, zusammengeführt oder in neue Netzwerke eingeführt. Ohne Zweifel hat sie in beträchtlichem Ausmaß dazu beigetragen, in Schleswig-Holstein Strukturveränderungen herbeizuführen, z.B. an den Hochschulen, die durch die technologische Entwicklung auf die Tagesordnung gesetzt worden waren. Hilfreich war dabei auch die Vielzahl qualifizierter Projektanträge, die die Hochschulen des Landes eingebracht haben. Genauso bedeutsam war aber auch das vielfältige Bemühen, eine technologie-orientierte Kultur im Lande zu fördern. Auch in diese langfristig wirksam werdenden Aktivitäten, zu denen die Dialoge und die Technologiefolgenabschätzung gehören, hat die Technologiestiftung Schleswig-Holstein beträchtliche Mittel investiert. Mit Hilfe der Technologiestiftung Schleswig-Holstein konnten nicht nur viele Millionen DM zusätzlicher Mittel für Schleswig-Holstein bei der EU und dem Bund akquiriert werden, sondern durch die Aktivitäten der Technologiestiftung Schleswig-Holstein wurden auch die Hochschulen und besonders die Fachhochschulen auf den Weg gebracht, als Dienstleister für die regionale Wirtschaft zu fungieren.

Inzwischen – das ist wohl ohne Übertreibung festzuhalten – ist die Technologiestiftung Schleswig-Holstein weit über das Land hinaus ein interessanter Kooperationspartner im Bereich der Technologietransformation geworden, also in jenem Aufgabenfeld, welches weniger einzelne Technologietransferwege unterstützt als vielmehr den technologisch induzierten Wandlungsprozess komplexer ökonomischer und gesellschaftlicher Verhältnisse durch ein breites Methodenspektrum in neue, zukunftsfähige Strukturen zu überführen versucht.

Dabei wird in den Ausführungen deutlich werden, dass der Transformationsansatz der Technologiestiftung Schleswig-Holstein jenseits der Verkürzung der Innovationsdimension auf die einzelwirtschaftliche Perspektive liegt. Stattdessen werden die sozialen Dimensionen des Innovationsprozesses und die aus ihm resultierenden kulturellen Zwänge hervorgehoben werden. Dieser umfassende Zugriff auf einen komplexen gesellschaftlichen Mechanismus unterscheidet die Technologietransformation vom Technologietransfer. In ihm findet sich ein umfassenderes, ein strategischeres Verständnis von Veränderung und Innovation. Technologietransformation integriert Ansätze von Technology-Foresight, Technologiefolgenabschätzung und die Gestaltung von (regionalen) Technologiestrukturen durch Einbettung in einen kulturellen Kontext, der durch seine Offenheit gegenüber neuen Technologien den Rahmen schafft, in dem die verschiedenen Stränge des Technologietransfers stattfinden. Insofern ist eine Technologie-Transformation der Rahmen, in dem sich die konkreten Technologietransfers abspielen.

Im neunten Jahr ihrer Existenz kann die Technologiestiftung Schleswig-Holstein auf eine Fülle von Projekten zurückblicken, die der Strukturierung von Technologiefeldern, dem Erspüren innovativer Technologien oder der Förderung konkreter technologischer Kooperationsvorhaben dienten. So vielfältig wie die bearbeiteten Themen, so zahlreich sind die Kooperationspartner, mit denen die Einrichtung in diesem Zeitraum an der Entwicklung und Realisierung innovativer Technologien zusammenarbeitete – und nicht selten wurden dabei auch Kooperationen von Akteuren angestoßen, die sich bis dahin unbekannt waren oder aus anderen Gründen nicht zueinander gefunden hatten. Mit ihren Publikationen und Aktivitäten hat die Technologiestiftung Schleswig-Holstein schließlich unzähligen Menschen in Schleswig-Holstein und darüber hinaus Kenntnis von ihrer Arbeit und neuen technologischen Entwicklungen gegeben – auch wenn diesen, wie z.B. im Rahmen der Initiative Informationsgesellschaft, dabei nicht immer bewusst war, wer Initiator, Koordinator oder Finanzier entsprechender Aktivitäten war. Nicht selten stand die Technologiestiftung Schleswig-Holstein dabei als aktive Promoterin der Aktivitäten im Hintergrund.

Die folgende Darstellung kann die Breite, Tiefe und Vielfalt der langjährigen Tätigkeit der Technologiestiftung Schleswig-Holstein selbstverständlich nicht annähernd vollständig abbilden; schon gar nicht ist an eine qualitativ umfangreiche Evaluation der Stiftungstätigkeit zu denken. Vielmehr geht es darum, das der Tätigkeit der Technologiestiftung Schleswig-Holstein zugrundeliegende Verständnis technologisch-gesellschaftlicher Wechselwirkungen zu verdeutlichen, einige Aktivitätslinien der Einrichtung zusammenzufassen, Arbeitsschwerpunkte darzustellen und dadurch ein Stück schleswig-holsteinischer Technologiepolitik und Technikgeschichte festzuhalten. Nicht als chronologisches Nacherzählen, sondern als Versuch, typischen und grundlegenden Merkmalen in den Aktivitäten der Technologiestiftung Schleswig-Holstein nachzuspüren und diese für Außenstehende transparent zu machen. Schließlich geht es auch um die zukunftsorientierte Anpassung der Struktur und der Arbeitsschwerpunkte der Technologiestiftung Schleswig-Holstein – denn die Veränderungen, die in allen Bereichen des gesellschaftlichen und des wirtschaftlichen Lebens um sich greifen, können auch die Ansätze der technologie-orientierten Strukturgestaltung und der Technologietransfermaßnahmen nicht unbeeinflusst lassen.

Die folgende Darstellung erinnert zunächst an den Entstehungskontext der Technologiestiftung Schleswig-Holstein, denn die Realisierung eines solch innovativen technologiepolitischen Instruments war nicht so selbstverständlich, wie ihre breit akzeptierte Arbeit heute vermuten lassen könnte. Die zwischenzeitlich eingetretenen Erfolge der Arbeit der Technologiestiftung Schleswig-Holstein sind so auch das Ergebnis einer weitsichtigen politischen Entscheidung und Ausdruck mutigen Zupackens in einem Moment, der die Realisierung eines innovativen Ansatzes möglich gemacht hat. Die strikte parteipolitisch neutrale Handlungsweise der Technologiestiftung Schleswig-Holstein hat sich dabei bis heute als ein wichtiger Erfolgsfaktor behauptet.

Den Technologieakteuren, aber auch anderen Interessierten versucht die folgende Darstellung eine Vorstellung vom Werden und Wirken der Technologiestiftung Schleswig-Holstein zu geben, indem sie

  • die Entstehung und den neuartigen Ansatz der Technologietransformation vor dem Hintergrund eines zukunftsorientierten Innovationsverständnisses verdeutlichen,
  • die zentralen Eckpunkte der Technologietransformation mit der Bezugsgröße Region verknüpfen,
  • die Technologiestiftung Schleswig-Holstein in ihrer Rolle als strategiefähigem regionalen Akteur skizziert und einen Überblick über einige der Technologiefelder gibt, in denen die Technologiestiftung maßgeblich an der Gestaltung der Technologielandschaft Schleswig-Holstein mitgewirkt hat,
  • die Breite und Vielfalt der durch die Technologiestiftung verwendeten Methoden umreißt und am Beispiel der in einen europäischen Kontext eingebundenen Initiative Informationsgesellschaft die wirksame Verknüpfung »harter« und »weicher« Ansätze demonstriert,
  • schließlich auf der Grundlage der bisherigen Erfahrungen einige Überlegungen für die zukünftige Arbeit der Technologiestiftung formuliert.

Wenn die folgenden Seiten einen Beitrag zur Fortsetzung einer innovativen Transformationskultur des Wandels in Schleswig-Holstein leisten, so ist dies auch eine Anerkennung der Arbeit, die das Team der Technologiestiftung Schleswig-Holstein im vergangenen Jahrzehnt geleistet hat, um die Einrichtung zu einem wirklichen Aktivposten in der Technologiepolitik des Landes Schleswig-Holstein zu machen. Meinen Dank und die Erinnerung an eine konstruktive Zusammenarbeit verbinde ich mit der Hoffnung, dass auch zukünftig in Schleswig-Holstein eine wettbewerbsfähige, sozial und ökologisch nachhaltige Technologiegestaltung hohe Priorität hat.

2. Die Herausforderung

In einer von Globalisierung und zunehmender ökonomischer Konkurrenz geprägten Welt gilt der Innovation die besondere Aufmerksamkeit von Akteuren in Wissenschaft und Wirtschaft, im technologischen Feld und in der Politik. Die Innovation soll Abhilfe schaffen, wenn es um die Zukunftsfähigkeit von Industrien und Arbeitsplätzen, wirtschaftliches Wohlergehen im globalen Wettbewerb oder um die nachhaltige Bewältigung ökologischer Risiken geht. Mit dem Ruf nach einer Beschleunigung der Innovationsprozesse und dem Abbau von Hemmnissen verbinden sich Maßnahmen, um die Produkte der Innovation breit zu fördern und für sie neue Märkte zu finden. Tatsächlich hängt die Wirksamkeit entsprechender Aktivitäten jedoch maßgeblich von der Fähigkeit der Gesellschaft zur technologischen Foresight, der Kenntnis der aktuellen Entwicklungen und einem problemadäquaten Innovationsverständnis ab. In der sozial- und technikgeschichtlichen Rückschau spiegelt sich dies in der Kumulation von Beherrschbarkeit wider: von der Beherrschung der Kraft (Renaissance) über die Beherrschung der Energie (Aufklärung) bis hin zur Beherrschung der Intelligenz, die uns in der Postmoderne als multi-optionale Gesellschaft entgegentritt.

Zur Entwicklung des Technikverständnisses

Technische Innovationen waren schon immer ein Quell wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Entwicklung sowie kultureller Veränderungen. Weil sie in vormodernen Gesellschaften meist unbeabsichtigt entstanden, sind von den Neuerungen der damaligen Zeit keine Erfindernamen überliefert. Es handelt sich hierbei um eine eher anonyme Technikgeschichte. Lange wurden Innovationen zudem durch religiöse Regeln und die Traditionen der Zünfte begrenzt. Handwerksordnungen im christlichen Mittelalter sollten beispielsweise die Einführung neuer Werkzeuge und Techniken verhindern; in manchen Städten gab es gar Versuche, Innovationen förmlich zu verbieten. So untersagte der Rat der Stadt Nürnberg im Jahre 1403 die weitere Herstellung eines Apparates zum Drahtziehen und ließ die lnnovatoren schwören, die Maschinen abzubrechen und daran nicht weiter zu forschen.

In anderen Fällen galten Erfindungen und Überlegungen, die über den vorgegebenen Rahmen hinausgingen, als »des Teufels Werk«. Neuerer wurden nicht selten verbrannt oder verbannt. Wenn sich Reste dieser Technik-Skepsis in Deutschland bis in unsere Tage wiederfinden, so verdeutlicht dies die große Bedeutung, die der Frage von Kultur und Werten auch in diesem Bereich heute noch zukommt. Auch wenn dies nicht immer ausreichend wahrgenommen wird: die technologische Entwicklung hinterlässt seit jeher tiefe Spuren in unseren Kulturen.

Seit dem 17. Jahrhundert brachen in Europa die kulturellen Vorbehalte gegen technische Neuerungen. Diese Neuorientierung korrespondiert mit sozio-strukturellen Veränderungen wie dem Rückgang der Macht der Zünfte, der Durchsetzung kapitalistischer Produktions- und Konkurrenzverhältnisse sowie mit der Ausdifferenzierung der Forschung und ihrer Institutionalisierung in Akademien, technischen Schulen und Laboratorien. Das gesellschaftlich wirksam werdende Ergebnis ist die Legitimität des Neuen; technische Entwicklungen werden in einem bis dahin kaum bekannten Ausmaß gesellschaftlich anerkannt.

Damit rücken bei der Betrachtung kultureller Wertungen die Handlungsfreiheiten in den Mittelpunkt der Betrachtung, so dass man sich nun damit beschäftigt, wie bereits etablierte Techniken durch funktional gleichwertige oder überlegene andere Techniken ersetzt werden können. Solch innovatorisches Handeln wird zugleich durch die Gewährung individueller Freiheitsrechte (Gewerbe- und Berufsfreiheit, Forschungsfreiheit etc.) sozial zunehmend aufgewertet.

In der Renaissance findet man das Aufkommen des Ingenieurwesens, bei dem die Erweiterung und Veränderung von Wissen größeres Gewicht erhält als die Bewahrung von Regeln. So unterscheiden sich das klassische Handwerk und die Ingenieurstätigkeit vor allem dadurch, dass der Zugang des Handwerks zunächst über das Material stattfand, die Ingenieurstätigkeiten sich dagegen vor allem durch die Beherrschung von Verfahren auszeichnen. Mit der Entdeckung dessen, was technisch möglich ist, schiebt sich in der technischen Literatur gegenüber dem Realisierungsprozess die Darstellung des konstruktiven Entwurfs in den Vordergrund.

Mit dieser Betonung des Möglichen, des Nützlichen und des Neuen sowie des damit verbundenen Prozesses der Fortschreibung mit offenem Ausgang, welche statt der Bewahrung bestehender Regeln durch die qualifizierte Anwendung geschulten Wissens in den Mittelpunkt der Betrachtung rückt, verbindet sich die Berühmtheit von Forschern wie Leonardo und Machiavelli. Sie werden als Ingenieur bzw. Techniker der Macht bekannt, obwohl beide das Bedeutsamste ihrer Erkenntnisse nur auf dem Papier formulieren. Denn: Die soziale Anerkennung wurde der Beschleunigung, der Differenz zum Gewohnten gezollt, dem potenziellen, nicht dem bereits realisierten Nutzen.

Mit der Errichtung von Forschungseinrichtungen und der sie tragenden Forschungs- und Fortschrittsphilosophie wird im 17. Jahrhundert der Konflikt zwischen Innovation und Tradition institutionalisiert. Diese Institutionen der Technik bilden nun ihren eigenen sozialen und kulturellen Kontext aus, der sich an einem Technikverständnis orientiert, in dem erforschbare Kausalitäten im Zentrum stehen. Damit rückt in den Mittelpunkt des Forschungsprozesses der frühen Neuzeit das Experiment und mit ihm das Nachvollziehen von Vorgängen in der Natur. Das Experiment, in dem Wissen und Können eine Einheit bilden, orientiert auf objektive Ursachenerkenntnis und auf eine erfolgskontrollierte Herstellungspraxis zugleich.

Obwohl die Gesetze der Mechanik oder einer anderen Naturwissenschaft vor dem 19. Jahrhundert nur begrenzt zur Entwicklung neuer Technologien beigetragen haben, war es bis ins 20. Jahrhundert eine verbreitete Überzeugung, dass Technik Aneignung der Natur und angewandte Naturwissenschaft ist.

Schließlich findet in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts – im Kontext der Gründung technischer Universitäten sowie der Institutionalisierung der industrieorientierten und der staatlichen Forschung angesichts der Modernisierungsprozesse des Kapitalismus – eine neuerliche Abstraktion des Technikbegriffs statt, in der die Technologie zu einer selbständigen Wissenschaft mit einem eigenen Regelkanon wird, deren Aufgabe es nun ist, Technik zu produzieren. Die technologische Entwicklung wird auch institutionell eingebunden in die Rationalität ökonomischer und politischer Planung, mit dem Ergebnis, dass sowohl die Industrie als auch der Staat von Technologien und deren Entwicklung abhängig werden. Als ein Motor dieser Entwicklung wirkt das Militär mit seinen Anforderungen an die Waffenentwicklung.

So erweitert sich Schritt für Schritt das Technikverständnis zum Systemverständnis, d.h. nun steht die systemische Vernetzung von Techniken im Vordergrund bzw. Vernetzungen (etwa in Gestalt des Fließbandes) selbst werden als Technik begriffen. Mit diesem Bedeutungszuwachs von Systemen, Verknüpfungen und Kommunikationen tritt der soziale Aspekt der Erzeugung, Entwicklung und Nutzung von Technologien in den Vordergrund. Die Regeln, nach denen solche Systeme funktionieren, sind soziale Regeln, und eine Vielzahl von Ansätzen versucht seither die entsprechenden Prozesse zu verstehen.

Technik und Innovation heute

Die modernen Gesellschaften haben den Innovationen auf allen Gebieten weitgehend freien Lauf gelassen. Sie werden heute absichtlich herbeigeführt, um neue Produkte, Projekte und Verfahren hervorzubringen. Die Innovationsthematik wird jedoch oft auf ein reines Mengen-, Geschwindigkeits- oder Einstellungsproblem verkürzt. Entsprechend werden die Maßnahmenkataloge von Forderungen nach finanziellen Mehrausgaben, nach steuerlicher Begünstigung für Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten sowie der Verkürzung der Genehmigungszeiten beherrscht. Die Notwendigkeit des Ausbaus des Technologietransfers wird ebenso betont wie die Förderung der Innovationsbereitschaft und der Abbau von Vorbehalten gegenüber technischen Innovationen. Insgesamt gelten Produktinnovationen als berechenbar, während die Prozessinnovationen weitgehend unkalkulierbar bleiben. Daher erfordert die große Vielfalt von Prozessinnovationen bei deren Entwicklung beträchtlichen Mitteleinsatz.

In den gesellschaftlichen Diskursen um Technologien und Innovationen finden sich meist drei Gegenüberstellungen. Die Setzung „Technik versus Gesellschaft“ arbeitet mit der Unterscheidung von Technik und Gesellschaft, so als ob Technik außerhalb gesellschaftlicher Prozesse stünde, d.h. möglicherweise anderen Gesetzlichkeiten unterworfen sei. Die Gegenüberstellung „Technik versus Natur“ formuliert einen Gegensatz zwischen der Technik als etwas in spezifischem Sinne Gesellschaftliches, also Gemachtes und einer außerhalb des menschlichen Agierens liegenden und eigenen Gesetzen gehorchenden Natur. Schließlich fokussiert die Setzung „Technik versus Kultur“ vorzugsweise auf »außertechnische« Funktionen und Bedeutungen von Technik. Technik steht dabei für das Instrumentelle und Rationale – Kultur hingegen für das Kommunikative und Sinnorientierte. Dies gelte insbesondere in Deutschland aufgrund der Traditionen humanistischen Denkens.

Weite Verbreitung fand lange eine allgemeine Geltung beanspruchender Technikdeterminismus, der in technischen Neuerungen die zentrale Ursache gesellschaftlicher Veränderungen sieht und der auf die klassische Definition von Ogburn aus den 20er Jahren zurückgeht. Der eigentliche Motor sozialen Wandels liege in immer neuen »Entdeckungen und Erfindungen« bzw. gemäß einer modernen Begrifflichkeit »im Erkenntnisfortschritt der Naturwissenschaften und seiner Umsetzung in technische Innovationen. Hiervon gehen Veränderungsimpulse und Anpassungszwänge aus, die – wenngleich … mit verschiedenem Tempo bzw. verschiedener Verzögerung – alle gesellschaftlichen Lebensbereiche erfassen. Sozialer Wandel ist nichts anderes als die in Reaktion hierauf sich vollziehenden Veränderungen gesellschaftlicher Strukturen«, Sozialphilosophen wie Arnold Gehlen verbanden mit den geistigen und moralischen Umbrüchen, welche der Umsturz der materiellen Produktionsweise mit sich bringt, »Krisen des Übergangs«, allzumal der einzelne Mensch zunehmend vor der Aufgabe stehe, sich an übermächtige Verhältnisse anzupassen, deren innere Struktur und Herkunft ihm intransparent scheinen.

Mit ihren Arbeiten zur Technikfolgenabschätzung, zu Wirkungsanalysen technischer Innovationen, über die sozialen Konsequenzen des technischen Fortschritts oder zur Technikgenese hat die sozialwissenschaftliche Technikforschung häufig entweder auf »soziale Folgen der Verwendung von Technik« oder auf die »sozialen Voraussetzungen der Erzeugung von Technik« abgehoben. Die Hartnäckigkeit, mit der sich die Sicht einer übermächtigen Technik wie auch der Eindruck eines gradlinigen Prozesses fortwährenden Fortschritts hat behaupten können, bedarf der Erklärung. Dieser Prozess ist möglicherweise darauf zurückzuführen, dass die Entdeckung und Behebung von Fehlerhaftigkeit nur durch Steigerung ihrer selbst, d.h. also durch »bessere« Theorie und Techniken erfolgen kann. Auf diese Weise wird notwendig ein Bild schrittweiser Verbesserung und Mängelbeseitigung erzeugt, das zu einer triumphalen Höherbewertung des menschlichen Geistes verklärt, pragmatisch als kontinuierliche Entwicklung gedeutet wird. Diesem Umgang folgend landet »alte«, d.h. überholte Technik, im Museum, wird also nicht mehr wie gewohnt verwendet und stattdessen der historischen Betrachtung übergeben. »Falsche« Technik, d.h. nicht realisierte Technik, wird in Kuriositätensammlungen abgeschoben, also aus jeder systematischen Reflexion überhaupt herausgenommen.

Die Annahme einer kontinuierlichen Entwicklung verbirgt sich auch hinter der Vorstellung, die Technik habe eine »determinierende« Kraft, ihr gegenüber seien soziale Strukturen »weich« und »machtlos«. Dabei ist es gerade die gesellschaftliche Einbettung von Technikentwicklern, die Technologie kontrollierbar macht. Technische Innovationen bedürfen der gesellschaftlichen Reflexion. Diese ist kompetenter und zielführender zu gestalten, wenn eine Gesellschaft durch eine grundsätzliche Offenheit gegenüber innovativen Technologien gekennzeichnet ist.

Wenig erkenntnisgewinnend und hilfreich ist es daher, Antworten nach den Gründen der Ausbreitung von Technik in der Technik selbst zu suchen. So ist etwa die Technik der drahtlosen Telegraphie zwar eine Voraussetzung, aber nicht die Ursache für deren Ausweitung zu einem System weltweiter elektronischer Kommunikation. Und schließlich gibt es auch keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen der technischen Ausstattung eines Betriebes und der damit verbundenen Form der Arbeitsorganisation. Diese kann – wie Studien zur internationalen Automobilindustrie gezeigt haben – sehr unterschiedlich sein.

Die Technikgeneseforschung hat verdeutlicht, dass Technikentwicklung selektiv von statten geht, d.h. von den verschiedenen denkbaren technischen Entwicklungslinien setzen sich nur wenige tatsächlich am Markt und in der Gesellschaft durch. Welche dies jeweils sind, ist nicht allein, vielleicht sogar nicht einmal wesentlich, von der Qualität der technischen Entwicklung abhängig, sondern mindestens ebenso sehr von sozialen Strukturen, wirtschaftlichen Konstellationen und in einem weiten Sinne von politischen Machtverhältnissen. Von den darin agierenden Interessengruppen wurde/wird die exklusive Verfügung über Technik andersherum jedoch auch als bewusst und gezielt einsetzbarer Machtfaktor im Wettbewerb der Standorte (früher: der Systeme) verstanden. Vor einer Unterschätzung dieses Faktors und einem naiven Umgang mit dieser Konstellation kann nur gewarnt werden. Die zugrundeliegende Erkenntnis hat die Technologiestiftung Schleswig-Holstein in der Anlage und Durchführung ihrer Aktivitäten stets zu berücksichtigen versucht.

Wenn sich heute die Entwicklung und Durchsetzung neuer Technologien in einem zusehends dynamisierten Bedingungsgefüge abspielen, das durch Dezentralisierung und vertikale Desintegration, die Auflösung starrer und klar abgrenzbarer Betriebs- und Unternehmensgrenzen sowie den Bedeutungsrückgang traditioneller Institutionen charakterisiert ist, so wird erneut deutlich, dass die Verortung künftiger Innovationsprozesse die Organisation materieller wie nicht-materieller Komponenten berücksichtigen muss. Dabei ist nicht nur von Bedeutung, dass der Faktor »Material« in den Technik- und Ingenieurwissenschaften wieder einen zentralen Platz einnimmt und der Zusammenhang von Produkt- und Verfahrensinnovationen enger wird; zugleich lösen simultane Innovationen mehr und mehr die sequentielle Vorgehensweise ab. Innovationen erhalten dadurch zunehmend »systemischen« Charakter.

Technik und Gesellschaft entwickeln sich gemeinsam: Mit den luK-Technologien hat die Innovation ihr Wesen geändert. Sie ist ephemer (jede Nutzung hält nur ein paar Jahre an), chamäleonhaft (ohne anfangs einen präzisen Auftrag zu erfüllen, passt sie sich fast jeder gesellschaftlichen Nachfrage an), diffus, aber allgegenwärtig (täglich genutzte Apparate und Dienste greifen immer stärker auf »Chips«, Telekommunikation, synthetische Bilder usw. zurück). Diese komplexe Gemengelage und Heterogenität der Anforderungen ist für die Technologiestiftung Schleswig-Holstein in den Jahren ihres Bestehens zu einem zentralen Orientierungspunkt der von ihr initiierten Diskussionen und Maßnahmen geworden.

Technik und Innovation als soziale Dynamik

In der ingenieurwissenschaftlichen Perspektive werden unter Technik alle Verfahren, Maschinen und Anlagen gefasst, die auf der Grundlage empirisch erprobter Regelmäßigkeiten oder wissenschaftlicher Disziplinen funktionieren, um die physikalische und biologische Welt zu verändern. Da Technik zunehmend besser in die soziale Welt eingepasst werden muss, je weiter sie sich ausdehnt und je komplizierter und störungsanfälliger sie wird, haben auch die Ingenieure im Verlaufe des 20. Jahrhunderts damit begonnen, das Soziale Stück für Stück unter ihrer Perspektive zu behandeln. Zunächst fand dies im Taylorismus seinen Ausdruck, später in der Ergonomie und den modernen Arbeitswissenschaften.

In der Technikfolgenabschätzung wird versucht, die (messbaren) Auswirkungen der Technik auf Wirtschaft und Gesellschaft darzustellen. Dies führt zu gewissen Ergebnissen, die verdeutlichen, dass sich mit der Veränderung der Verkehrstechnik wesentlich auch die Sozialstruktur ändert, weil eine Verdichtung der sozialen Beziehungen eintritt, die bei geringer Verkehrsdichte nicht zu finden ist. Als Gemeingut gilt inzwischen auch, dass von der Technik bestimmte Einflüsse auf das Berufs- und Qualifizierungssystem ausgehen. Die von der Technologiestiftung Schleswig-Holstein durchgeführten Projekte zur Transformation der Lern-/Lehrstrukturen und -inhalte gehen von dieser Überlegung aus.

Die Technikfolgenabschätzung hat sich lange weitgehend auf solche zeitlich nachgängigen Prozesse der gesellschaftlichen Verwendung von Technologien konzentriert; diese selbst wurden aber in der Regel forschungspragmatisch abgegrenzt und nicht weiter auf ihr Zustandekommen analysiert. Diesem Aspekt wandte sich die Technikgeneseforschung zu.

Die Entwicklung und Anwendung von Technologien unterliegen nicht nur einer Eigenlogik technischer Rationalität und Effizienz oder von Wirtschaftlichkeitskriterien. Innovationen sind immer auch Antworten auf gesellschaftliche Herausforderungen und Problemlagen (z.B. ökologische Krisenverläufe, demokratietheoretische Fragestellungen), Reaktionen auf soziale Zwänge oder Mittel zur Verfolgung wirtschaftlicher Interessen. Erfindergeist, Innovationsmentalität und Wettbewerbssituation führen dazu, dass oft mehrere, auf dieselbe Problemlage oder Herausforderung gerichtete Innovationsprozesse parallel stattfinden. So lässt sich festhalten, dass technologische Entwicklung nicht oder nur selten das Werk einzelner Erfinder ist. Vielmehr setzt die erfolgreiche Innovation eine große Bandbreite von Versuchen voraus; damit setzt technologische Entwicklung – getrieben durch gesellschaftlich empfundenen Mangel und eine Vielzahl von Zwängen – Variation und systematische Selektion voraus. Diesen Ansatz hat die Förderaktivitäten der Technologiestiftung Schleswig-Holstein von Beginn an durchzogen.

Bei der Identifikation von Faktoren, die für die Selektion technischer Alternativen bzw. für die Produktion entsprechenden technischen Wissens bestimmend sind, sind es nicht nur die Interessen der beteiligten Akteure, die als Interpretationsfolie und Erklärungshintergrund heranzuziehen sind, um zu verstehen, warum es zur Realisierung bestimmter »technischer Projekte« und zur Nichtrealisierung anderer kommt. Dabei treten durch Technik gegebene Möglichkeiten, kulturelle Orientierungen, politische Stile und Machtinteressen in eine komplexe Wechselwirkung, in der die spezifische Ausformung von und soziale Verfügung über (neue) Techniken geprägt wird. So hat historisch die Verwendung der Gabel bei der Nahrungsaufnahme, bei der ja durchaus auf dieses technische Hilfsmittel verzichtet werden kann, nicht nur den Aspekt einer Effektivierung eines zweckrationalen Handelns, sondern zusätzlich auch – in Gestalt der Distanzierung und Stilisierung im Sinne des Prozesses der Zivilisation – zu einem Formwandel des Sozialverhaltens und der Durchsetzung veränderter Wertkonstellation geführt. Auch – um ein Beispiel aus jüngerer Zeit hinzuzufügen – in der Innovationsgeschichte der Waschmaschine zeigt sich, dass diese von technischen Möglichkeiten, sozialen Standards und Wertvorstellungen beeinflusst wurde: In Deutschland wurde seit Ende der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts die historische »grosse Wäsche« – sichtbare Schwerstarbeit, die als Ertrag Berge glatt gestapelter sauberer Wäsche hervorbrachte, zurückgedrängt, allerdings nicht zugunsten ebenfalls möglicher kollektiver bzw. betrieblicher Problemlösungen, sondern zugunsten der alltäglichen privaten Waschmaschinen-Wäsche. Diese wiederum steht inzwischen durchaus symbolisch auch für weithin sozial akzeptierte und gesellschaftlich durchgesetzte Reinlichkeitsstandards, denn mit der chemo-technischen Revolutionierung des Wäsche-Waschens haben sich auch die an das Waschergebnis angelegten Maßstäbe verändert.

So wird ohne Zweifel selektiv gegenüber Technik verfahren: So wenig alle Möglichkeiten entdeckt werden, so wenig werden alle entdeckten Möglichkeiten verwirklicht. Die soziale Dynamik der Technik kommt in einem mehrstufigen Prozess der sozialen Konstruktion von Technik zum Ausdruck, wobei die Akteurskonstellationen, die eine technische Innovation tragen, wie auch die Nutzungsvisionen im Laufe der Entwicklung mehrfach wechseln. So werden in den drei Phasen »Entstehung«, »Stabilisierung« und »Durchsetzung« die Technik- und Innovationsprojekte von unterschiedlichen sozialen Netzwerken getragen.

Die Entstehungsphase einer neuen Technik ist dadurch charakterisiert, dass innovative Akteure durch radikale Abweichungen von etablierten Mustern und Routinen »Neues« schaffen. Oft sind es Visionäre und Außenseiter, die abseits professioneller Regeln und ohne Beachtung bestehender Nachfragestrukturen in subkulturellen Nischen eher spielerisch tätig als am Markt orientiert sind. In den dort entstehenden sozio-technischen Kernen, die durch Unstrukturiertheit, informelle Kommunikation, geringe Verpflichtungsfähigkeit der Akteure und wechselnde Teilnehmer gekennzeichnet sind, werden eine oder mehrere Ideen von der Verwendung einer Technologie in einem bestimmten Kontext entworfen.

Die folgende Stabilisierungsphase ist nach dem Bastlerstadium die Phase der systematischen Exploration einer neuen Technik. Dabei gehört es für die Technologiestiftung Schleswig-Holstein zu den wichtigen Aufgaben, ein Milieu zu schaffen, welches das visionäre Projekt über eine gewisse »Durststrecke« bringt. Gegenüber einem auf starre und formale Abläufe fixierten Verständnis dieser Phase hat die Technologiestiftung Schleswig-Holstein auf assoziative, selbstlernende Prozesse der Koordination gesetzt, zu denen notwendig auch Konfliktelemente gehören. Die dabei notwendigen sozialen Netzwerke kommen durch die Koppelung der Aktivitäten heterogener Akteure zustande, die trotz unterschiedlicher Orientierungen ein gemeinsames Interesse, z.B. an der Durchführung eines innovativen Technologieprojektes, entwickeln. Beim Übergang in diese Phase bedarf es strategiefähiger Akteure, d.h. solcher Akteure, die Verhandlungs- und Verpflichtungsfähigkeit besitzen, in reflektierter Weise Ziele formulieren können und bereit und in der Lage sind, Risiken einzugehen. Das hohe Maß an Unabhängigkeit der Technologiestiftung Schleswig-Holstein hat ihr die Übernahme dieser Rolle in qualifizierter Weise gestattet.

Die von der Technologiestiftung Schleswig-Holstein organisierte Suche nach Dialogpartnern und die Vernetzung strategiefähiger Akteure ist ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal gegenüber der Entstehungsphase, die durch informelle, nicht-verpflichtende Kommunikation geprägt ist. Außerdem wird das Technologieprojekt aus seinem ursprünglichen Zusammenhang herausgelöst. Es treten Akteure aus anderen sozialen Sphären hinzu, so dass es zu einer Rekombination sowohl bezüglich der technischen wie in sozialer Komponenten kommt. Die in Verhandlungsnetzwerken erforderlichen Abstimmungs- und Kompromisserfordernisse führen zur Spezifizierung der Such- und Problemlösungsstrategien sowie – aufgrund der wechselseitigen Legitimierung und der Möglichkeit zur präziseren Definition noch fehlender Komponenten – zur Beschleunigung des Prozesses der Technikerzeugung.

Die auch mit dem Begriff Diffusion belegte Durchsetzungsphase konzentriert sich auf das Finden, Erschließen oder Schaffen von Märkten. Die Durchsetzung einer technischen Innovation zu einer gesellschaftsweit verbreiteten Technik, die von einer eigendynamischen Nachfrage getragen wird und auf ihre ursprünglichen Träger-Netzwerke nicht mehr angewiesen ist, ist ein eigenständiger Innovationsakt, der wiederum von einem sozialen Netzwerk mit eigenem Profil vollzogen wird. Dabei findet erneut eine Erweiterung des Kreises der Akteure statt, wobei die Nutzerinteressen betont werden. Nun reicht es nicht mehr aus, sich phantasievolle Nutzanwendungen vorzustellen (Entstehungsphase) oder in künstlichen Schutzräumen zu erproben (Stabilisierungsphase); vielmehr bedarf es Nutzungsvorstellungen, bei denen in großflächigen Pilotanwendungen die Leistungsfähigkeit der neuen Technologie gezeigt werden kann. Mit der Betonung der Nutzerperspektive entstehen wiederum völlig neue Netzwerke. In dieser Phase treten die Aktivitäten der Technologiestiftung Schleswig-Holstein wieder deutlich zurück.

Wenn auf politischer Ebene immer wieder die Frage der Produkt- und Prozessinnovationen in einen generellen gesellschaftspolitischen Zusammenhang gestellt und mit der Fähigkeit von Industrie- und Dienstleistungsunternehmen verknüpft wird, neue Techniken und Produkte zu entwickeln und umzusetzen, so hat innovations- und technologiepolitisches Handeln von der Analyse technischer Entwicklungen, d.h. ihrer Genese, Diffusion und Wirkung, zu berücksichtigen: Es handelt sich um einen historischen und sozialen Prozess, in dem Handlungsabläufe mit zum Teil divergierenden Handlungsrationalitäten verschiedener Akteure in unterschiedlichen Arenen über die Zeit anzutreffen sind, wobei die Frage nach Konstellationen von Macht und Herrschaft inbegriffen ist.

Die Zunahme der Unsicherheit

Warum wird der Innovation so große Bedeutung beigemessen? Neu ist etwas, was es früher nicht gab. Neues bezieht sich auf ein Kontinuum in der Zeit, auf sonst nichts. Mit der Innovation hingegen wird die Kraft des Kreativen assoziiert. Innovation meint aber auch Unvorhersagbarkeit, Zerstörung und Konflikte.

Bereits das Feck’sche Gesetz hat daran erinnert, dass die Entdeckung neuer Unbestimmtheiten im Mittel immer größer ist als die Konstruktion von abgesicherten, bestätigten Wissensbeständen. In der Systemtheorie (Luhmann) wird diese Kovarianz zwischen Wissen und Unbestimmtheit »Zuwachs an Kontingenz« genannt. Dieses (»niemand weiß, wo es langgeht«) führt angesichts des exponentiellen Zuwachses an Information und Wissen im Zeitalter der Informationsgesellschaft zu einem Wandel des Wandels. Der mit der Dynamik der luK-Technologien verbundene Umgang mit »Unsicherheit« erhält als Organisationstatbestand neue produktive Bedeutung. Die neuen Technologien lassen die Vision eines »one best way« von Arbeitsteilung und Prozessorganisation als irreführend, als eine möglicherweise gefährliche Fiktion erscheinen. Denn bisherige, erfahrungsgestützte Wahrnehmungen von »normalen« Phasen der Technikeinführung in Organisationen (Einführung, Erprobung, Normalisierung) erweisen sich angesichts der neuen luK-Technologien als unbrauchbar. Stattdessen sind Strategien der »Nutzung von Unsicherheit« gefordert, in denen Autonomie und Selbststeuerung eine bedeutende Rolle zukommt. Nicht mehr mechanistische Informations- und Wissensakkumulation, sondern das assoziative Erschließen von Problemlagen, Zusammenhängen und Handlungsoptionen sind nun gefordert.

Wenn es zutrifft, dass komplexe Gesellschaften sich nicht auf eine naturwüchsige Durchsetzung von Technologien verlassen können, so dürfen mögliche Innovationsakteure sich nicht von einem naiven Bild der Kooperationsbeziehungen leiten lassen, demzufolge die akademische Forschung neues Grundlagenwissen produziert und es öffentlich zugänglich ablegt, woraufhin die industrielle Forschung darauf bei der Entwicklung wissensbasierter Produkte wie auf ein kostenloses Gut zurückgreift. Demnach bestünden Koordinationserfordernisse lediglich auf der Ebene der Übertragung von Informationen aus der akademischen Forschung in die Industrie.

Demgegenüber muss betont werden, dass weder der Zugang zum Stand der Forschung noch die anwendungsbezogene Übernahme neuen generischen Wissens einfache Prozesse des Transfers und der Diffusion von Information sind. Denn bereits der Zugang zu neuem wissenschaftlich-technologischen Wissen ist ein voraussetzungsreicher Prozess und nicht einfach die Nutzung eines »öffentlichen Gutes« als ein »freies Gut«. Dessen Nutzung ist nicht ohne nennenswerte Kosten rezipier- und in der Technikentwicklung verwendbar, sondern es bedarf häufig beträchtlicher Forschungskapazitäten, um Wissen, das öffentlich zugänglich gemacht worden ist, zu verstehen, zu interpretieren und abschätzen zu können.

Innovation hat sich also von einem seltenen Phänomen in ein systematisch gesuchtes Ereignis verwandelt. Und doch bleibt ihre Dynamik im Grunde unvorhersehbar und kontingent. Innovation kann gegenwärtig nur noch als Prozess ohne Ende und außer Kontrolle verstanden werden. Dies macht auch verständlich, warum die starren staatlichen Systeme mit ihren institutionellen Regelkreisen so große Probleme haben, Innovationen zu organisieren bzw. mit deren Folgen umzugehen.

Auch die traditionell asymmetrische Schieflage, bei der die Betonung auf der technischen Innovation liegt, während die soziale als sachlich getrennt und zeitlich verzögert angenommen wird, gilt es zugunsten eines Verständnisses von Komplementarität und Verwobenheit zu überwinden. Denn die Einführung einer neuen Technologie ist als organisierter Lernprozess nicht gradlinig, sondern eine unberechenbare Bahnkurve, die durch neue technologische Ideen, wissenschaftliche Theoreme, schlechte Erfahrungen und wechselnde öffentliche Sensibilitäten und politische Lagen bestimmt ist: ein solcher Zickzackkurs kollektiven Lernens ist vermutlich charakteristisch für jeden gesellschaftlichen Umgang mit neuen Technologien.

Angesichts solch tiefgreifender Dynamiken und tiefgehender Unsicherheiten stellt sich die Frage nach adäquaten Umgangsweisen für (einzelwirtschaftliche) Innovationen, die auf Bedingungen angewiesen sind, die zum Zeitpunkt der Innovation eben deshalb noch nicht erfüllt sein können, weil es sich um die Hervorbringung von Neuem handelt – Bedingungen, die im Zuge der Innovation selbst erst entdeckt, hergestellt und erprobt werden müssen. Zu den Akteuren und institutionellen Bedingungen, die in dem hier skizzierten Sinne für die Sicherung und den Aufbau von innovativen und zukunftsfähigen Ressourcen und Potenzialen Sorge tragen können, gehören Einrichtungen wie die Technologiestiftung Schleswig-Holstein. Diese wirken jenseits einer Dominanz kurzfristiger Wettbewerbsorientierung und konzentrieren sich (im besten Fall !) auf ein antizipatives gesellschaftliches Innovationsmanagement, in das Aktivitäten der Technologie-Foresight, der technischen Gestaltung und der Technologiefolgenabschätzung eingebunden sind. Ein Paradigma einer solch partizipativen Technikgestaltung ist die Einbeziehung potenzieller Nutzerinnen und Betroffener in den Diskurs- und Gestaltungs-Prozess bereits vor der flächendeckenden Verbreitung, so dass sich der Schwerpunkt der Aktivität von der Generierung des Produkts auf die Gestaltung bzw. Moderation des Prozesses der sozialen Einbettung von Technologien verschiebt. Elemente eines solchen Ansatzes konnten im Rahmen der Initiative Informationsgesellschaft, die die Technologiestiftung Schleswig-Holstein als Teil des europäischen RISI-Projektes (Regional Information Society Initiatives) betreute, verwirklicht werden. Wo Institutionen sich der moderierenden und flankierenden Gestaltung dieser Entwicklung widmen, findet dies nur sehr vermittelt als Technologietransfer statt. Mehr noch dienen sie der Technologietransformation im Sinne eines weiter gefassten und über einzelne Technologielinien hinausgreifenden Innovationsverständnisses. In erster Linie verfolgen sie dabei strategische Gestaltungs- und Strukturaufgaben, die sich daran orientieren, die Zukunft vorwegzunehmen. Dieser Zugang charakterisiert die Konzeption und das Selbstverständnis der Technologiestiftung Schleswig-Holstein seit ihrer Entstehung.

3. Entstehung und Konzeption der Technologiestiftung

Im europäischen Binnenmarkt wie in der Konkurrenz mit japanischen und nordamerikanischen Unternehmen entscheidet heute maßgeblich die Technologiekompetenz über die Durchsetzungsfähigkeit der Unternehmen am Markt. Diese stellt sich allerdings nicht für jedes Unternehmen einfach her, sondern bedarf eines entsprechenden regionalen Wirkungszusammenhangs. Dies gilt umso mehr, als technologische Entwicklungen in vielen Fällen nicht allein auf die Produktpalette, die Herstellungsverfahren und Vertriebswege von Unternehmen und der regionalen Wirtschaft einwirken, sondern – wie etwa die Informations- und Kommunikationstechnologien – auch auf andere gesellschaftliche Bereiche ausstrahlen. Technologiepolitik als zentraler Teil innovativer Industriepolitik bedarf daher einer Einbettung in regionale Strukturen.

Da Grundlagen- und Vorlaufforschung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), die die Wirtschaftsstruktur in Schleswig-Holstein prägen, nur in wenigen Ausnahmefällen geleistet werden kann, bedarf es einer regionalen Industrie- und Technologiepolitik, die der Mobilisierung endogener Ressourcen durch den wirkungsvollen Einsatz (knapper) öffentlicher Mittel dient und dies mit der bewussten Nutzung und Förderung immaterieller Innovations- und Entwicklungsinstrumente, wie beispielsweise Netzwerkbildung oder Know-howTransfer, koppelt.

Von dieser Orientierung haben sich die technologiepolitischen Akteure auch bei der Errichtung der Technologiestiftung Schleswig· Holstein im Jahr 1991 leiten lassen, die aus der Veräußerung der Anteile des Landes Schleswig-Holstein an der Firma Howaldtswerke-Deutsche Werft AG finanziert wurde. Von dem beim Verkauf erzielten Betrag wurden etwa DM 62 Mio. in eine Stiftung öffentlichen Rechts mit dem Ziel eingebracht, eine umwelt- und sozialverträgliche Förderung technologischer Innovationen in der Region durchzuführen und dabei insbesondere beim Aufbau entsprechender Strukturen wirksam zu werden.

Es war keineswegs selbstverständlich, in einem allgemeinen Klima der Technikdistanz, z.B. geprägt durch die Diskussion um das ökologische Gefährdungspotenzial der Atomkraft oder über die sozialen Folgekosten der Mikroelektronik, die Finanzmittel in eine Institution zu investieren, deren Aufgabe explizit die Technologieförderung ist. Der von Legislative und Exekutive hierbei bewiesene politische Mut hat sich in dem weitsichtigen Vorgehen fortgesetzt, die Technologiestiftung Schleswig-Holstein nicht als Kopie entsprechender in anderen Bundesländern bereits bestehender Einrichtungen zu konzipieren, sondern den Anforderungen des Landes und den neuen Herausforderungen technologischer Entwicklungen entsprechend einen innovativen Ansatz zu wählen. Dessen Credo bestand darin, eine solche Aufgabe mit einem beträchtlichen Ausmaß an Unabhängigkeit zu versehen, die sich ihrer Verantwortung für regionale Transformationsprozesse bewusst ist. Mit der Entscheidung für diesen in der Bundesrepublik Deutschland einzigartigen Ansatz hat das Landesparlament einen bleibenden Wert für die Region geschaffen. Den ersten konzeptionellen Überlegungen zur Technologiestiftung Schleswig-Holstein vom Oktober 1990 folgte bereits im Juni 1991 die abschließende Lesung und einstimmige Verabschiedung des »Gesetzes über die Errichtung der Technologiestiftung »Schleswig-Holstein« durch den Landtag Schleswig-Holsteins. Mit den konstituierenden Sitzungen des Stiftungsrates unter Vorsitz des Staatssekretärs im Wirtschaftsministerium, Uwe Thomas, im September 1991 bzw. des Wissenschaftlichen Beirats (Vorsitz: Professor Dr. Föll) im Februar 1992, der Wahl Klaus P. Friebes zum Stiftungsdirektor und der Genehmigung des Arbeitsprogramms wurde am 1. Dezember 1991 die Arbeitsfähigkeit der Technologiestiftung Schleswig-Holstein hergestellt. In der Anlaufphase wurde der Aufbau der Einrichtung, ihr Bekanntmachen bei den regionalen Technologieakteuren und die Akquisition von Projekten zu Schwerpunkten der Stiftungsarbeit erklärt.

Dabei gilt für die aus den Zinserträgen des Stiftungskapitals finanzierten Projekte und Aktivitäten der Technologiestiftung Schleswig-Holstein, dass sie

  • in hohem Maße zukunftsorientiert sind;
  • eine zeitlich begrenzte Förderung erfordern;
  • dem weiteren Aufbau der Infrastruktur dienen;
  • eine Innovationshöhe besitzen, die eine direkte Umsetzung zum Nutzen der Wirtschaft noch nicht möglich macht.

Da die Technologiestiftung Schleswig-Holstein keine unmittelbare Förderung von Unternehmen vornimmt, konzentrieren sich ihre Projekte auf den Auf- und Ausbau technologischer Infrastrukturen an den Hochschulen des Landes, um diese in die Lage zu versetzen, in innovativen Querschnittstechnologien, wie beispielsweise Neuen Materialien, Mikrotechnologien, Sensorik oder luK-Technologien, anwendungsorientierte Forschung und Dienstleistung erbringen zu können und damit die Unternehmen des Landes bei der Entwicklung marktfähiger Produkte zu unterstützen. Solche Transformationsprozesse dienen damit zugleich der Sicherung von Kompetenz und Beschäftigung. Sie schaffen neue Formen von Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft.

Die Technologiestiftung Schleswig-Holstein ist dabei nicht Teil des klassischen Systems des Technologietransfers, sondern ein strukturpolitisches Instrument für die Landesentwicklung. Technologie-Politik hat Querschnittscharakter und steht bezüglich ihrer Umsetzung in einem engen, infrastrukturellen Zusammenhang mit den Politikbereichen verschiedener Ressorts. Die historisch entstandenen Ressortzuständigkeiten, die keine institutionelle Verknüpfung dieser Querschnittspolitik vorsehen, tragen diesem Aspekt im Grunde keine Rechnung. Für die Technologiestiftung Schleswig-Holstein ist dieses Querschnittsverständnis konstitutiv.

Die Einkoppelung von Interessenvertretern der Wirtschaft, von Entscheidungsträgern relevanter Ministerien sowie technologischen Know-hows erfolgt über den Stiftungsrat bzw. den Wissenschaftlichen Beirat der Technologiestiftung Schleswig-Holstein, der bei Bedarf Arbeitsgruppen bildet. Hieraus ergab sich das Organisationsmodell der Stiftung für die ersten Jahre ihrer Tätigkeit; es wird jedoch neuen Anforderungen im operativen Bereich angepasst:

Als relevante Vorteile der Basiskonstruktion der Technologiestiftung Schleswig-Holstein haben sich in der Praxis insbesondere folgende Aspekte bewährt:

  • Die Stiftung vergibt ihre Mittel unabhängig und – auf der Grundlage des Arbeitsprogramms – nach eigenem Ermessen. Die neutrale Außenwirkung der Technologiestiftung Schleswig-Holstein ist von vielen Projektpartnern hervorgehoben und positiv bewertet worden. In etlichen Projekten war diese Neutralität sogar ein wesentliches Element des Projekterfolgs.
  • Eine langfristige, gesetzlich begründete Bestandsgarantie erlaubt der Stiftung – unabhängig von Finanzierungsentscheidungen anderer Ressorts oder Institutionen – die Definition und Bearbeitung von Technologiefeldern oder Handlungsschwerpunkten. Der Aufbau regionaler technologie-orientierter Infrastruktur und Kompetenz ist damit im Einzelnen nicht durch kurzfristige finanzpolitische Haushaltsentscheidungen oder durch legislaturperiodische Zwänge beeinträchtigt und kann so den durch die immer kürzeren Zyklen der technologischen Entwicklung bedingten Handlungserfordernissen gerecht werden.
  • Die Einrichtung bewegt sich mit ihrer Förderung im Grundsatz im vorwettbewerblichen Raum. Sie steht nicht im Wettbewerb mit privaten Unternehmen, sondern fördert mit ihren Projekten Strukturen, die der Wirtschaft des Landes insgesamt von Nutzen sind.
  • Als kleine organisatorische Einheit und mit eigenen finanziellen Mitteln ausgestattet besteht die Möglichkeit einer flexiblen und zeitnahen Reaktion auf die sich immer schneller verändernden technologischen Entwicklungen. In diesem Sinne ist die Technologiestiftung auch ein Innovationselement in bzw. gegenüber traditionellen Verwaltungsstrukturen.
  • Bewährt hat sich auch der Charakter der Technologiestiftung Schleswig-Holstein als Anlaufstelle für Technologiefragen und die, sich daraus ergebende wichtige Koordinationsfunktion, vor allem für nicht immer präzise abgrenz- oder formulierbare Fragestellungen, insbesondere hinsichtlich der durch technologische Innovationen erzwungenen Veränderungen in der Wirtschaft.
  • Mit einem jährlichen Förderungsbudget, das sich in den Vergabemodalitäten von den Möglichkeiten anderer technologiefördernder Einrichtungen abhebt, sind – ergänzend zur staatlichen Förderung – Maßnahmen und Aktivitäten realisierbar, die eine wirksame Gestaltung des technologischen Potenzials und eine Kompetenzerweiterung der technologischen Infrastruktur im Land Schleswig-Holstein bedeuten, und so beispielsweise zu einer besseren Nutzung von F&E-Potenzialen im Lande für die Wirtschaft beitragen.
  • Insbesondere mit Blick auf die mit der Diffusion neuer Technologien verbundenen Unsicherheiten hat die Technologiestiftung Schleswig-Holstein zur Strukturierung solcher Suchbewegungen beigetragen und damit wichtige inhaltliche und methodische Erkenntnisse für die Gestaltungstätigkeit vieler Technologieakteure bereitgestellt.

Die übergeordnete Aufgabe der Technologiestiftung Schleswig-Holstein ist es, Diskussionen über die mit technologischen Innovationen verbundenen komplexen Herausforderungen auszulösen und die strategisch-infrastrukturellen Rahmenbedingungen für technologische und gesellschaftliche Entwicklungen positiv zu beeinflussen. Besondere Bedeutung für den langfristigen Erfolg hat dabei der ressort- und technologieübergreifende Ansatz in den einzelnen Projekten. Diese Schnittstelle, insbesondere die Verknüpfung technologiepolitischer und bildungspolitischer Zielsetzungen im Interesse der Wirtschaft des Landes, war vor der Errichtung der Technologiestiftung Schleswig-Holstein nicht besetzt und differenziert die Einrichtung in Schleswig-Holstein gegenüber Stiftungen in anderen Bundesländern mit ähnlichen Aufgaben im Bereich der Technologieförderung. Entsprechend der Aufmerksamkeit, die der Förderung eines technologieorientierten Kulturverständnisses und eines kulturorientierten Technikverständnisses zuteil wurde, ist die Technologiestiftung Schleswig-Holstein auch vielfach von sich aus tätig geworden, um zukunftsweisenden Fragestellungen nachzugehen, deren Relevanz für die regionalen Wirtschafts- und Bildungsstrukturen erst auf lange Sicht durchschlagen wird.

Die von der TSH formulierte Zielsetzung, zur Schaffung und Unterstützung von Strukturen beizutragen, die es technologisch innovativen Unternehmen in SH ermöglichen, sich hier zu gründen, sich anzusiedeln, zu wachsen und zukunftsfähige Arbeitsplätze zu schaffen, erfordert eine Tätigkeit, die an der Schnittstelle zwischen Produkt- und Prozessorientierung liegt. Die von der Technologiestiftung Schleswig-Holstein realisierten oder unterstützten Projekte zielen also sowohl auf die Hervorbringung innovativer konkret-technologischer oder methodischer Lösungen wie auf die Herstellung innovativer kultureller Rahmenbedingungen. So sind die indirekten Zielsetzungen für eine erfolgreiche regionale Technologiepolitik und die Entwicklung einer zukunftsfähigen Struktur in Schleswig-Holstein genauso entscheidend wie die vielen sichtbaren Einzelprojekte in den Technologiefeldern. Die Verwobenheit direkter Projekte, z.B. zur Digitalisierung des kulturellen Erbes oder zur Simulation technologischer Entwicklungen, mit Aktivitäten zur Methodenentwicklung oder zum Aufbau von Strukturen bilden dabei eine Matrix, die sowohl direkte Ergebnisse in Form von Produkten hervorbringt als auch immaterielle Resultate zur Schaffung einer Transformationskultur.

Die Basiskonstruktion der Technologiestiftung Schleswig-Holstein ist – nicht zuletzt wegen der hier skizzierten Strukturelemente – in 11 anderen Regionen, z.B. Berlin und Hamburg, auf nachhaltiges Interesse gestoßen. Ihre Wirksamkeit entfaltet sie jedoch erst vor dem Hintergrund spezifischer Annahmen über die Wechselwirkung von Technik, Wirtschaft und Gesellschaft und in Kombination mit einer Reihe verschiedener, untereinander kombinierbarer Methoden zur Bestimmung und Bearbeitung der gewählten Arbeitsschwerpunkte. Diese können mit dem Begriff der Technologietransformation gebündelt werden.

4. Grundlagen und Strukturen der Technologietransformation

Mit den vielfältigen Wirkungszusammenhängen zwischen Technik/technologischen Veränderungen, Wirtschaft/ökonomischem Handeln und Gesellschaft befassen sich verschiedene Disziplinen. Die Volks- und Betriebswirtschaftslehre, die Kultur- und Sozialwissenschaften und auch technikbasierte Disziplinen entwickeln je eigene Vorstellungen davon, wie diese Zusammenhänge aussehen oder aussehen sollten. In der Tätigkeit der Technologiestiftung Schleswig-Holstein wird die Technologie [T] als »driving force« (treibende Kraft) angesehen, die Veränderungen in der Ökonomie [W], in der Kultur – in der Gesellschaft [G] insgesamt auslöst. Diese grundsätzliche Annahme übersieht nicht, dass es zwischen diesen drei Faktoren zu vielfältigen Rückkoppelungen und Interdependenzen kommt, die es im Einzelfall nahezu unmöglich machen, die wesentlichen Faktoren zu identifizieren, die einer neuen Technologie zum Durchbruch und zur breiten Diffusion verhelfen.

In der gesellschaftlichen Wirklichkeit und damit für die Anforderung an gestaltende Politik ist jedoch zu berücksichtigen, dass die äußerst hohe Dynamik der Technologieentwicklung maßgeblich zur Entstehung der Multi-Optionsgesellschaft beiträgt. Diese ist einerseits da· durch charakterisiert, dass die technologischen Potenziale in Wirtschaft und Gesellschaft in unterschiedlicher Art und Weise und in unterschiedlicher Geschwindigkeit aufgegriffen werden, so dass sich unterschiedlich gelagerte neue ökonomische und gesellschaftliche Subsysteme bilden. Zum anderen kennzeichnet sie, dass Strukturen sich rasch verändern und oft nur vorübergehend existieren.

2000-09_KPF-TSH_Buch_Technologietransformation_05

Insbesondere unter dem Einfluss der Informations- und Kommunikationstechnologien entstehen sowohl in der Ökonomie wie in der Gesellschaft verschiedene Sub-Gesellschaften bzw. – Wirtschaften, die u.a. durch eine unterschiedliche Anpassungsgeschwindigkeit an die Zwänge charakterisiert sind. Auf diese Entwicklung haben die staatlichen Strukturen bisher keine Antwort gefunden. Der technologisch getriebene Umbruch in der Gesellschaft ist mit bisherigen staatlichen Ansätzen nicht mehr wirkungsvoll zu gestalten. Legislative Maßnahmen beispielsweise sind wenig wirksam, wenn sie nicht perspektivisch Entwicklungen der Zukunft vorauszusehen und zu berücksichtigen vermögen. Auch eine Technologiepolitik, in der Wunschdenken den Blick auf das Notwendige und das Machbare verstellt, wird keine positiven Beiträge zur Zukunftsgestaltung bringen. Zukunftssichernde Technologiepolitik bedarf allerdings eines ganzheitlichen Ansatzes und darf sich nicht in den einzelnen Sub-Systemen der Multi-Options-Gesellschaft verlieren. Vielmehr geht es um die Ableitung verallgemeinerbarer Gestaltungsaufgaben, die Transformation von Strukturen und den kulturellen Wandel.

Ein kulturelles Verständnis, welches entsprechenden Adaptionsherausforderungen im Grundsatz offen gegenübersteht, bzw. ein ökonomisches Verständnis, das zur Beteiligung am Aufbau innovativer Strukturen ermutigt, kann einer Region – ihren Unternehmen und ihrer Bevölkerung – helfen, die notwendigen Kompetenzen zu entwickeln, um mit solch konflikthaften Prozessen konstruktiv umzugehen. Konflikte sind notwendige Folge technologischer Innovationen, da sie auf früheren technologischen Entwicklungen aufbauende Strukturen, Zielvorstellungen oder Ziel-Mittel-Relationen mit neuen Ansätzen konfrontieren und deren oft kurzfristige und umfassende Adaption einfordern, wobei diese Anpassung einer zusätzlichen Dynamik unterworfen ist.

Die Technologiestiftung Schleswig-Holstein ist die Institution im Land, die solche Konflikte erzeugen bzw. als Innovationsdruck organisieren muss, damit zunächst der Gedanke an eine neue Technologie und die damit verbundenen Strukturänderungen überhaupt zugelassen wird und neue Strukturen und Kompetenzen im Folgenden dann auch realisiert werden. Diese produktive Rolle kann die Technologiestiftung nur aufgrund ihres hohen Maßes an Unabhängigkeit und der breiten Unterstützung gesellschaftlicher Akteure ausfüllen. Hier ist insbesondere die Unterstützung durch den Schleswig-Holsteinischen Landtag zu nennen, mit dem es vielfältige Interaktionen gibt.

Steht im Mittelpunkt der Tätigkeit der Technologiestiftung Schleswig-Holstein die strategisch ausgerichtete Technologietransformation, d.h. die systematische Entwicklung von innovativen Technologiefeldern einschließlich der damit verbundenen Struktur- und Methodeninnovationen sowie der Aufbau einer zukunftsorientierten Technologietransferstruktur in der Region, so bedarf es zugleich leistungsfähiger Technologietransferierer, die unmittelbar mit den Unternehmen kooperieren. Diese Institutionen, Institute oder Verbände sind Kooperationspartner der Technologiestiftung und sind in der Regel auf der Ebene einzelner Technologien und der durch sie ausgelösten Adaptationsanforderungen tätig.

Zu diesen Kooperationspartnern, deren wesentliche Aufgabe in einer technischen Dienstleistungsfunktion besteht, unterhält die Technologiestiftung Schleswig-Holstein Kontakte unterschiedlicher Intensität, Dichte und Kontinuität. Von Anfang an gibt es eine vielfältige Kooperation mit der Technologie-Transfer-Zentrale Schleswig-Holstein GmbH, an der die Stiftung 50% der Gesellschafteranteile besitzt. Die übrigen Anteile werden von den drei Industrie- und Handelskammern im Land Schleswig-Holstein gehalten. An anderen Institutionen hält die Technologiestiftung Schleswig-Holstein weitere, zeitlich befristete Anteile.

2000-09_KPF-TSH_Buch_Technologietransformation_06

In Schleswig-Holstein orientiert sich das Modell der Technologieförderung daran, für die phasenspezifischen Hemmnisse des Technologie-Transferprozesses spezifische Einrichtungen und Methoden bereitzustellen, um den Transferanteil zu erhöhen und den Transfer-Prozess zu verkürzen. Die entsprechende ursprüngliche Kernstruktur wurde von der Technologiestiftung Schleswig-Holstein und der Technologie-Transfer-Zentrale ttz GmbH gestellt. Mit der Errichtung der GmbHs an Fachhochschulen des Landes Schleswig-Holstein ist seit Mitte der 90er Jahre ein weiteres Werkzeug entstanden, das neben beschäftigungspolitischen Zielen aktiv den Prozess des Technologietransfers zwischen Hochschule und Wirtschaft mitgestalten kann. Jungingenieure arbeiten dabei in den Räumen der Fachhochschule und unter Anleitung von Hochschullehrern an gemeinsamen F&E-Projekten mit KMU. Dies soll nicht nur die berufliche Qualifikation der Absolventen verbessern und ihnen persönliche Kontakte in Unternehmen ermöglichen, sondern greift auch die Verlagerung von F&E-Aktivitäten aus Unternehmen auf externe Institutionen auf.

Zu den übrigen Kooperationspartnern zählen zahlreiche Institute und Fakultäten an Hochschulen des Landes Schleswig-Holstein, in der Region ansässige Forschungseinrichtungen, die Technologieberatungsstelle der Gewerkschaften, Landesministerien und technologie-orientierte Unternehmen, von denen ein Teil im näheren oder weiteren Umfeld der Technologiestiftung als technische Dienstleister (TDL) bezeichnet werden können.

Der zunächst realisierte innovative Ansatz einer engen Verkoppelung des Transformationsprozesses mit Technologietransfer-Maßnahmen in Form einer engen Kooperation von Technologiestiftung Schleswig-Holstein und Technologie-Transferzentrale ist angesichts eines Bedeutungszuwachses der Hochschulen in Technologietransfer relativiert worden. Dies ist ein Ergebnis der durch die Technologiestiftung unterstützten, jedoch keineswegs abgeschlossenen Anpassungsleistungen der Hochschulen in Schleswig-Holstein im Sinne unternehmensorientierter Anbieter von technischen Dienstleistungen. Die Hochschulen bieten qualifiziertes Personal, das in den Unternehmen zum Teil abgebaut wurde, für eine F&E-Nachfrage, die tendenziell eher zu- als abnimmt.

In dem Prozess des Zusammenwirkens verschiedener Technikbereiche werden immer neue Berührungspunkte erzeugt und damit die Möglichkeit der Entstehung neuer Technologien und Produkte vervielfacht. Transferaktivitäten von Hochschulen oder Transfereinrichtungen unterstützen diese Entwicklung operativ, die Technologiestiftung Schleswig-Holstein mit ihrem holistischen Transformationsansatz strategisch. Gemeinsamer Handlungsrahmen dieser Akteure ist die Region.

5. Die Region als Koordinatensystem der Technologietransformation

Drei wesentliche Entwicklungen bestimmen heute das Umfeld von Unternehmen. Erstens: die Entwicklung von der lnternationalisierung zur Globalisierung, die u.a. durch das Auftreten von weltweit tätigen Unternehmen in einigen Wirtschaftszweigen zu charakterisieren ist. Zweitens: die Einrichtung des einheitlichen europäischen Marktes und der Wirtschafts- und Währungsunion sowie drittens: die Überwindung der Blockkonfrontation und damit ein zunehmender Wettbewerb mit den Transformationsgesellschaften in Osteuropa. Unternehmen können auf verschiedene Weise mit dieser Herausforderung umgehen, aber es besteht weitgehende Übereinstimmung darin, dass neue Technologien und damit einhergehend neue Formen der Arbeitsorganisation und des Managements eine zentrale Rolle dabei spielen, ob und wie Unternehmen sich erfolgreich in dynamisch entwickelnden Märkten in europäischen bzw. weltweiten Maßstäben behaupten.

Die Globalisierung und die Entwicklung und Diffusion der luK-Technologien haben zur »Maßstabsvergrößerung« des wirtschaftlichen Handelns geführt. Unternehmen sehen sich heute mit verkürzten Produktlebenszyklen, zunehmendem Kostendruck, wachsenden Anforderungen an die Produktqualität und den Service sowie neuen Geschäftsmodellen konfrontiert. Die luK-Technologien haben dies forciert und sind zugleich das Werkzeug, um mit diesen Herausforderungen des globalen Marktes umzugehen.

Für die regionale Politik und für regional bezogenes Gestaltungshandeln insgesamt ergibt sich die fatale Situation, für eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung verantwortlich zu sein, obwohl die eigentlichen Steuerungsgrößen nicht auf einem regionalen Niveau bestimmt werden können. Der Machtverlust des Staates nimmt zu, wird aber nur teilweise durch das Marktgeschehen kompensiert. Die Machtverschiebung hat eine Dynamik angenommen, die von Seiten der staatlichen Akteure noch nicht ausreichend wahrgenommen wird. In historischer Perspektive wird deutlich, wie sehr Staat (und Kirche) ihre ursprüngliche Steuerungsfunktion verloren haben. Der Markt hat sich nicht an ihre Stelle setzen können; stattdessen nehmen Oligopole, die hier nicht streng volkswirtschaftlich, sondern vor allem als organisierte, auf gegenseitige Vereinbarung abzielende Interessengruppen verstanden werden, eine immer stärkere Stellung in den Strukturen und Machtgefügen ein. In gewisser Weise agiert auch die Technologiestiftung Schleswig-Holstein als Oligopol, indem sie in einem Kontext, in dem die beschriebene Machtverschiebung vor allem als Ohnmacht bisheriger Akteure wahrgenommen wird, zweck- und interessenorientierte Vereinbarungen mit den Akteuren auf regionaler Ebene organisiert.

2000-09_KPF-TSH_Buch_Technologietransformation_07

Die Entwicklung und Diffusion der Informations- und Telekommunikationstechnologien hat die Globalisierung von Waren- und im Besonderen von Finanzmärkten beschleunigt. Die verallgemeinerte Möglichkeit des Zugangs zu Informationen, innerhalb wie zwischen einzelnen Märkten, bedeutet, so eine populäre Lesart aktueller Entwicklungstrends, dass im Grundsatz jeder Ort im Wettbewerb die gleichen Chancen hat. In diesem Fall spielt die geographische Verortung keine Rolle. Es mag unter solchen Umständen so aussehen, dass im Zeitalter von Internet, E-mail und Digitalisierung räumliche Faktoren bedeutungslos werden. Manche Beobachter sehen die Entregionalisierung (disembedding) mit einer Zunahme weiträumiger Beziehungsnetze korrespondieren, die über Telekommunikation und schnelle Verkehrsmittel möglich werden. Folgt man dieser Sichtweise, so stellen stark persönlich geprägte Beziehungsnetze im regionalen Handlungsrahmen ein »auslaufendes Modell« dar, während lockere Vernetzungen mit hoher sozialer Beweglichkeit und verminderter gegenseitiger Abhängigkeit sich verbreiten, in denen der einzelne Netzwerkpartner ohne weiteres durch eine andere Person ersetzbar ist.

Wissenstypen und räumliche Nähe

Gegen eine Überbewertung entsprechender Interpretationen bleibt jedoch festzuhalten, dass die Reduzierung von Kommunikations- und Transportkosten zugleich dazu tendiert, Information und Produktion an den Orten zu konzentrieren, die mit diesen Faktoren am besten ausgestattet sind. Tatsache bleibt nämlich, und dies relativiert die Reichweite der oben skizzierten Interpretationen deutlich, dass Wissen an bestimmten Orten entsteht und dort auch oft genutzt und verbessert wird. Insbesondere das Humankapital, beispielsweise als qualifizierte und flexible Spezialisten für die Software-Industrie, ist bei der Ansiedlungsstrategie von Unternehmen, sei es für Produktion oder für Forschung, auch weiterhin von Bedeutung. Insofern bleibt die räumliche Dimension auch zukünftig relevant: Neue Kommunikationstechnologien verändern die räumlichen Muster von Entwicklung. Das kann als ein Bedeutungsverlust von Entfernungen gesehen werden, jedoch nicht als völlige Bedeutungslosigkeit der räumlichen Dimension. Es bedarf also auch weiterhin der Fähigkeit zur Vernetzung innerhalb der Region, um den Wandlungsprozess gestalten zu können. Aus diesem Grund hat die Technologiestiftung Schleswig-Holstein die von ihr ausgewählten oder selbst initiierten Projekte immer auch unter dem Gesichtspunkt bewertet, ob sie die intraregionale Kooperationsfähigkeit verbessern oder nicht.

Der Stellenwert der räumlichen Nähe ist von Wissenstyp zu Wissenstyp verschieden. Während Information als schlichte Benennung von Tatsachen zu verstehen ist, handelt es sich bei Wissen um Informationen, die als Variablen untereinander in Beziehung gesetzt oder nach gewissen Regeln verallgemeinert wurden. So können spezifische Teilinformationen nur im Rahmen eines bestimmten Wissenskontextes, z.B. einer Theorie, angemessen interpretiert werden. Neues Wissen bringt neue Informationen hervor. Diese können jedoch in erster Linie von denen genutzt werden, die den Wissenskontext teilen. In diesem Sinne ist Wissen kumulativ und regional potenzierbar. Auf die entsprechenden Prozesse wirkt die Tätigkeit der Technologiestiftung Schleswig-Holstein dynamisierend.

Die künftige Technikentwicklung ist durch einen Umbruch im Innovationsgeschehen in Richtung auf einen neuen Modus wissensbasierter Innovationsprozesse gekennzeichnet, bei dem nicht mehr die disziplinär gebundene und vorwiegend interne Wissensnutzung im Vordergrund steht, sondern die transdisziplinäre und transinstitutionelle Wissensgewinnung und -nutzung. Lange Zeit dominierte ein Wissenstyp, der stark disziplinär orientiert, wissenschafts-basiert und hierarchisch war und mit einem linearen Modell des Wissensflusses verknüpft war. Insbesondere der letztgenannte Aspekt ist für den Wandel von Organisationsstrukturen und der Arbeitsorganisation von beträchtlicher Bedeutung. Bei diesem Wissenstyp waren Organisationsstruktur und Arbeitsorganisation daran ausgerichtet, dass die Entwicklung und Anwendung von Wissen im Wesentlichen in linearer, zweckdienlicher Weise stattfand. So waren die wesentlichen Orte der Forschung zu regionaler Entwicklung zentrale Planungsbüros und Universitätsabteilungen, nationale Ministerien oder deren Abteilungen für Regionalentwicklung. Die Forschung folgte etablierten Methoden und Verfahren; die Umsetzung der dort entwickelten Konzepte erfolgte top-down. Damit traf sich dieses alte Verständnis gut mit traditionellen Verfahren und einem Selbstbild von politischen Akteuren als den Ordnern und Förderern von wirtschaftlichen Aktivitäten durch den Einsatz externer Stimuli und korrigierender Mechanismen. Dies geschah oft weitgehend unabhängig vom tatsächlichen Marktgeschehen.

Der neue Wissenstyp geht davon aus, dass Wissen heterogener, transdisziplinärer und flüchtiger ist. Er ist stärker verknüpft mit »tacit knowledge« und gewinnt seine Dynamik durch assoziative Verwertung und Weiterentwicklung. So betont auch das aktuelle Verständnis von Innovationsprozessen den »impliziten« und nicht-kodifizierten Charakter von neuer Technologie, die besondere Bedeutung des learning-by-doing sowie das kumulative Wesen des Lernens. Weil Innovation meist durch das Lernen in Netzwerken charakterisiert ist, sind Kontakte und Interaktionen wesentliche Werkzeuge zur Erzeugung und beim Transfer von neuem Wissen. Insofern dieser Wissenstyp also kontextspezifischer ist, kann er auch stärker sozialverantwortlich und reflektierend sein.

Der heterogene, interdisziplinär-kontextspezifische Wissenstyp ist kumulativ und kollektiv und bewegt sich zwischen den Extremen völlig impliziten Wissens und vollständig kodifizierten Wissens. Der Wissensfundus beinhaltet Wissen in allen erdenklichen Formen: von einfachen und routinierten Abläufen des Alltags bis zu Organisations- und Managementmethoden, von maschinellen Kenntnissen bis zu wissenschaftlichen Konzepten, Methoden und Theorien, welche Innovationen ermöglichen. In den meisten Fällen liegt dieses Wissen irgendwo zwischen völlig implizitem und vollständig kodifiziertem Wissen. Meist ist Wissen aber zumindest bei denjenigen in impliziter Form vorhanden, die dieses Wissen entwickelt haben. Andererseits ist dessen Kodifizierung notwendig, weil die Entwicklung von Wissen ein kollektiver Prozess ist, also Kommunikation erforderlich macht.

Insgesamt spielt der neue Wissenstyp eine bedeutende Rolle für die regionale Entwicklung. Aus diesem Grund hat die Technologiestiftung Schleswig-Holstein eine Vielzahl von Projekten und Ansätzen gefördert – zu nennen sind hier z.B. die Landesinitiative Schulen ans Netz, Medienkompetenz und Structures of Learning -, die die materiellen und methodischen Rahmenbedingungen für diesen neuen Wissenstyp schaffen sollen.

Räumliche Nähe kann sich positiv auf den Wissens- und Technologietransfer zwischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen auswirken, da es sich hierbei nicht um die bloße Weitergabe von einfach strukturierten Informationen handelt, sondern überwiegend um komplexes und nur schwer kodifizierbares Wissen, welches auf ganz spezifische Unternehmensbedürfnisse und -verhältnisse angewendet werden muss. Räumliche Nähe zwischen Innovationsakteuren ist besonders dann wichtig beim Wissenstransfer, wenn viel implizites Wissen und die Reduzierung von Unsicherheiten darin enthalten sind. Solche Situationen treten insbesondere bei jungen Technologien und neuen Produkten auf, für die es noch keine Normen und standardisierte Kommunikationscodes gibt.

Ein beträchtlicher Teil des für Innovationen relevanten Wissens ist lediglich als implizites Wissen in den Köpfen erfahrener Forscher und Ingenieure vorhanden. Dieses in Personen verkörperte Wissen ist im Allgemeinen schwer zu transferieren, zumal es höchstens vom Umfeld geteilt wird, sofern es durch gemeinsame (Forschungs-)Tätigkeit über einen gemeinsamen Code verfügt. Wenn es zutrifft, dass aus der Wissensproduktion Spillovers hervorgehen, ein beträchtlicher Teil des erzeugten Wissens implizit ist und neue Produkte und Prozesse von der kritischen Kommentierung durch alle beteiligten Partner profitieren, dann gibt es eine relevante räumliche Dimension hinsichtlich der Erzielung von positiven Wettbewerbseffekten in der »lernenden Region«.

In der aktuellen Phase des Wechsels von einem zum anderen Wissenstyp existieren beide parallel in unterschiedlichen Einrichtungen der Region. Während beispielsweise die Technische Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel in den Bereichen forscht, die noch gar nicht in abgrenzbaren Forschungsprogrammen zu beschreiben sind, bewegen sich andere Universitätsinstitute in Zielvorgaben, die den Forschungsgegenstand und -fortschritt präzise zu definieren vermögen. Diese Entkoppelung führt als Zusammenstoßen zweier Welten notwendig zu Konflikten.

Meist wird räumliche Nähe als positiv für den Transfer und die Abschöpfung von technologischem und wissenschaftlichem Wissen bewertet. Wissen verbreitet sich dabei vor allem informell, d.h. durch persönliche Begegnungen, Treffen oder Seminare. Je impliziter und komplexer die Wissensbasis ist, vor allem wenn es sich um Teile größerer Systeme handelt, je unternehmensspezifischer und wettbewerbsrelevanter, um so förderlicher ist die räumliche Nähe für die Übermittlung des Wissens, da es nicht unmittelbar transferierbar ist, sondern dichte, vertrauenswürdige und kontinuierliche Kommunikationswege erfordert. Umgekehrt gilt: je kodifizierter, einfacher und weniger kontextgebunden das relevante Wissen ist, umso weniger bedeutsam ist die räumliche Nähe der beteiligten Akteure.

Diese Differenzierung spezifiziert die Erkenntnis, dass für die Übermittlung von Informationen Distanzen irrelevant sind, die Übermittlungskosten jedoch zunehmen, wenn es sich um den Transfer von Wissen handelt. Schließlich lässt sich auch festhalten, dass die räumliche Nähe für den Wissenstransfer in den verschiedenen Wirtschaftszweigen unterschiedliche Relevanz besitzt, weil deren Wissensbasis – gemessen an der lmplizität, der Kodifizierung, der Komplexität, etc. – jeweils vom industriellen Kontext abhängt und damit differiert.

Veränderung des Innovationscharakters

Bei jeder Innovationsaktivität steht die Generierung und Anwendung neuen Wissens im Mittelpunkt. Mit dem Transfer von Wissen erweist sich die Innovation als arbeitsteiliger Prozess. Das interaktive Wesen des Innovationsprozesses hat die Unterscheidung zwischen lnnovation und Diffusion neuer Technologien weitgehend obsolet gemacht. Die Hervorbringung von Wissen und seine Anpassung sind daher zunehmend Teil ein und desselben Vorgangs. Zugleich ist Technologieentwicklung heute durch Multi- und lnterdisziplinarität gekennzeichnet, was sich auch in einer engen Verbindung von Grundlagen- und anwendungsbezogener Industrieforschung zeigt.

Lineare Modelle des Innovationsprozesses sind einem interaktiven Verständnis der Innovation gewichen. Dabei geht es beispielsweise um die Rückkoppelungseffekte zwischen technologie-bezogenen und markt-bezogenen Phasen der Innovationsentwicklung, um die zahlreichen Beziehungen der verschiedenen innovationsrelevanten Aktivitäten untereinander (sowohl in den Firmen als auch in den mit ihnen kommunizierenden Netzwerken) sowie um die zentrale Rolle des Industriedesigns (im weitesten Sinne) im Rahmen des Innovationsprozesses. Denn allgemein gesprochen enthält letzteres zwei Dimensionen: das Erfindungsdesign, in dem die Erfindung ihren (ersten) Ausdruck findet, und das analytische Design, das in der Untersuchung neuer Kombinationen bereits bestehender Produkte und Komponenten beziehungsweise in der Neuordnung von Prozessen besteht.

2000-09_KPF-TSH_Buch_Technologietransformation_08

Die Erkenntnis vom interaktiven Charakter des Innovationsprozesses hat zur Überwindung der früheren Unterscheidung von Innovation und Diffusion geführt. Die Erzeugung, die Aufnahme und der Transfer von Wissen durch Unternehmen erfordert die Berücksichtigung der Verschränktheit dieser Facetten. Denn Innovation und Diffusion gehen gewöhnlich aus einem interaktiven und kollektiven Prozess hervor, der im Kontext personeller und institutioneller Verbindungen im Laufe der Zeit entsteht und an Verbindlichkeit und Gestaltungskraft gewinnt.

Der Verlauf technologischer Innovationen ist nicht zwangsläufig linear, also etwa von der Grundlagen- zur angewandten Forschung und dann über die Entwicklungs- und Einführungsphase zum neuen Produkt. Vielmehr existiert ein Geflecht von Rückkoppelungsmechanismen zwischen Forschung, Technologie, Produktion und Markt, die dem Innovationsprozess einen evolutionären Charakter verleihen. Daher haben Kommunikation und Kooperation für erfolgreiche Innovationsprozesse an Bedeutung gewonnen. Diese finden sowohl zwischen Unternehmen untereinander als auch zwischen Unternehmen und anderen Akteurstypen wie z.B. öffentlichen Forschungseinrichtungen oder Transferagenturen statt.

Das Innovationsergebnis eines Unternehmens hängt damit nur zum Teil von der Quantität und der Qualität der von ihm hierfür eingesetzten Ressourcen ab. Eine wesentliche Rolle für den Innovationserfolg spielen auch die Fähigkeiten und Kapazitäten der am arbeitsteiligen Innovationsprozess beteiligten Partner. Schließlich ist auch die nicht selten staatlich unterstützte Form der Organisation der innovativen Arbeitsteilung bedeutsam. Daher betont die neuere Innovationsforschung nicht mehr ausschließlich die Bedeutung einzelner lnnovatoren, sondern hebt auf ganze Innovationssysteme, Netzwerke bzw. Milieus ab, zu denen dann auch öffentliche Forschungseinrichtungen und dienstleistende Unternehmen gehören. Die Wettbewerbsfähigkeit einer Region hängt damit stark von Wissenstransfers ab; die geographische Konzentration von Wissenstransfers spielt eine zunehmend wichtige Rolle bei der Gestaltung regionaler Wettbewerbsstrukturen. Dabei sind regionale Innovationssysteme ein bedeutsames Leitbild.

Region und Innovation

Das Verständnis von Region hat sich im Laufe der Zeit beträchtlich gewandelt. Sie wird nur noch selten als geographischer Standort wirtschaftender Einheiten verstanden, stattdessen als spezieller Wirkzusammenhang räumlicher Kooperations- und lnteraktionsbeziehungen, die in einen durch Traditionen, Institutionen, soziale Bezüge und durch das regionale Humanpotenzial geprägten Kontext eingebettet sind. Damit wird die Bedeutung insbesondere von intersektoralen und interdisziplinären Kooperationen für Innovationen sehr hoch angesetzt. Wenn wirkungsvoller Technologietransfer in beträchtlichem Ausmaß durch die enge Zusammenarbeit von Personen entsteht, die an der Entwicklung und/oder Anwendung einer Technologie unmittelbar beteiligt sind, so bleibt Technologietransfer trotz der Umwälzung der Kommunikationstechnologien und der fortschreitenden Globalisierung vor allem ein »contact sport«. Auch wenn die Internationalität zunimmt, bleiben zentrale Parameter der Entwicklung und Nutzung von Technologien (F&E-lnfrastruktur, Humankapital, allgemeines Innovationsumfeld) stark national bzw. regional geprägt. Erfolgreiches Management neuer Technologien muss daher zu den regionalen Kernkompetenzen gehören. Andererseits muss zukunftsorientierte Regionalpolitik die Technologie in ihrer vollen Breite unterstützen.

Technologiemanagement ist Ausdruck einer Renaissance regionaler Strukturpolitik, die sich deutlich von den Top-down-Verteilungsmodellen der Nachkriegsjahrzehnte unterscheidet, aber zugleich aktiver als der laissez-faire-Ansatz der 80er ist. Wichtigste Charakteristika sind die bedeutende »Rolle«, die lokale Organisationen bei der Gestaltung regionaler Politik spielen, der Fokus auf die Stärkung der Wettbewerbsvorteile und die besondere Beachtung, die der Verbesserung der regionalen Produktionssysteme gewidmet wird. In vielen Fällen beinhaltet dies auch – wie in Schleswig-Holstein am Beispiel der Initiative Informationsgesellschaft nachvollziehbar – die Zusammenarbeit von Akteuren verschiedener Herkunft: aus dem Bereich der regionalen Politik, der Bundesebene und der Europäischen Kommissionen, Qualifizierungseinrichtungen, regionale Entwicklungsagenturen, Institutionen und Verbände u.v.m. Dementsprechend haben sich Entwicklung und Umsetzung regionaler Politik zu einem Teil eines komplexeren Systems staatlichen Handelns umgebildet, das großen Wert auf Konsultation, Netzwerke, Partnerschaften und Konsensbildung legt.

Der Schlüssel zur globalen Wettbewerbsfähigkeit liegt in einer erfolgreichen regionalen Technologiepolitik, denn die technologische Innovationsfähigkeit fördert die wirtschaftliche Prosperität, und die regionale Ebene bietet gute Voraussetzungen, um über einen gezielten Technologietransfer den wirtschaftlichen Strukturwandel zu beschleunigen und zu unterstützen. Dabei muss das spezifische regionale Innovationssystem nicht nur

a) den Transfer von Wissen in der Region unterstützen, sondern auch

b) den Abfluss von neuem Wissen aus der Region erschweren sowie

c) den Zufluss neuen Wissens von außerhalb der Region stärken, sei es durch die Ansiedlung innovativer Unternehmen oder den Zuzug von Wissenschaftlern.

Der Transfer von nicht oder nur mit großem Aufwand kodifizierbarem Wissen (sog. »implizites« Wissen) ist nach wie vor an Personen gebunden und erfordert direkte persönliche Begegnung. Räumliche Nähe, gewöhnlich in der Region gegeben, erweist sich daher als Vorteil, der keineswegs mit einer »provinziellen« Beschränkung einhergehen muss. Zur innovationsbasierten Regionalentwicklung gehören intraregionale Netzwerke, die für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) auch die Nutzung von Know-how aus internationalen Netzwerken unterstützen. Die Technologiestiftung Schleswig-Holstein hat – in Kooperation etwa mit den Unternehmensverbänden und Industrie- und Handelskammern der Region – den entsprechenden Transfer organisiert, indem sie beispielsweise in Seminaren und Workshops internationale Forschungsergebnisse vorgestellt hat.

Kleine und mittlere Unternehmen

Betrachtet man die Weltwirtschaft als ein Ensemble regionaler Produktionssysteme, von denen jedes seinen spezifischen regionalen Markt besitzt, aber auch über Zugang zum Netz interregionaler Verflechtungen verfügt, so gelten als zentrale Akteure für eine Regionalentwicklung insbesondere die lokalen Unternehmen mit innovativen und oft technologieintensiven Produkten und Dienstleistungen. Diese stark in der Region verankerten Unternehmen agieren, insbesondere wenn es sich um kleine Unternehmen handelt, gleichwohl unter zunehmendem Einfluss ihres Unternehmensumfeldes in der Region. Unternehmen und Region befinden sich somit insgesamt in einer wechselseitigen Abhängigkeitsbeziehung: denn innovative Regionalentwicklung ist ohne innovative dynamische Unternehmen nicht möglich. Zugleich benötigen erfolgreiche innovative Unternehmen aber auch ein günstiges regionales Umfeld.

Häufig ist die Situation kleiner und mittlerer Unternehmen durch den Mangel an modernster Ausrüstung, entsprechenden Maschinen sowie Managementmethoden gekennzeichnet, so dass Produktivität und Qualität leiden. Wo entsprechende eigene F&E-Aktivitäten fehlen, müssen kleine und mittlere Unternehmen (KMU) ihre Absorptionsfähigkeit durch die Nutzung anderer, externer Quellen entwickeln und steigern, so z.B. durch das Lernen von Kunden und Lieferanten, durch den Austausch mit anderen Unternehmen oder durch die Nutzung von Wissens-Transfers aus anderen Firmen oder Branchen. Gerade KMU aber haben bei der Organisation dieser transdisziplinären Schnittstellen oftmals große Probleme wegen fehlender personeller Kapazitäten und unzureichender fachlicher Kompetenzen. Netzwerkeinbindungen unterschiedlicher Art können einem Unternehmen die Hilfestellung zur Verfügung stellen, die es zur vorteilhaften Nutzung externen Wissens benötigt.

Neue technologie-basierte Unternehmen sind ein bedeutendes Instrument für den Transfer und die Kommerzialisierung von Technologien, die in Universitäten, Forschungseinrichtungen oder bereits etablierten Unternehmen entwickelt wurden. Bei den Verflechtungen zwischen Innovationsakteuren in der Region stehen daher zumeist die KMU im Mittelpunkt, denn sie können von solchen Bemühungen intraregionaler Innovationsnetzwerke potenziell stärker als Großunternehmen profitieren, welche zumeist über eigene Wege der Kooperationsanbahnung verfügen. Je kleiner das Unternehmen, umso wahrscheinlicher sind positive Auswirkungen externer, durch das regionale Wirtschaftsumfeld generierter Faktoren auf die Entwicklung und Adaption neuer Technologien.

Regionale Netzwerke

Angesichts der durch Globalisierung und informationstechnische Revolutionierung erzwungenen komplexen Umstrukturierungsprozesse sind vor allem jene Regionen erfolgreich, die hierfür geeignete Netzwerke schaffen oder bereitstellen und wo die notwendige personelle Kooperation zwischen Politik, Wirtschaft und Wissenschaft funktioniert. Betrachtet man Netzwerke als die »Verflechtungsordnung« der (regionalen) Akteure, so können sie regionale Wirtschaftsentwicklungen unterstützen, wenn sie wenigstens drei Bedingungen erfüllen:

  1. Sie verbinden bisher isoliert tätige Akteure und schaffen damit Voraussetzungen für Innovationstransfers, weil erstens die innovierenden Akteure grenzüberschreitend agieren und so durch Vernetzung mit neuen Bezugssystemen eine Öffnung für neue Impulse und Anregungen schaffen, und weil zweitens politische Veränderungen mit der Koppelung unterschiedlicher Akteure verschiedener Organisationen verbunden sind.
  2. Sie reduzieren Unsicherheit und Risiken des Wandels durch Kommunikation und Solidarität und tragen so zu einer Erweiterung der Wahrnehmung und einer Offenheit im Handeln bei.
  3. Sie organisieren Veränderungsprozesse dadurch, dass sich innerhalb der Netzwerke Promotoren der Veränderung herausbilden und auch dadurch paradigmatische Veränderungen in der Wahrnehmung und Einschätzung der gegenwärtigen Situation sowie der möglichen Lösungen damit verbundener Probleme initiiert werden. In diesen Netzwerken ist – anders als im politischen Raum, in dem Handeln stark durch die Dauer der Wahlperioden geprägt wird – eine Politik der Stetigkeit möglich.

Für die Entwicklung von Netzwerken ist relevant, dass es in ihnen sowohl strong ties als auch weak ties gibt. Ihre Produktivität ergibt sich aus der Kombination eines gewissen Maßes sozialer Kohäsion (strong ties) mit der Pflege der Kommunikation mit einer größeren Anzahl von Individuen außerhalb der strong ties, und zwar auch über soziale Distanzen hinweg, ohne diese in feste institutionelle Beziehungen einzubinden (weak ties). Auf regionaler Ebene übernehmen Netzwerke neben ihren grundlegenden Funktionen wie Vertrauensbildung, Unsicherheitsreduzierung, Konsensbildung sowie Verhandlungsforum zudem

a) eine Ersatzfunktion für fehlende oder unzureichende institutionelle Entscheidungsstrukturen auf der regionalen Ebene,
b) eine Mobilisierungsfunktion, um Akteure aus ihrer spezifischen Sicht zugunsten gemeinsamer regionaler Belange zu lösen,
c) eine Forums- und Innovationsfunktion, um gemeinsam interessierende Probleme zu identifizieren und mögliche neue Handlungsmöglichkeiten zu bestimmen.

Zum Netzwerk regionaler Innovationsakteure gehören gewöhnlich private Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes, unternehmens- bzw. innovations-orientierte (technische) Dienstleister des Privatsektors (hierzu gehören auch Finanzdienstleister), überwiegend aus öffentlichen Mitteln finanzierte Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen (Unis, FH) sowie das innovations- und diffusionsunterstützende Dienstleistungsangebot der öffentlichen Hand, zum Beispiel in Gestalt von Transfer- oder Informationsvermittlungsagenturen. In Schleswig-Holstein nimmt diese Rolle vor allem die Technologie-Transfer-Zentrale wahr.

An dieser Stelle geht es vor allem um die organisatorische Gestalt des Technologietransfers, der entweder von Institutionen betrieben wird, die selbst an der Technologieentwicklung beteiligt waren, oder von Einrichtungen, die am Transfer der von anderen entwickelten Technologien beteiligt sind. Zum letzteren Typ, den hier besonders interessierenden Technologietransfer-Intermediären gehören beispielsweise Technologiebroker, Transferagenturen, Patentanwälte und Fachgesellschaften. Diese erfüllen eine große Spannbreite von Funktionen zur Unterstützung des Technologietransfers, etwa durch die Bereitstellung von relevanten Informationen, Spezialwissen und/oder Geld.

Netzwerke haben unter bestimmten Bedingungen auch negative Wirkungen für die Regionalentwicklung. So kann es Konstellationen geben, die einen Zustand perpetuieren und damit notwendige Veränderungen verhindern oder verzögern, weil paradigmatische Zwänge stärker sind als die Veränderungsnotwendigkeiten. Die unterschiedlichen ökonomischen, sozialen und politischen Akteure und Institutionen entwickeln keinen hinreichenden Integrationszusammenhang und lösen keine Innovationsblockaden aus. »Negativ-Allianzen« werden gefördert, welche innovatorische Entwicklungen verhindern, indem sie wie ein Strukturkonservierungskartell wirken oder sich in ungelösten Verteilungskonflikten blockieren.

Überregionale Netzwerke

Netzwerke sind nicht grundsätzlich und dauerhaft innovativ aus sich selbst heraus. Eine wesentliche Voraussetzung für ihre permanente Erneuerung ist die Einbindung einer Region und ihrer intraregionalen Netzwerke in internationale und globale Netzwerke. Hierbei können öffentliche Forschungseinrichtungen eine Art »Antennenfunktion« wahrnehmen, indem sie regionsextern vorhandenes akademisches, technologisches oder methodisches Wissen absorbieren und für die regionale Wirtschaft nutzbar machen. Dies ist möglich, weil öffentliche Forschungseinrichtungen und Einheiten wie die Technologiestiftung Schleswig-Holstein verschiedene Arten von Wissensquellen besitzen, die zu einer besonderen Stellung innerhalb der innovativen Netzwerke führen kann. Einerseits verfügen sie über anderes Know-how als viele Unternehmen, so dass dieses Wissen für Unternehmen eine ergänzende Ressource darstellt. Zum anderen erlauben internationale Ausrichtung und Kontaktpflege den Forschungseinrichtungen, als »Brückenköpfe« zwischen regionalen Netzwerken zu fungieren. Insofern können und müssen regionale und überregionale Netzwerke Komplementärfunktionen erfüllen, wobei überregionale Kooperationen eine Art »Antennenfunktion« für regional entwickelte Fähigkeiten und Bedarfe übernehmen.

Zu den Aktivitäten innerhalb solcher Netzwerke gehören die Generierung, die Kombination, der Austausch, die Transformation und der Einsatz von Ressourcen unter Nutzung einer großen Spannbreite formalisierter und informeller Beziehungen. Das Ausmaß, in dem beispielsweise Firmen lernen und ihr Wissenspotenzial ausbauen, stellt sich so als ein Ergebnis ihrer Teilnahme an den Aktivitäten von Netzwerken dar. Der prinzipielle Gedanke im Verständnis des Innovationsnetzwerks liegt darin, dass die umfassende Innovationskraft einer regionalen Ökonomie nicht alleine darauf basiert, wie einzelne Einheiten wie Unternehmen oder Forschungseinrichtungen im Wettbewerb bestehen, sondern insbesondere darauf, wie sie untereinander und mit dem öffentlichen Sektor in der Wissensproduktion und -distribution umgehen.

Beim Aufbau und der Entwicklung solch innovativer Partnerschaften auf regionaler Ebene ist damit Vertrauen ein zentraler Erfolgsfaktor. Ihm kommt als personaler Komponente beträchtliche Bedeutung für gering formalisierte Kommunikation und den Transfer von implizitem Wissen zu. Die Technologiestiftung Schleswig-Holstein hat den dazu nötigen nicht-naiven Vertrauenstyp, der durch Erfahrung und Stetigkeit, Kritikfähigkeit und Offenheit zu charakterisieren ist, sowohl in den von ihr initiierten Netzwerken gepflegt als auch zu einer wichtigen Grundlage der Projektantragskommunikation gemacht.

Milieu und Technologietransformation

Die »soziale Einbettung« in Gestalt von Netzwerken ist also eine wichtige Rahmenbedingung für die Produktivität wirtschaftlicher Interaktionsbeziehungen, denn in Netzwerken wird Handlungsbereitschaft auch durch normative Übereinstimmung mobilisiert, etwa durch die Beschwörung »regionaler Identität« oder die Festlegung auf gemeinsame Leitlinien regionaler Strukturpolitik. Dies ist deshalb bedeutsam, weil herkömmliche Verhaltensmodi schwer zu überwinden sind. Selbst wenn Problemstellungen, die aus Gewohnheiten und Denkweisen resultieren, einfach zu benennen sind und auf individueller Ebene noch einer Veränderung zugeführt werden können, so geht ein breiter struktureller Wandel meist sehr langsam vonstatten. Dennoch hat die Technologiestiftung Schleswig-Holstein es von Beginn an als eine zentrale Aufgabe begriffen, solche »weichen« Faktoren in das regionale Innovationsverhalten einzubeziehen.

Veränderungen verlangen paradigmatische Veränderungen »in den Köpfen- und »im Bauch« der Akteure. Die Akteure müssen vom Veränderungsbedarf und der Richtigkeit ihrer Aktivitäten überzeugt sein, wenn sich etwas ändern soll. Dabei bestimmen die fixen und rigiden Strukturen klassischer Bürokratien in beträchtlichem Ausmaß das Wesen der möglichen Interaktionen, ebenso wie die Normen, Bedarfe und Ansprüche, die entstehen können. So setzen klassische Bürokratien einen engen Rahmen, aus dem sich die Teilnehmenden nur schwer selbst befreien können; zudem entsteht Unmündigkeit, die zu Blockaden in der Nutzung der Technologien führt. Somit gehört auch die Einübung in eine Kultur des Umgangs mit Unsicherheit zu den unverzichtbaren Bestandteilen einer regionalen Technologie- und Innovationskompetenz.

Für die erfolgreiche ökonomische Entwicklung von Unternehmen und Regionen spielt gerade die »industrial atmosphere« eine zentrale Rolle. Sie entsteht aus der physischen und kulturellen Nähe der Akteure, einfachen und zugleich zweckdienlichen Verfahren des Informationsaustausches, häufigen face-to-face-Kontakten und Mobilität in regionalem Rahmen. Die Entwicklung im Wesentlichen informeller sozialer Beziehungen zwischen den Technologieakteuren in einem geographisch begrenzten Raum, mit dem die regionale Innovationsfähigkeit erhöht wird, gemeinsame Lernprozesse beschleunigt werden und Elemente der dynamischen Unsicherheit, die regelmäßig mit technologischen Innovationen verbunden sind, reduziert werden, führt zu einer Situation, in der neue Ideen »in der Luft« liegen.

Für Institutionen, die sich der Aufgabe stellen, Innovatoren zum Wissensaustausch zusammenzubringen, die ohne diesen Agenten ihr Wissen zurückhalten würden, um es nicht an vermeintliche Konkurrenten zu verlieren, geht es darum, innerhalb der Region für ein Klima zu sorgen, in dem der harte Koordinationsmechanismus Preis durch Vertrauen ergänzt wird, das den intraregionalen Wissensaustausch und damit die Entstehung externer Erträge unterstützt.

Die Herstellung eines solchen Milieus, in dem fortlaufend das »collective learninq« der Innovationsakteure stattfindet, und die Förderung einer Technologiekultur sind strategische Aufgaben, die sich deutlich von den Bedingungen, Zielsetzungen und Möglichkeiten des traditionellen Technologietransfers abheben. Der Begriff der Technologietransformation verdeutlicht, dass es bei dieser Innovationsaufgabe um die komplexe Veränderungsleistung einer ganzen Region geht, die sich den gegenwärtigen Herausforderungen stellt. Der Förderung eines solchen Verständnisses und der entsprechenden Prozesse hat sich die Technologiestiftung Schleswig-Holstein gewidmet – auch wenn dabei Konflikte nicht ausgeblieben sind.

6. Die TSH als strategiefähiger regionaler Akteur

Ob Atomkraft, Transrapid oder Biotechnologie – in den meisten politischen und gesellschaftlichen Kontroversen geht es nicht nur um die Technik, sondern auch um die Frage nach den Entwicklungsperspektiven der Gesellschaft. Dabei ist die Frage der Steuerbarkeit von Technologie im Sinne der Vermeidbarkeit unerwünschter und der Erreichung erwünschter Effekte von zentraler Bedeutung.

Im mehrstufigen Prozess der sozialen Konstruktion von Technik findet eine Wechselwirkung von Handlungs- und Strukturebene statt: die Akteure sind in gesellschaftliche Strukturen eingebunden, die die Randbedingungen ihres Handelns bestimmen und daher sowohl Optionen für Alternativwahlen eröffnen als auch den Horizont der möglichen Varianten einschränken. Zugleich sind die Handlungen der Akteure jedoch auch strukturbildend, d.h. die Akteure verändern die gesellschaftliche Wirklichkeit, wenn sie ihre strategischen Interessen realisieren und damit die Gesellschaft reproduzieren. Auslöser der sozialen Dynamik der technischen Innovation sind die Akteure, die einen sozialen Prozess in Gang setzen und durch ihre Interaktionen Strukturen erzeugen.

Heute gibt es nicht mehr einen dominanten Akteur (»der Staat«), der die technischen, politischen und gesellschaftlich-sozialen Problemlagen auflösen kann, die bei der Erzeugung und Diffusion von innovativen Technologien entstehen. Beträchtliche Bedeutung haben vielmehr Netzwerke gewonnen, die sich quer zu etablierten Strukturen bilden, da diese es aufgrund ihrer inhärenten Behäbigkeit kaum erlauben, abweichende und/oder innovative Interessen zu artikulieren und durchzusetzen. So stellen Netzwerke direkte Verbindungen zwischen Sektoren her, die nicht durch formale Kanäle miteinander verknüpft sind.

Das Entstehen und Funktionieren eines Netzwerks hängt eng von Existenz und Funktionsfähigkeit eines Übersetzungsmechanismus ab, der eine Kommunikation zwischen verschiedenen Bereichen ermöglicht. Die Akteure, die soziale Netzwerke konstruieren, sind strategiefähig, d.h. sie artikulieren Interessen und verfolgen Ziele. Strategisch wird ihr Handeln dadurch, dass es nicht (ausschließlich) auf unmittelbare Bedürfnisbefriedigung ausgerichtet ist, sondern Umwege einkalkuliert, in die Investitionen getätigt werden, welche sich erst auf lange Sicht auszahlen (sollen). Zu den strategiefähigen Akteuren, die die Handlungs- und Strukturebene miteinander verknüpfen, gehört in Schleswig-Holstein auch die Technologiestiftung. Sie besitzt aufgrund ihrer Kapitalausstattung, ihrer Unabhängigkeit und ihrer Flexibilität nicht nur Verhandlungs- und Verpflichtungsfähigkeit, sondern setzt auch in reflektierter Weise Ziele und ist bereit und in der Lage, Risiken einzugehen.

Strategisch handelnde Akteure passen sich nicht reaktiv an ihre Umwelt an. Sie gestalten sie vielmehr in einer Weise, die die Wahrscheinlichkeit der Durchsetzung ihrer Interessen erhöht. Strategiefähige Akteure sind daher grundsätzlich konfliktfähig und verhandlungsbereit, kontextsensitiv und kompromissfähig. Insofern sind Interaktionsbeziehungen attraktiv, die zwischen vollkommen unstrukturierten und machtförmig verhärteten Strukturen liegen, weil sie den strategisch handelnden Akteuren gestatten, die Bedingungen ihrer Interessenverwirklichung zu verbessern, ohne zugleich ihre Eigenständigkeit und damit langfristig ihre Strategiefähigkeit aufzugeben. In Schleswig-Holstein hat die Technologiestiftung Schleswig-Holstein die Rolle eines strategiefähigen Akteurs übernommen.

Auch wenn technologischer Determinismus wenig zum theoretischen Verständnis sozialen Wandels beiträgt, so kann kaum übersehen werden, dass Technisierungsschübe mit schicksalsgleicher Mächtigkeit auf die Gesellschaft einwirken. Dies gilt ungeachtet aller Versuche, gegenüber der technologischen Dynamik politisch gestaltungsfähig zu werden. Zwar ist wohl nie so umfassend über Chancen und Risiken neuer Technologien diskutiert worden wie heute, und die Zuständigkeit der Politik für die Kontrolle von Technik wird weiterhin eingefordert, aber der Verzicht auf eine neue Technologie ist offenbar keine ernst genommene politische Möglichkeit.

Eine zukunftsorientierte Innovationspolitik muss antizipativen Charakter haben, d.h. sie muss in einem sozialen Prozess Innovationskorridore definieren und die Zukunftsmärkte mit den Produkten und Dienstleistungen gleichsam miterfinden. Bedeutsames Instrument einer zukunftsfähigen Innovationspolitik sind die Technologie-Transformations- bzw. -transferstrukturen einer Region. Auch diese müssen sich den veränderten Rahmenbedingungen anpassen. Für die Technologiestiftung Schleswig-Holstein führt dies – auf der Grundlage des oben formulierten Grundverständnisses der gesellschaftlichen Integration von Technologien – zunächst zu einem allgemeinen Methodenprofil, in welchem die Entwicklung von Netzwerken, der gesellschaftliche Dialog und die dynamische Strukturbildung in einer technologie-offenen Kultur bedeutsame Eckpfeiler bilden. Als strategiefähiger regionaler Akteur, der sich als Teil einer innovativen Infrastruktur für eine innovative Industrie versteht, bringt die Technologiestiftung Schleswig-Holstein folgende methodische Ansätze zur Geltung, die es erlauben, mit der zunehmenden Parallelität bzw. Verschränktheit der verschiedenen Phasen der Entwicklung innovativer Technologien umzugehen.

Systematisch prognostizieren

Die Antizipation der Auswirkungen aufkommender technologischer Innovationen auf Ökonomie und Gesellschaft des Landes Schleswig-Holstein ist eine wichtige Voraussetzung, um zukunftsfähige Strukturen aufbauen und Maßnahmen ergreifen zu können. Die Technologiestiftung Schleswig-Holstein hat die systematische Suche nach den in verschiedenen Technologiefeldern für das Land Schleswig-Holstein enthaltenen Potenzialen organisiert. Exemplarisch seien hier die Studien zur Biotechnologie, über die Sensorik, die Software oder die maritime Verbundwirtschaft genannt, die als Entscheidungsgrundlage für weiterführende Aktivitäten der Technologiestiftung Schleswig-Holstein und anderer Technologie-Akteure im Land dienten. Mit den RISI-Aktivitäten und dem Anschluss an das Technologie Transfer Forum sind umfassendere inhaltliche, strukturelle und methodische Fragestellungen, wie beispielsweise die Frage nach den zukünftigen Strukturen des Lernens und Lehrens, aufgegriffen worden und durch die Einspeisung in die (Fach)Öffentlichkeit und die Entscheider-Ebenen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft die Voraussetzungen für eine zielführende Gestaltung verbessert worden.

Strukturen initiieren

Im Bereich der Strukturbildung hat die Technologiestiftung Schleswig-Holstein sich ergänzende methodische Zugänge entwickelt: Mit der Methode der dialogischen Strukturbildung verfolgt die Technologiestiftung Schleswig-Holstein das Ziel, (neue) Kooperationen anzuregen, die bei der Entwicklung und Nutzung innovativer Technologien oder beim damit verbundenen Aufbau von Strukturen zielführend sind. Zur Technik der dialogischen Strukturbildung gehören Veranstaltung und Publikationen unterschiedlichsten Charakters und zeitlicher Dauer, die Technologie-Akteure um ein Thema zusammenführen und – im Idealfall – eine selbsttragende Fortsetzung finden. Die Bedeutung dieser dialogischen Strukturbildung nimmt mit dem Fortschreiten der Entwicklung in Richtung auf die Multi-Optionsgesellschaft zu, weil die Anpassungskapazitäten der jeweiligen Akteure bereits für die Entwicklung ihres jeweiligen Umfeldes benötigt werden, das Verständnis für die Tiefe und Reichweite des gesamten Umbruchs, d.h. die strategische Perspektive, hingegen zurücktritt.

Die materielle Strukturbildung, d.h. vor allem die direkte monetäre Förderung technischer Geräte und des zu ihrer Anwendung notwendigen Fachpersonals an den Hochschulen, nimmt einen hohen Prozentsatz der jährlich zur Verfügung stehenden Projektmittel auf. Mit ihr werden – insbesondere an den Hochschulen – real wirksame Schwerpunktsetzungen forciert, die Kooperationsprojekte mit der Wirtschaft des Landes erleichtern sollen. Schließlich dient die Strukturbildung kleiner Einheiten, d.h. die Unterstützung bei der Entstehung und der Entwicklung technologie-orientierter Dienstleistungseinheiten, dem Aufbau von Prozess- und Produkt-Know-how, das mit der Flexibilität kleiner Einheiten einen Beitrag zur regionalen Technologiekompetenz, leistet. Eine vielseitige Vergabe von Aufträgen an Externe ermöglicht nicht nur, die Technologiestiftung Schleswig-Holstein als kleine und bewegliche Einheit zu führen, sondern fördert auch den Aufbau eines Netzwerks von Dienstleistern in ihrem Umfeld.

Das »social embedding« sichern

Ein beträchtlicher Teil technischer Innovationen findet nach wie vor in den Unternehmen statt; dennoch darf die Relevanz des externen Inputs – mag dieser von anderen Unternehmen oder aus Hochschulen kommen – nicht unterschätzt werden. Weil dieses externe Knowhow eine relevante Bedeutung hat, wird im Rahmen des Technologietransfers nicht nur auf eine intensive und weitreichende Kooperation zwischen Unternehmen und Hochschulen geachtet, sondern auch auf diejenige zwischen Unternehmen. Die entsprechende Beziehung zu den Unternehmensexternen stellt sich dabei nicht als Ergebnis rein marktförmiger Austauschbeziehungen her. Solche lassen eine wirklich lösungsbezogene, d.h. die eigenen Zielorientierungen und – möglicherweise – Realisierungsdefizite transparent machende gemeinsame Entwicklungsarbeit nur begrenzt zu.

Bedingung für weiterführende Kooperationen sind vielmehr gesellschaftliche Institutionen und häufig soziale Beziehungsnetzwerke, d.h. die Existenz nicht formalisierter, vertrauensbasierter Beziehungen zwischen den Akteuren. Diesem Bedarf der sozialen Einbettung (»social ernbeddinq«) hat die Technologiestiftung Schleswig· Holstein mit ihrer Tätigkeit im Sinne des Aufbaus eines regionalen Innovationsmilieus zu entsprechen versucht, bei dem sie auf vielfältige Art Foren des Diskurses und der Kooperation angeboten sowie Projektideen eingebracht hat.

Zu den Merkmalen daraus entstehender innovationsbezogener Kooperation gehören in diesem Kontext insbesondere

  • lnformalität, d.h. bestehende formal abgesicherte Strukturen der Handlungskoordination greifen nicht,
  • Personengebundenheit, d.h. Zusammenarbeit erzeugt Verpflichtung und Reziprozität, und
  • Vertrauensbasiertheit, d.h. »wachsames Vertrauen- und -ausgehandelte Loyalität sind handlungsleitende Parameter.

Angesichts der Entwicklung der luK-Technologien und dem mit der Globalisierung verbundenen Bedeutungsverlust von regionalen und nationalen Umfeldern ist das Ziel, Handlungserwartungen zu stabilisieren und Erwartungsunsicherheit abzubauen, zunehmend schwieriger zu erreichen. Denn durch die mit diesen Veränderungen verbundene Internationalisierung von Innovationsfunktionen tritt der Effekt des »social disembedding« von Innovationen auf. Wo früher eine Einbettung in regionale Netzwerke und Kooperationsverbünde ausreichte, genügt dies immer weniger den heutigen Anforderungen. Die Technologiestiftung Schleswig-Holstein ist daher im Laufe ihrer Tätigkeit dazu übergegangen, ein Engagement in europäischen Netzwerken und in transatlantischen Foren aufzubauen. Dieses kann nicht in erster Linie unmittelbar zielorientierend – etwa im Sinne einer Abschöpfung von Finanzmitteln – verstanden werden. Insbesondere dort, wo Partner in Feldern zu finden sind, deren Erforschung gerade erst beginnt, sind existierende Netzwerkwege nur beschränkt nutzbar. Daher kann es durchaus sinnvoll sein, persönliche Beziehungen auch ohne unmittelbare Kooperationsabsicht aufzubauen und aufrechtzuerhalten, sofern sich mit ihnen die zukünftige Möglichkeit verbindet, neue Optionen für Kooperationen jenseits bereits stehender Kooperationspfade zu eröffnen. Dies gilt für Unternehmen, aber auch für öffentlich-rechtliche Institutionen wie die Technologiestiftung Schleswig-Holstein in ihrer Eigenschaft als strategische Akteure im Lande.

Sinngemeinschaften aufbauen

Die Geschichte von Innovationen und Erfindungen kann auch als eine Abfolge sich ändernder kultureller Kontrollen eben dieser technischen Entwicklungen gelesen werden. Denn Werte und normative Orientierungen haben Erfindungen häufig beschränkt oder folgenlos gemacht. Aufhalten konnten sie sie dennoch nicht. Die Beziehung zwischen der Technik und dem sozialen Wandel ist nicht nur durch Werteerosion geprägt, sondern ebenso durch Wertekonstituierung. Denn technologische Innovationen stellen nicht nur bestehende Strukturen und damit auch die ihnen zugrundeliegenden normativen Annahmen und Wertungen in Frage: Mal offen und allgemein erkennbar, mal schleichend und in ihren sichtbaren Auswirkungen verzögert, entstehen neue Wertungen und treten neben oder an die Stelle bisheriger Orientierungen. Sofern also Technologien die Optionen erweitern, in der Kultur etablierte Werte zu entwickeln, definieren sie die Reichweite dieser Werte um. Wem z.B, das Internet als Mittel zur Demokratisierung politischer Diskurse und Entscheidungsprozesse gilt, für den wird mit der Diffusion dieser Technologie auch der Anspruch an demokratische Verfahren betont. Daneben gibt es auch eine legitimatorische Dimension, wenn die technischen Möglichkeiten in den Schutzbereich der Werte integriert werden. Die Einbeziehung in den Schutzbereich individueller Ansprüche schirmt technische Möglichkeiten gegen politische Eingriffe ab. Insgesamt heißt dies, dass gesellschaftliche Werte nicht nur ein Gegengewicht zu technischer Dynamik sein können, sondern auch deren Vehikel. Technik selbst wird zum Träger kultureller Bedeutungen und Wertvorstellungen. Innovation wird kulturell legitimiert.

Besondere Bedeutung verdient die Frage, warum sich neue Techniken auch dann durchsetzen, wenn ihre Einpassung konflikthaft erfolgt. Dies hängt von der Verfassung des »rezipierenden« sozialen Systems ab, in das die neue Technik eingeführt werden soll. Der entscheidende Mechanismus besteht darin, dass neue Technik in dem Moment ihrer sozialen Wahrnehmung beginnt, bis dahin geltende Erwartungs- und Verhaltensstrukturen kontingent zu setzen und neue Erwartungshorizonte zu öffnen. Damit setzt offenbar schon die bloße Existenz der technischen Verfügbarkeit Standards, an denen sich das Verhalten und die Erwartungen der verschiedenen Akteure orientieren und auf die sie sich neu arrangieren. Dies gilt selbst dann, wenn sie es nicht wollen. Neue Technologien haben gleichsam projektive Wirkung auf das soziale System, in das sie eingeordnet sind. Sie relativieren bestehende Regeln durch die Eröffnung neuer Optionen und erzwingen Entscheidungen für oder gegen neue Regeln.

Die Besetzung bzw. Verbindung technologischer Innovationen mit allgemein akzeptierten Werten und Normen, z.B. Datenschutz durch Technik statt Datenschutz trotz Technik, kann ein wirkungsvoller Mechanismus der Integration neuer Technologien in gesellschaftliche Strukturen sein. Die Zusammenführung entsprechender »Sinngemeinschaften« gehört als wirksames Instrument der Technologietransformation, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Förderung einer technik-offenen Kultur, zu den Aktivitäten der Technologiestiftung Schleswig-Holstein.

Anschlussmöglichkeiten schaffen

Die unsicheren Erfolgsaussichten technischer Innovationen lassen sich unter anderem an dem Dilemma beschreiben, bei dem die Anbieter einer neuen Technologie auf potenzielle Anwender warten und die fehlenden Marktsignale den (breiten) Einstieg in die Technologie verzögern; die Anwender ihrerseits aber vergeblich auf Informationen über Pilotanwendungen warten, ohne die sie die Folgen eigener Investitionen nicht überschauen können. Solche Innovationsblockaden können abgebaut werden, wenn technikherstellende und technikverwendende Akteure kooperativ Anwendungsvisionen und Gestaltungsoptionen aufeinander beziehen, d.h. Anschlussmöglichkeiten finden. Dies ist Teil der Förderstrategie der Technologiestiftung Schleswig-Holstein.

So können sich durch die organisatorische Verschränkung des Forschungsprozesses mit Anwendungskontexten oder durch die Koordination verschiedener Lernmodalitäten (learning by design, learning by using) Entwicklungspfade ergeben, die nicht nur innovativ sind, sondern zugleich sozial akzeptabel sein können. Solche langfristig und kooperativ ausgelegten Beziehungen zwischen Technikherstellern, Nutzern, Zulieferern und institutionellen Kontextbildnern, wie etwa die Technologiestiftung Schleswig-Holstein, sind im Rahmen der Initiative Informationsgesellschaft Schleswig-Holstein versucht worden. Die Schaffung von Anschlussmöglichkeiten an eine Technologie erfolgt vor allem über die Einflussnahme auf ökonomische und/oder politische Entscheidungen. Gleichsam muss aber auch die Veränderung technischer Parameter möglich sein, um Hindernisse zu überwinden.

Ohne eine auch noch so rudimentäre organisatorische Koppelung zwischen Menschen und Technologie, also ohne einen organisatorischen Nukleus, hat Technik keine soziale Relevanz, keine soziale Wirkung. Technische Innovation findet ohne Organisation nicht statt, der einsame »Erfinder« würde nur für das Raritätenkabinett technischer Museen erfinden, hätte er nicht den Käufer seiner Patente, der sie entwickelt und auf den Markt bringt. Auch auf regionaler Ebene bedarf es daher sog. »systern builder«, die die bei der Entwicklung und Verbreitung innovativer Technologien auftretenden, Unsicherheit erzeugenden Faktoren durch Strukturbildung kontrollierbar machen. Damit wird die Umwelt auf die Erfordernisse der Technik und des um sie herum organisierten sozialen Systems hin strukturiert. Wenn ein technologischer Innovationsprozess von einer mit Einfluss ausgestatteten Gruppe eingeleitet wird und damit – durchaus konflikthaft – die Verteilung von Macht, Prestige oder Reichtum verändert wird, so bedarf es dazu nicht alleine neuer Technologie, sondern auch des »heterogeneous engineering«, mit dem zugleich soziale Kontexte und symbolische Ordnungen geschaffen werden. Diese Konstellation war historisch z.B. bei der Elektrifizierung der westlichen Industriegesellschaften gegeben, denn Thomas Edison war nicht nur Erfinder des physikalisch-technischen Prinzips der Glühlampe, sondern verfügte mit seinem Team zugleich über die Fähigkeit, ein umfassendes technisches System zu planen, zu finanzieren und politisch durchzusetzen, so dass die notwendige Infrastruktur der elektrischen Beleuchtung zur Verfügung gestellt wurde. In diesem Sinne können Kontextbildner als diejenigen fungieren, die die Vision formulieren und die Kräfte zu ihrer Realisierung bündeln.

Konflikt- und Dissensmanagement organisieren

Wenn es richtig ist, dass innovative Technologien bestehende Strukturen aufbrechen und dominierende Wertorientierungen auflösen, so muss ein Modus des Umgangs mit diesen Brüchen gefunden werden. Dieser Umgang ist einzupassen in eine erweiterte Perspektive, denn die verbreitete Forderung, dass wir uns im ingenieurwissenschaftlichen Bereich Unsicherheit nicht leisten können, ist inzwischen von der Forderung abgelöst worden, dass wir uns eben diese Unsicherheit leisten müssen. Dies gilt insbesondere angesichts der Schnelligkeit der Veränderungen und der Disponibilität von bisher existierenden Bindungen.

Zuletzt haben die luK-Technologien mit ihren Möglichkeiten der Universalisierung und mit ihrer Dynamisierung ökonomischer, politischer und sozialer Strukturen die Diskussion um gesellschaftliche Auswirkungen innovativer Technologien bestimmt. Dabei besteht kein Anlass zu kulturpessimistischer Technologiekritik; vielmehr kommt es darauf an, die Möglichkeit der Entstehung von Entfremdungseffekten rechtzeitig zu diagnostizieren und durch geeignete Maßnahmen zu kompensieren. Auch in dieser Rolle als Seismograph hat die Technologiestiftung Schleswig-Holstein eine strategische Funktion. Sie kann diese umso eher konstruktiv erfüllen, je offensiver sie die durch innovative Technologien induzierten Umbrüche kommuniziert und durch Projekte sichtbar macht. Dieser Ansatz lag beispielweise der Initiative »Schulen ans Netz« zugrunde: Sie diente nicht nur der rascheren Ausstattung der Schulen mit luK-Technologien und der entsprechenden Qualifizierung der Lehrkräfte, sondern mindestens ebenso der Diskussion über die zukünftigen Veränderungszwänge und Strukturen des Bildungssystems.

In der auf Konsens orientierten Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland muss der Bewusstmachung und der Austragung von Konflikten ein größerer Stellenwert eingeräumt werden. Weitreichende und tiefgehende gesellschaftliche Umbrüche bringen notwendigerweise divergierende Interessenlagen, Meinungen und strategische Vorstellungen hervor. Diese in einen formalen Konsens zu zwingen und damit möglicherweise zwingend notwendige Strukturveränderungen auszusetzen oder aufzuschieben, kann sich mittelfristig als kontraproduktiv erweisen. Mit der produktiven Nutzung von Konflikten und dem Zulassen bzw. Aushalten von Dissensen besteht schließlich die Möglichkeit zur Bildung höherstufiger Konsense. Eine entsprechende Provokationsfunktion können jedoch nur Institutionen übernehmen, die über beträchtliche finanzielle und organisatorische Unabhängigkeit verfügen sowie aufgrund ihrer fachlichen Kompetenz breite Anerkennung finden.

Die Initiierung von konstruktiven Konflikten, die die Schärfe der technologisch bedingten Umbruchsituation und die Dramatik des Handlungsbedarfs deutlich machen und schon deshalb nicht ohne Konfrontationen ablaufen können, weil neue Technologien die auf älteren Technologien beruhenden Machtpositionen schwächen, haben eine zentrale Bedeutung. Die Rolle der Technologiestiftung Schleswig-Holstein in solchen Konflikten ist deshalb zentral und konstruktiv, weil sie aufgrund ihres weitgehend unabhängigen Status polarisieren, zugleich aber mit den ihr langfristig zur Verfügung stehenden Mitteln die Akteure an die Herausforderungen heranführen und gemeinsam mit ihnen die neue Phase zukunftsorientiert gestalten kann. Wandel geht nicht ohne Interessenkonflikte zwischen Staat, Gesellschaft und technologischen Innovationen vonstatten.

Experimente wagen

Innovationsprozesse sind zukunftsoffene und unsicherheitsbeladene Gestaltungsprozesse. Insbesondere in der Entstehungsphase bedarf es eines experimentellen Verständnisses, welches häufig Außenseitern zugeschrieben wird, weil diese noch weniger durch überlieferte Denkmuster und dominante Sichtweisen gebunden sind als die langjährigen oder mehr zentral positionierten Mitglieder von etablierten und häufig Verwaltungshandeln unterworfenen Institutionen.

Die experimentelle Suche nach innovativen Technologien und den Möglichkeiten ihrer Nutzbarmachung im Kontext der Region Schleswig-Holstein ist eine der von der Technologiestiftung Schleswig-Holstein angewandten methodischen Ansätze.

Diese Suche erfolgt ergebnisoffen, erfordert die Zuführung und Verarbeitung vielfältiger Daten und Informationen und bezieht sich auch auf technologische Ansätze, die außerhalb des technologischen Mainstreams liegen. Hierfür unterhält die Technologiestiftung vielfältige Kontakte zu Technologieakteuren in der Region, in Europa und in den USA. Die Pflege solcher Netzwerke ist zeitlich aufwendig. Ohne die damit gegebenen Kontakte ist der Zugang zu relevanten Informationen und die Einwerbung von EU- oder Bundesmitteln jedoch weniger aussichtsreich.

Wenn die Informations- bzw. Wissensgesellschaft die Unsicherheit erhöht, dann tritt der Experimentiercharakter vieler Aktivitäten stärker zutage. Die Bereitschaft und die Fähigkeit zu technologischem und methodischem Experimentieren wird eine zentrale Voraussetzung für die erfolgreiche Übersetzung des Nichtwissens in Forschungsstrategien zur Wissenserzeugung. Auch solche Auflösung des Nichtwissens in bearbeitbare Probleme und machbare Lösungen gehört zum Aufgabenspektrum der Technologiestiftung Schleswig-Holstein.

Die experimentelle Methode gilt auch für die Einbeziehung von Querdenkern in die von der Technologiestiftung Schleswig-Holstein aufgebauten Strukturen und Projekte. So finden neue, auch unorthodoxe Gedanken Zugang zu bereits bestehenden Ansätzen und Konzepten. Ungewöhnliche Kombinationen wissenschaftlichen, akademischen oder praktischen Wissens entstehen. Nicht selten können sie einen Beitrag zur Lösung einer technologischen Herausforderung leisten oder eine Marktnische erschließen.

Vertrauen schaffen

Die Komplexität der Förderaktivitäten ist aufgrund der breiten Ausrichtung, des ausdifferenzierten Kreises der Zuwendungsempfänger und der Zielrichtung der Zuwendungen nicht mit üblichen Förderprogrammen vergleichbar. Die Erfahrungen zeigen, dass die eingehenden Anträge sehr unterschiedlich ausgerichtet und oft unstrukturiert sind. Daraus kann sich im Einzelfall unter Umständen ein höherer Grad an Erfolgsrisiko hinsichtlich der Zielerreichung ergeben als er bei anderen Förderaktivitäten üblich ist. Wo innovative Technologien entwickelt und unterstützt werden, gibt es in der Regel keine Vergleichsfälle, aus denen sich ein enges Gerüst von Förderformalien ableiten ließe. Für die Betreuung der Projektantragsteller bedeutet dies einen hohen Aufwand, da die Technologiestiftung auch bei Projektideen, die in der beantragten Form nicht förderungswürdig sind, gemeinsam mit den Antragstellenden nach einer Neubestimmung sucht, die eine Unterstützung im Rahmen des Arbeits- und Grundsatzprogramms der Technologiestiftung möglich macht. Selbstverständlich orientiert sich das Entscheidungsverfahren bei Projektförderanträgen auch an Einzelkriterien wie Bedarf, Erfolgschancen, Umweltverträglichkeit, Zukunftsorientierung, Zweckmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Dringlichkeit. Es wurde aber bewusst in diesem operativen Bereich auf ein formalisiertes Verfahren verzichtet. Die Gewährung von hohen Freiheitsgraden auch bei den Antragstellenden wird als ein wichtiges kreatives Element bewusst eingesetzt und trägt auch zur hohen Motivation bei den Kooperationspartnern der Technologiestiftung bei. So aufwendig dieses Verfahren ist, so stellen sich in dem vertrauensbildenden Diskussions-Prozess und bei der gemeinsamen konstruktiven Suche deutlich kreative Ergebnisse ein.

Die Verfolgung solch strategischer Gestaltungs- und Strukturierungsaufgaben im Bereich der Technologietransformation bzw. des Innovationsmanagements bedarf so einer beträchtlichen finanziellen und organisatorischen Unabhängigkeit. Im Falle der Technologiestiftung Schleswig-Holstein ist diese in ausreichendem Ausmaß gegeben, so dass Arbeitsprogramm und Schwerpunktsetzungen weitgehend unabhängig von der Entwicklung der Landeshaushaltsmittel und von politischen Zwängen der Legislaturperiode bestimmt werden können.

Bei einer hohen Flexibilität in Schwerpunktsetzung und Methodenwahl, insbesondere in der Kombination verschiedener Methoden bei der Erschließung und/oder Entwicklung eines Technologiefeldes, übernimmt die Technologiestiftung Schleswig-Holstein – häufig erleichtert durch das bei ihr konzentrierte Metawissen über das regional vorhandene technisch-organisatorische Potenzial – im Grundsatz nur eine Anschubfunktion: Sie initiiert, liefert Ideen, wirft neue Fragestellungen auf oder führt potentielle Partner in Dialogen zusammen. Diese anschiebende Funktion erfordert eine enge Kooperation mit denjenigen Landesbehörden, Institutionen und Verbänden, die – nach der Strukturierung durch die Technologiestiftung – die dann stärker routinierten Tätigkeiten im jeweiligen Technologiefeld fortsetzen. Dies ist der Hintergrund, vor dem die Technologiestiftung Schleswig-Holstein eine Vielzahl an Projekten bei der Technologie-Transfer-Zentrale gefördert hat.

Als Ziele der Förderung lassen sich folgende Aspekte identifizieren:

  • In Schlüsselbereichen soll die langfristig orientierte wirtschaftsnahe Forschung in Kooperation von Industrie, anwendungsnahen Forschungseinrichtungen, Fachhochschulen und Universitäten so ausgebaut werden, dass die Innovationskraft der Unternehmen in Schleswig-Holstein nachhaltig gestärkt wird.
  • Bei der Auswahl von Forschungsschwerpunkten sollen vorhandene Technologie-Potenziale, langfristige Marktperspektiven und das endogene Potenzial der Wirtschaft des Landes mitberücksichtigt werden.
  • Die Bereitschaft von Wissenschaftlern und Unternehmern zur Zusammenarbeit soll gestärkt werden.
  • Die Geschwindigkeit der Umsetzung von F&E-Ergebnissen in neue Produkte soll optimiert werden.

Eingebettet in eine Gesamtschau, d.h. unter Berücksichtigung anderer technologischer Innovationen im selben Technologiefeld und möglicher Konvergenzen zu Entwicklungen in anderen Technologiefeldern, erlaubt die Förderphilosophie der Technologiestiftung Schleswig-Holstein die Förderung auch dann, wenn der Erfolg nicht sicher abschätzbar ist. Im Anschluss an einen Grundgedanken der Stiftungstätigkeit – der Kombination von systematischer Analyse und frei assoziierender Suche nach technologischen Innovationen – ist dies auch bewusst so gewollt, um den innovativen Gedanken der beabsichtigten Konzeption in die Förderphilosophie einzubringen.

7. Aktivitäten der Technologiestiftung Schleswig-Holstein

Methodik: Die Entwicklung neuer Technologien beginnt meist aus einer diffusen, sehr wenig strukturierten Ausgangslage heraus. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse und bestehende Technologien weisen Perspektiven auf, ohne dass deren Nutzungszweck bereits klar erkennbar ist. Meist besteht noch keine Validierung für bestehende Hypothesen (Phase A). Aus methodisch-prozessualer Sicht beobachtet die Technologiestiftung Schleswig-Holstein solche Entwicklungen und versucht frühzeitig Anstöße für eine zukunftsorientierte Entwicklung in Schleswig-Holstein zu geben. In dieser Phase sind die Erfolgsaussichten der Technologie jedoch noch unsicher, eine tatsächliche Realisierung von anwendungsorientierten Vorhaben liegt nicht in einem kurzfristigen Zeitrahmen.

Häufig führt erst die Kombination von unterschiedlichen Technologien zu einem neuen technologischen Quantensprung. Erst eine solche Konvergenzsituation entscheidet über die sprunghafte Ausdehnung der Anwendungsfelder einzelner Technologiebereiche.

Um eine entsprechend starke Querschnittsorientierung und ein breites Wissensspektrum abzusichern, bedarf es vielfältiger Formen der Informationsgewinnung. Diese reicht von der Einbindung der Technologiestiftung Schleswig-Holstein in informelle Netzwerke über die gezielte Informationsabfrage bei Experten bis zu Workshops, Studien und Potenzialanalysen zur Abschätzung der möglichen Bedeutung neuer Technologiefelder. Nachdem ein neues Technologiefeld definiert ist und erste gesicherte Erkenntnisse sowie Entwicklungsperspektiven vorliegen, beginnt eine intensive wissenschaftliche Bearbeitung des Themas an verschiedensten Einrichtungen. Nicht selten finden solche Innovationen außerhalb der Hochschulen statt; sie werden dort jedoch später aufgenommen und bearbeitet. Dabei schafft die miteinander konkurrierende Wissenschaft eine hohe Innovationsrate. Nachdem eine Vorauswahl über zukunftsträchtige Technologiefelder erfolgt ist, leistet die Technologiestiftung Schleswig-Holstein durch gezielte Maßnahmen einen unterstützenden oder auch anschiebenden Beitrag zu der weiteren und beschleunigten Entwicklung des Technologiefeldes, um eine breite technologische Strukturbildung zu erzeugen.

Die Maßnahmen sind auch in dieser Phase mit einem relativ hohen Unsicherheitsgrad behaftet. Die Projekte dienen daher immer auch der Methodenentwicklung hinsichtlich struktureller Hürden für den allgemeinen Einführungsprozess neuer Technologien. Im Einzelnen zählen zu den von der Technologiestiftung Schleswig-Holstein durchgeführten Maßnahmen in dieser Phase B

  • die Förderung der Schwerpunktbildung an Fachhochschulen, um sie als Kompetenzzentren für den themenbezogenen Technologietransfer in die Wirtschaft zu etablieren,
  • die Förderung der technischen Infrastruktur zur Bearbeitung von ersten anwendungsorientierten wissenschaftlichen Fragestellungen,
  • die Qualifizierung von Prozessmoderatoren, die für die Wirtschaft als Ansprechpartner zur Verfügung stehen und Methoden für die angewandte Technologienutzung entwickeln (dieser Ansatz wird im Transferprozess oft vernachlässigt; ohne ihn ist ein breiter Technologietransfer jedoch nicht erfolgreich),
  • Veranstaltungen, um die anwendungsnahe Bedeutung von Technologien Multiplikatoren und der breiten Öffentlichkeit zu vermitteln,
  • Potenzialanalysen, um das wirtschaftliche Potenzial neuer Technologien für Schleswig-Holstein zu erschließen sowie
  • die Vorbereitung von Kontakten für eine wirtschaftliche Nutzung von Erkenntnissen bzw. als ergänzende Maßnahme für die Einwerbung von Drittmitteln.

In der Phase C, die als Übergang von der wissenschaftlich-technologischen zur wirtschaftlich-technologischen Innovation zu bezeichnen ist, ist der wissenschaftliche Erkenntnisprozess weitgehend zum Stillstand gekommen. Ein Anwendungsbezug ist jedoch auf Grund der technischen Probleme und ungelöster wichtiger Detailfragen sowie der für die Anwendung notwendigen Verschneidung verschiedener Technologiefelder noch nicht erfolgt. Eine Beteiligung mittlerer und kleinerer Firmen an dem Innovationsprozess scheitert an mangelnden finanziellen und personellen Mitteln. Das Know-how ist im Wesentlichen an Forschungseinrichtungen konzentriert. Das prozessorientierte Wissen zur Entwicklung von marktorientierten Anwendungen fehlt jedoch weitgehend. Daher trägt die Technologiestiftung Schleswig-Holstein durch ihre Aktivitäten Nutzenaspekte in die Öffentlichkeit. Auf der Seite der Wissenschaft wird durch die Förderung von konkreten Kooperationsvorhaben das Bewusstsein für die Möglichkeiten des Technologietransfers erweitert. Der Nutzungsprozess von Know-how aus der Wissenschaft in die Wirtschaft wird verstärkt. Die Rolle von Hochschulen und Fachhochschulen als Träger der anwendungsorientierten Technologienutzung wird gestärkt. Die Förderprojekte dienen darüber hinaus der Methodenentwicklung hinsichtlich struktureller Hürden für den allgemeinen Umsetzungsprozess neuer Technologien in die Wirtschaft.

In der Phase D, der unmittelbaren Unterstützung der Unternehmen, spielt die Technologiestiftung Schleswig-Holstein keine direkt gestaltende Rolle mehr. Dies ist Aufgabe der technischen Dienstleister, deren Informationen und Impulse aber von der Technologiestiftung Schleswig-Holstein auch kommuniziert werden.

Umsetzung: In der Tätigkeit der Technologiestiftung Schleswig-Holstein wird zwischen »harten« und »weichen« Projekten unterschieden. Die harten Projekte umfassen vor allem den Bereich der technologischen F&E-Förderprojekte. Diese Projekte stellen für die Technologiestiftung Schleswig-Holstein den Zugang zur Entwicklungsplanung der Hochschulen dar und bieten somit direkt die Möglichkeit, technologische Innovationen in die Hochschulen zu tragen. Instrument dafür ist insbesondere die Förderung von Personal-, Sach- und Ausstattungskosten im Rahmen von Kooperationsprojekten zwischen Wissenschaft und Wirtschaft.

Fördermaßnahmen fügen sich in einen umfassenderen Prozess der Strategiefindung ein, dessen Meilensteine die folgenden sind:

  1. Expertise und Entwicklung eines Szenarios der zukunftsträchtigen Technologiebereiche und ihrer Relevanz für Schleswig-Holstein.
  2. Auftakt-Workshop mit den Akteuren: Problemaufriss, Einführung in den Gesamtprozess und Konsensbildung, Erwartungsartikulation.
  3. Potenzialanalyse.
  4. Stärken-Schwächen-Profil und Portfolio für S-H in den ausgewählten Technologiefeldern: Bewertung des vorgefundenen Potenzials, Identifikation von Schwachstellen, Lokalisierung der Potenziale in einem Technologie-Portfolio.
  5. Festlegung von Handlungsfeldern und Diskussion der Entscheidung mit den Beteiligten.

Die Entscheidung für die Verstärkung oder den Neuaufbau bestimmter Technologiepotenziale einer Region hat immer eine längere Wirkungsfrist: der Aufbau der Kapazitäten und die Lernprozesse der Nutzer verlangen Zeithorizonte von mehreren Jahren. Die Bindung von Kapital und Know-how ist dann meist so hoch, dass eine Tragfähigkeit der Entscheidung nur dann gesichert werden kann, wenn die Auswahl der technologischen Felder »strategisch« ist, d.h.

  • auf langen Zeithorizonten beruht,
  • die eigenen Stärken berücksichtigt,
  • die eigenen Schwächen im Vergleich zu konkurrierenden Regionen bewertet,
  • den erforderlichen Mitteleinsatz realistisch kennt,
  • die Zeit zwischen Technologieentwicklung und ihrer Nutzung verkürzen kann,
  • Störungen durch politische Klimawechsel umgeht.

Die Technologiestiftung Schleswig-Holstein verfolgt mit ihrem Transformationsansatz eher einen bottom-up Ansatz, indem sie auf der Basis wissenschaftlicher Erhebungen durch Einzelprojektförderung im Wissenschaftsbereich Nuklei schafft und dann direkt den betroffenen Bereich ansprechen kann, bzw. durch Einrichtung einer Stiftungsprofessur. Selbstverständlich ist sie aber für eine dauerhaft positiv wirkende Veränderung der Schwerpunkte und Strukturen darauf angewiesen, dass die Veränderungsprozesse von anderen (Technologie)-Akteuren aktiv getragen und fortgeführt werden. Dies gelingt nicht immer. Die anschiebenden Fördermaßnahmen der Technologiestiftung Schleswig-Holstein in den Bereichen Software, dünne Schichten und lonik beispielsweise sind in ihrer möglichen Breite von anderen Akteuren noch nicht aufgegriffen worden.

Die mit einer systematischen Erschließung dieser Felder verbundenen Chancen wurden unzureichend genutzt, u.a. weil Investitionen, die für eine kurzfristige Erschließung des Technologiefeldes notwendig gewesen wären, nicht bereitgestellt wurden. Wie die Grafik verdeutlicht, bedarf es kurzfristig massiver Investitionen statt eines auf einen längeren Zeitraum verstreuten Mitteleinsatzes, um einer Technologie zum Durchbruch zu verhelfen. Geschieht dies nicht, bleibt der zukünftige Nutzen dieser Technologie für Wirtschaft und Arbeitsplätze unsicher.

2000-09_KPF-TSH_Buch_Technologietransformation_09

Sensorik und Messtechnik

Die Sensorik ist ein Technologiefeld, das bereits breit ausdifferenziert ist: In vielen Technologien, wie z.B. in der Medizin-, Fertigungs- und Haustechnik, spielt Sensorik eine wichtige Rolle. In der Umwelttechnik sowie in der Mess- und Regeltechnik sind viele Verfahren ohne leistungsfähige, zuverlässige Sensorsysteme kaum noch denkbar. Dabei haben sich Sensoren unter dem Einfluss der Mikroelektronik zunehmend von einer reinen Signalumsetzung zu informationsverarbeitenden Modulen entwickelt.

Die Sensorik gehört zu den Schwerpunkten der Fördertätigkeit der Technologiestiftung Schleswig-Holstein. Frühzeitig wurden mit der Studie -Angewandte Sensorik in Schleswiq-Holstein die entsprechenden Potenziale im Land sichtbar gemacht – sie liegen in einzelnen Bereichen deutlich über dem Bundesschnitt – und durch eine Markttransparenz und Sensibilisierung für diese Zukunftstechnologie fördernde Datenbankrecherche ergänzt. Mit einer Themenausgabe »Sensorik« hat der Technologie-Dialog die Kenntnis der Sensorik-Szene im Land verbessert. Angesichts eines in Schleswig-Holstein vorhandenen erheblichen und ausbaufähigen Potenzials, insbesondere in der Umweltsensorik sowie bei chemischen und optischen Sensoren, hat die Technologiestiftung von Beginn an auch Projektanträge in diesem Technologiefeld gefördert. Die zeitweise diskutierte Idee der Errichtung eines Forschungsinstituts für Sensorik wurde von den Gremien der Technologiestiftung zugunsten eines Ausbaus dieses Schwerpunktes durch Projektförderung verworfen.

2000-09_KPF-TSH_Buch_Technologietransformation-33

Die Unterstützung innovativer Sensorik-Entwicklungen und die Förderung entsprechender Technologie-Potenziale an den Hochschulen des Landes wird von der Technologiestiftung kontinuierlich betrieben. Die jeweiligen Einzelmaßnahmen sind für die an Kooperationsprojekten beteiligten Unternehmen nützlich und wichtig, wenn auch wenig spektakulär. Angesichts der großen Zahl der Anwendungsbereiche von Sensoren, bei denen es immer wieder innovative Einzelentwicklungen, aber selten paradigmatische Umbrüche gibt, ist eine Fokussierung der Förderung auf einzelne Sensortypen nicht sinnvoll. Auch hier müssen aber Technologien oft im frühen Stadium an den Hochschulen entwickelt werden. Anwendungsbereiche entstehen dabei umso eher, je deutlicher sich diese Innovationstätigkeit an industriellen Standards orientieren kann.

Biotechnologie

Bio- und Gentechnologie gelten mit der Vielzahl ihrer Anwendungsfelder und aufgrund ihres Querschnittscharakters als wichtige Wachstumsbranchen, sind jedoch gesellschaftlich noch immer umstritten. In der Technologiestiftung gab es schon früh Projektförderungen, die diesem Bereich zugeordnet werden können, etwa im Bereich der biologischen Schädlingsbekämpfung (Nematoden). Mit einem Workshop hat die Technologiestiftung 1993 zur Versachlichung der Diskussion beigetragen und selbst zunächst eine Konzentration der Förderung der Biotechnologie im grünen Bereich vorgenommen, nachdem ein Statusbericht das Augenmerk insbesondere auf Anwendungen in den Bereichen Pflanzenzüchtung, Lebensmitteltechnologie, Umweltbiotechnologie und Biosensorik gelenkt hatte. Bei der Projektförderung wurden die Zukunftschancen der Technologie, der Nutzen für die Region und der Beitrag zur Schaffung kritischer Masse in der Wirtschaft hoch bewertet. In den vergangenen Jahren konnte eine Entideologisierung des Themas erreicht werden.

Die steigende Zahl eingehender Anträge aus dem Bereich Biotechnologie, einer Branche, die mit einer F&E-Quote von 15-17% besonders forschungsintensiv ist, veranlasste die Technologiestiftung Schleswig-Holstein zu einer Vertiefungsanalyse über biotechnologische Unternehmen in Schleswig-Holstein. Nach dieser FhG-Untersuchung handelt es sich mehrheitlich um KMU in den Bereichen Umwelt, Ernährung und Landwirtschaft (grüner Bereich), die über dem Bundesdurchschnitt vertreten sind. Während aber im Bundesgebiet für den Zeitraum zwischen 1980 und 1990 eine deutliche Steigerung der Innovationsdynamik zu erkennen ist, ist diese in Schleswig-Holstein auf gleichem Niveau geblieben. Mit der von der ttz GmbH betreuten Arbeitsgemeinschaft Biotechnologie-Nord und der durch das MWTV forcierten Teilnahme am Wettbewerb BioRegio sollten in der Folgezeit Potenziale im Land aktiviert, die Kooperation mit Hamburg forciert und nach außen dokumentiert werden, dass Schleswig-Holstein diesen Technologien gegenüber aufgeschlossen ist. Um dem gewachsenen Interesse regionaler Akteure an der Biotechnologie zu entsprechen, fasste der Stiftungsrat der Technologiestiftung Schleswig-Holstein im Oktober 1995 den Beschluss, die Erträge der ursprünglich für eine IAO-Außenstelle gedachten Zustiftung prioritär für die Unterstützung von biotechnologischen Projekten zu verwenden.

In der Folgezeit erhöhte sich – unter anderem durch ein von der Technologiestiftung Schleswig-Holstein initiiertes und der ttz GmbH umgesetztes Projekt – die Nachfrage nach Förderung: Etwa 20 Projekte mit einem Gesamtvolumen von ca. 2,5 Mio. Mark wurden gefördert. Das Projektscreening kann sich auf den im Rahmen der BioRegio-lnitiative erarbeiteten Fundus und eine thematisch spezialisierte Innovationsberaterin der Technologie-Transfer-Zentrale stützen. Während es 1995/96 in der Debatte noch um die grundsätzliche Möglichkeit von Biotechnologieprojekten in Schleswig-Holstein ging, ist heute biotechnologische Forschung in der Region an den Hochschulen und in Unternehmen fest etabliert und auch nach außen vertreten.

Weil in Schleswig-Holstein inzwischen ein umfangreiches Entwicklungspotenzial entstanden ist, die Initiativwirkung der Förderungen also inzwischen gegriffen hat, sind die Qualitätskriterien bei der Förderung 1998 angehoben worden. Zugleich darf nicht übersehen werden, dass nur 50% echte Kooperationsprojekte zwischen Wirtschaft und Wissenschaft sind. Zwar hat es Unternehmensgründungen gegeben, aber eine nachhaltig wirkende Struktur im Feld der Biotechnologie, die außerordentliche Innovationsvorsprünge hätte erarbeiten können, ist erst in Ansätzen zu erkennen. Ausgründungen, die unter dem Gesichtspunkt der Schaffung eines entsprechenden Forschungs- und Dienstleistungsmilieus bzw. der Cluster-Bildung wünschenswert sind, hat es gegeben, sind aber mit hohen Kosten belastet und würden daher stärkere Finanzierungshilfen benötigen.

Im Bereich der Bio- und Gentechnologie hat die Technologiestiftung Schleswig-Holstein sowohl den gesellschaftlichen Dialog forciert als auch endogene Potenziale aktiviert, Support-Strukturen angeboten und mit einer Schwerpunktförderung zum Aufbau von Strukturen beigetragen. Dabei hat sich wiederholt der Nutzen der neutralen Stellung der Einrichtung als wesentlich gezeigt, die eine bedeutende Grundlage für die zukunftsfähige Gestaltung des Themas in der Region war – abseits kurzfristiger politischer Tagesdebatten.

2000-09_KPF-TSH_Buch_Technologietransformation_10

Neue Materialien

Der Entwicklung neuer Werkstoffe und Materialien kommt auch zukünftig große Bedeutung zu: Die Technologiestiftung hat sich in diesem Handlungsfeld neben der Förderung innovativer Projekte, z.B. zur Verbesserung der Systemzuverlässigkeit von elektrisch leitenden Verbindungen bei mikroelektronischen Anwendungen, insbesondere um den Aufbau einer technologisch hochstehenden, anwendungsnahen Werkstoffforschung bemüht. Zukunftsfähige Förderungen gab es dabei u.a. bei den leitfähigen Polymeren und im Bereich der Ionik. Insbesondere die lonik war Gegenstand intensiver Bemühung mit Transformationscharakter: Festkörperionenleitung ist heute eines der interessantesten Entwicklungsgebiete mit hoher Aussicht auf eine wirtschaftliche Umsetzung. Gleichwohl bestehen im Umsetzungsprozess hohe Hürden, die wesentlich aus dem Querschnittscharakter der Technologie zu erklären sind. Erforderlich ist sehr stark interdisziplinäres Denken und Projektarbeit, womit diese Technologie typische Anforderungen für eine moderne vernetzte technikorientierte Gesellschaft formuliert. Zu den relevanten Anwendungsfeldern der lonik in Schleswig-Holstein zählen die Sensorik, die Elektrochromie, die Entwicklung von Energiequellen für Chips sowie die Entwicklung von Pulsbatterien und die Photogalvanik. An der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel ist hochqualifizierte wissenschaftliche Kompetenz vorhanden. Hier hat die Technologiestiftung Schleswig-Holstein einen mehrgleisigen methodischen Ansatz verfolgt, um die in dieser Technologie liegenden Chancen für die Region auch ökonomisch nutzbar zu machen:

  • die Stärkung der anwendungsorientierten wissenschaftlichen Basis,
  • die Unterstützung von Kooperationen zwischen Wirtschaft und Hochschulen,
  • die Förderung des innovativen Umfelds durch Dialoge und Veranstaltungen, durch Workshops und Seminare,
  • die Einrichtung eines Stiftungslehrstuhls.

Bei den von der Technologiestiftung geförderten Projekten geht es unter anderem um die Entwicklung chemischer Sensoren mit festen Ionenleitern, die Entwicklung von elektrochromen Schichten und Dünnschicht-Batterien. Im Rahmen einer Potenzialanalyse für lonik in der Wirtschaft Schleswig-Holsteins, die auch der Bekanntmachung dieser Technologie und ihrer Möglichkeiten dienen sollte, haben ca. 60 von 450 angeschriebenen Unternehmen Interesse an derartigen lonik-Entwicklungen geäußert. Es wurde daher davon ausgegangen, dass bei einer schnellen Aufnahme der lonik durch die regionale Wirtschaft ein erheblicher Impuls für das Land ausgehen kann. Die technologische Basis für wirtschaftliche Innovationen ist da, allerdings fehlen Strukturen, die eine Umsetzung unterstützen. Erste Ansätze gibt es in Itzehoe, wo die Fraunhofer-Gesellschaft sich dieser Technologie angenommen und hochqualifizierte Arbeitsplätze geschaffen hat.

Die Technologiestiftung Schleswig-Holstein hat ein Konzept zur Einführung der lonik in die regionale Wirtschaft entworfen, das auch Finanzierungsvorschläge für die Gründung von lonik-Unternehmen enthält. Qualifiziertes Personal wird auch im Rahmen der geförderten Projekte ausgebildet, wandert jedoch mangels Möglichkeit aus der Region ab (Brain drain). Die Entstehung von Innovationsmilieus auf der Basis von im Bereich lonik tätigen Hochschulinstituten und Unternehmen ist bisher nicht zustande gekommen. Zwar werden Forschungsvorhaben abgewickelt, die Auftraggeber sind jedoch noch selten regionale Akteure. Es ist noch nicht gelungen, in der Wirtschaft Schleswig-Holsteins ein wirksames Nachfragepotenzial für die lonik zu wecken und dieses mit der Hochschulkompetenz zu kontinuierlich kooperierende nachhaltig wirksamen Nuclei zusammenzuführen, bei denen in bestandsfähigen Strukturen auch qualifiziertes Personal gebunden wird.

2000-09_KPF-TSH_Buch_Technologietransformation_11

Angesichts der noch immer wachsenden Bedeutung neuer Materialien, die insbesondere aus ihrer vielfältigen Nutzbarmachung auch für Technologiebereiche wie Sensorik und Informationssysteme resultiert, hat die Technologiestiftung 1998 eine Analyse der Potenziale der Oberflächen- und Schichttechnologien in Schleswig-Holstein veranlasst, um hieraus Handlungsoptionen und Empfehlungen ableiten zu können. Bereits heute gibt es an den Hochschulen des Landes innovatives Know-how und modernste Technologie. In absehbarer Zeit sollen die bereits begonnenen Schwerpunktsetzungen hinsichtlich ihrer Abstimmung auf die F&E-Erfordernisse der regionalen Wirtschaft verfeinert werden.

Handelt es sich bei der Sensorik, Biotechnologie und lonik um »harte Technologien«, so zählt zum Aufgabenspektrum der Technologiestiftung Schleswig-Holstein auch die Bearbeitung »weicher Technologiethernen«. Diese sind komplexer, sowohl inhaltlich als auch in ihren Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft. Dabei geht um die Beachtung der Auswirkungen technologischer Innovationen in der langfristigen Einflussnahme auf soziologische und kulturelle Entwicklungen. Am umfassendsten ist dies von der Technologiestiftung Schleswig-Holstein bisher bei der Gestaltung der Informationsgesellschaft berücksichtigt worden (vgl. den Abschnitt zu RISI).

Informations- und Kommunikationstechnologien

Die Entwicklung und Diffusion der luK-Technologien haben die ökonomischen, gesellschaftlichen und sozialen Strukturen bereits umfassend geprägt. Dieser Prozess hält an und ist in seinen Auswirkungen auf die menschliche Umwelt noch immer nicht sicher prognostizierbar. Die Technologiestiftung Schleswig-Holstein hat im Rahmen ihrer Projektförderung von Beginn an technische Innovationen in diesem Bereich gefördert, so z.B. bei der digitalen Bildverarbeitung, der Datenkompression, der automatischen Sprach- und Datenerkennung oder in Gestalt einer Vielzahl von technischen Ausrüstungen. Zugleich hat sie frühzeitig – 1994 – Studien zu den gesellschaftlichen Auswirkungen dieser Technologien für das Landesparlament erstellt und damit Wege für die Bereitstellung von Finanzmitteln zur Gestaltung dieser Entwicklung geöffnet.

Für die Technologiestiftung war bei der Gestaltung dieses durch den Konvergenzcharakter der Technologien geprägten Feldes handlungsleitend, in einem komplexen und dynamischen Bereich technische Innovationen und regionales Know-how in Form

  • innovativer Softwarelösungen zu realisieren, die sich mit der Produktion, Sammlung, Speicherung und Handhabung sowie mit dem Transport und der Ausgabe von digitalen Daten/Informationen befassen;
  • von nutzerfreundlichen Hardware-Lösungen für technische Dienstleistungen aufzubauen;
  • dialogorientierter Strukturen zu schaffen (TiSCH), die als Kommunikations- und lnteraktionsplattformen technologie-orientierter Akteure genutzt werden (können) und
  • von Befähigungsaneignung als Möglichkeit der aktiven Teilhabe an technologischen Diskursen und Gestaltungsprozessen zu begleiten.

Die Investitionen in entsprechende Projektaktivitäten, etwa beim Schleswig-Holstein Forum, waren beträchtlich.

2000-09_KPF-TSH_Buch_Technologietransformation_12

Die Projektförderung im Feld der luK-Technologien ist einer der wesentlichen Schwerpunkte der Technologiestiftung Schleswig-Holstein seit der Gründung im Jahre 1991 gewesen. Dabei ist es zu einer abgestimmten Arbeitsteilung in den regionalen Hochschulstrukturen gekommen, in der z.B. die FH Kiel besondere Kompetenzen in der digitalen Videotechnik entwickelt, während sich die FH Flensburg im Bereich der Mobilkommunikation und Nachrichtentechnik profiliert hat. Beide Schwerpunktsetzungen korrespondieren eng mit der regionalen Nachfrage der Wirtschaft.

Qualifizierung

Technische Innovationen erfordern in immer kürzeren Abständen neue Qualifikationen. Der Qualifizierungsprozess darf sich dabei nicht an dem orientieren, was heute ist, sondern muss die innovativen Technologien von morgen zur Grundlage seiner Strukturen und Inhalte machen. Die Qualifizierung betrifft zudem verschiedene gesellschaftliche Aggregierungsebenen (vgl. Abbildung), woraus sich ein mehrstufiger Qualifizierungsbedarf und die Suche nach Werkzeugen ergibt, mit denen diesen neuen Anforderungen gerecht zu werden ist.

2000-09_KPF-TSH_Buch_Technologietransformation_13

Die Technologiestiftung hat zunächst vergleichsweise traditionelle Qualifizierungsprojekte gefördert, zum Beispiel die Entwicklung von Curricula. Hiervon ist sie jedoch bald abgekommen und hat sich umfassenderen Ansätzen zur Entwicklung von Befähigung (verstanden als allgemeinster Ausdruck von Kompetenz) zugewandt. Dabei kann etwa die Fähigkeit zur Artikulation und Teilhabe an Gestaltungsprozessen als eine wichtige Voraussetzung für eine Beteiligung an Aktivitäten zur Technologiefolgenabschätzung (TA) angesehen werden. Mit diesem umfassenderen Verständnis von Befähigung, in welches Aspekte des Handlings einer neuen Technologie ebenso eingehen wie Ansätze zur Herausbildung neuer Strukturen, hat die Technologiestiftung Schleswig-Holstein im Schul-, Hochschul- und Unternehmensbereich Projekte durchgeführt.

2000-09_KPF-TSH_Buch_Technologietransformation_14

Technologiefolgenabschätzung

Entsprechend der allgemeinen Aufgabenstellung, technologische Entwicklungen sozial- und umweltverträglich zu gestalten, ist die Technologiestiftung Schleswig-Holstein im Bereich der Technologiefolgenabschätzung (TA) tätig geworden. Einer Bestandsaufnahme regionaler TA-Aktivitäten und -Kompetenzen folgte ein viel beachteter Kongress zu Stand und Perspektiven der Technologiefolgenabschätzung. Der Schleswig-Holsteinische Landtag hat die mit der Technologiestiftung Schleswig-Holstein gebotenen Möglichkeiten genutzt und früh eine TA-orientierte Untersuchung der luK-Technologien angeregt. Im Laufe der Tätigkeit in diesem Handlungsfeld hat die Technologiestiftung Schleswig-Holstein ein TA-Verständnis entwickelt, dass die strategischen Stränge der Technologieprognostik (Foresight), der Analyse der Technikfolgen im engeren Sinne und der (Befähigung zur) Gestaltung des technologischen Wandels aufgrund der großen Dynamik technologischer Innovationen nicht als sequentielle Prozesse sieht, sondern als eng miteinander verknüpft und nahezu simultan ablaufend betrachtet. Die Technologiestiftung Schleswig-Holstein hat dies unter dem Begriff Panmedia zusammengefasst und damit intensiv und frühzeitig die gesellschaftliche Auseinandersetzung in Schleswig-Holstein angestoßen.

Am Beispiel der Initiative Informationsgesellschaft Schleswig-Holstein – einem von der EU und der Technologiestiftung paritätisch finanzierten Projekt – lässt sich dieser spezifische Ansatz veranschaulichen. Die Initiative bewegte sich in einem Technologiefeld mit größter Dynamik, wachsenden Konvergenzen und enormen Mächtigkeitsfaktoren und hat zunächst dieses Feld – nicht einzelne technologische Entwicklungen! – für die Region erschlossen. Durch eine breit angelegte Auseinandersetzung über Entwicklungstendenzen, Chancen und Risiken der luK-Technologien – und durch manches Mal unvermeidbare Konflikte – ist das ganze Land in einen komplexen Lern-Prozess verwickelt worden. Dieser hat politische Handlungszwänge erzeugt, wobei die Befähigung der Region zur qualifizierten Auseinandersetzung und Gestaltung dadurch so wirkungsvoll gefördert werden konnte, weil die Initiative die Vorausschau auf die technischen Innovationen mit einer Diskussion um deren Auswirkungen sowie mit konkreten Gestaltungsoptionen verband und aufgrund ihrer großen Autonomie auch hinsichtlich der Förderung von Projekten verbinden konnte. Diese wiederum waren mit der Erschließung, Aktivierung und Stärkung regional kompetenter Akteure verknüpft.

2000-09_KPF-TSH_Buch_Technologietransformation_15

In kleinerem Maßstab hat die Technologiestiftung Schleswig-Holstein ein entsprechendes Vorgehen, welches technologiegestaltende Aktivitäten wie etwa die Analyse, die Strukturbildung, den gesellschaftlichen Dialog, Qualifizierungsmaßnahmen, Technologieprognostik und Projektförderungen verknüpft, auch bei den Technischen Dienstleistern oder dem Projekt »Schulen ans Netz« in Schleswig-Holstein genutzt. Im Sinne der eingangs formulierten These hat die Technologiestiftung Schleswig-Holstein mit ihrem Verständnis der Technologiefolgenabschätzung Transformationsprozesse in gesellschaftlichen und ökonomischen Bereichen unterstützt.

8. Die Rolle der TSH bei der Gestaltung der Informationsgesellschaft

Es besteht kein Zweifel, dass die durch die Informations- und Kommunikationstechnologien verursachten Zwänge zu einer tiefgehenden Transformation wirtschaftlicher, sozialer, politischer und gesellschaftlicher Strukturen und Abläufe führen. Die Technologiestiftung Schleswig-Holstein hat für diese Entwicklung bereits zu Beginn der 90er Jahre den Begriff Panmedia geprägt. Dieser soll die Komplexität, Gesellschaftlichkeit und Totalität des Veränderungsprozesses markieren und damit über die vor allem technisch ausgelegte Bezeichnung Multimedia hinausgehen. Erst in jüngster Zeit wird dieses Verständnis jedoch aufgegriffen. Hierzu hat maßgeblich die Initiative Informationsgesellschaft Schleswig-Holstein beigetragen, die sich aus ersten Aktivitäten der Technologiestiftung Schleswig· Holstein zur Technologiefolgenabschätzung entwickelte und im Rahmen des europäischen Programms RISI (Regional Information Society Initiatives) mit Unterstützung der Europäischen Union von der Technologiestiftung Schleswig-Holstein in Schleswig-Holstein durchgeführt wurde.

Ziel der in zweiundzwanzig europäischen Regionen zeitgleich durchgeführten RISI-Projekte war es, eine den regionalen Ausgangslagen, Bedingungen und Möglichkeiten entsprechende Strategie für die Entwicklung der Informationsgesellschaft zu finden. Wenn eine Region bei der Gestaltung der Informations- und Kommunikationsgesellschaft erfolgreich sein will, dann muss ein tiefes Verständnis für die neuen Anforderungen, Strukturen und Prozesse der veränderten Funktion des Kommunikations- und Technologietransfers entstehen. Alte Beziehungen, z.B, zwischen Wirtschaft und Verwaltung, müssen sukzessive ersetzt werden durch neue nachhaltige Partnerschaften. Um die Entwicklung der Informationsgesellschaft beeinflussen zu können, benötigen Regionen daher

  • eine neue Hierarchie und Kommunikationsstruktur zwischen allen relevanten gesellschaftlichen Gruppen und Entscheidungsträgern;
  • eine neue Definition der jeweiligen Rollen;
  • eine Lösung der Frage, wer für bestimmte Aufgaben bezahlt sowie
  • ein gemeinsames Verständnis der Funktionen und Aufgaben der jeweiligen Partner bei der Gestaltung der Informationsgesellschaft.

Die mit der Entwicklung solcher Struktur- und Rollenverständnisse verbundene Strategieentwicklung – so ein Credo der Initiative Informationsgesellschaft Schleswig-Holstein – kann nur als Prozess erfolgreich sein, indem Entscheidungen für Strategien nicht als »einsame Entscheidungen« großer und/oder mächtiger Akteure fallen, sondern als Konsensfindungs-Prozess unter denjenigen, die die Strategie finden und umsetzen wollen. In einem solchen Prozess gibt es ständige Rückkopplungsschleifen von Analyse (Ist) und Zielsetzungen (Soll), von Handlung und Neuformulierung, von Strategieelementen und Handlungsleitlinien zur Erreichung von vier Zielen bei der Gestaltung der regionalen Informationsgesellschaft:

  • Soziale Nachhaltigkeit
  • Ökonomische Stabilität
  • Kulturelle Vielfalt
  • Umweltverträglichkeit

In diesem Sinne ist Strategieentwicklung also kein zu einem bestimmten Zeitpunkt abgeschlossenes Ereignis, sondern ein fortgesetzter Lernprozess zur Entwicklung, Erprobung und Erneuerung nachhaltiger Strukturen und Werkzeuge regionaler Entwicklung sowie einer neuen Kultur, die es ermöglicht, mit den vielfältigen Unsicherheiten umzugehen, die der dynamische Wandel mit sich bringt.

Diese Konstellation spiegelt sich in den unterschiedlichen Aneignungsstrategien neuer Technologien wider. Denn hinsichtlich der Dynamik von Verlaufsmustern alltäglicher Technisierungsprozesse, wie sie z.B. bei der Diffusion der luK-Technologien zu beobachten sind, lassen sich bestimmte Erfahrungen festhalten. So verläuft die Technisierung unterschiedlich schnell in verschiedenen Lebensbereichen und für verschiedene Gruppen; das Ergebnis ist eine technikinduzierte soziale »Spreizunq«. Denn die Aneignungsformen jeweils neuer Technologie sind äußerst verschieden in ihrer affektiven und kognitiven Orientierung. Neben der Kultivierung möglichst technikarmer Lebensformen und der konservativen bis skeptischen Annäherung sowie der durch Nützlichkeitserwägungen bestimmten Techniknutzung sind auch die modische oder anderweitig am äußeren Schein neuer Technik orientierte Annahme technischer Innovationen zu finden.

Die Technologiestiftung Schleswig-Holstein hat RISI bzw. die Initiative Informationsgesellschaft Schleswig-Holstein daher im Grundsatz als eine aktive regionale Lernstrategie verstanden, die mittels eines thematisch und methodisch weit gefächerten bottorn-up-Ansatzes möglichst vielen gesellschaftlichen Gruppen – je nach dem Grad der Vertrautheit mit dieser Technologie – die Möglichkeit bieten sollte,

  • eine erste Annäherung an diese neuen Technologien zu finden;
  • praktische Erfahrungen zu sammeln und Befähigung in der selbstbewussten Nutzung anzueignen;
  • die Chancen und Risiken der Diffusion dieser Technologien zu erkennen;
  • den Veränderungsbedarf in den Strukturen zu bestimmen und
  • eigene Vorstellungen zur zukünftigen Nutzung der luK-Technologien und der damit korrelierenden gesellschaftlichen Strukturen (etwa im Bildungssystem) in den Prozess der Strategiefindung einzubringen.

Im Rahmen dieses breiten gesellschaftlichen Dialogs war die lnitiative Informationsgesellschaft Schleswig-Holstein die Plattform für eine Vielzahl von Veranstaltungen und Projekten, aber auch von moderierter Strategiegruppen-Tätigkeit in zunächst sechs, schließlich in neun Handlungsfeldern:

  • Arbeit mit Zukunft, • Verwaltung online, • Medienkompetenz, • Kultur-, Arbeits- und Freizeitgestaltung, • Gesundheit, • Ökologie, • Bürgerrechte und Datenselbstschutzkompetenz, • Informationszugang für alle, • Dialog.

Die Kommunikationsaktivitäten von unten nach oben, wie zum Beispiel öffentliche Diskussionen, Workshops und Veranstaltungen, führten zu der angestrebten Aktivierung dieses Themas in der Region. Die Erfahrungen und Ergebnisse dieses awareness-building-Prozesses wurden gekoppelt mit den Diskussions- und Entscheidungsprozessen des regionalen Steuerungsgremiums, in dem sich unter Vorsitz der Ministerpräsidentin die regionale Entscheiderebene mit der Gestaltung der Informationsgesellschaft befasste.

In dem von der Technologiestiftung Schleswig-Holstein organisierten und moderierten Prozess entstanden so in den ersten zwölf Monaten über zweihundert Projektideen hinsichtlich der Gestaltung der Informationsgesellschaft in Schleswig-Holstein. Diese wurden in einem mehrstufigen Verdichtungsprozess schließlich in sechzehn Leitprojekten zusammengeführt bzw. mit Priorität versehen. Mit der Verabschiedung des Strategie- und Aktionsplanes, der Einrichtung eines Projektbüros und der Bereitstellung von Landesmitteln hat die Initiative Informationsgesellschaft Schleswig-Holstein Anfang 1999 eine stärker umsetzungsbezogene Phase erreicht.

Von besonderem Nutzen hinsichtlich der Erreichung der Projektziele war die mit dem RISI-Projekt verknüpfte Entwicklung eines Netzwerks zwischen den 16 RISI-Regionen, das – unter aktiver Mitwirkung der Technologiestiftung Schleswig-Holstein – zur Gründung von eris@ (European Regional Information Society Association) führte. Ein Aufgabenfeld von eris@ ist der interregionale Austausch von Erfahrungen mit dem Ziel des Aufbaus regionaler Kompetenz im europäischen Kontext. Der intensive Erfahrungsaustausch befasst sich nicht nur mit zukünftigen Entwicklungen, sondern auch mit der Reflexion aktueller Vorgänge und der Vorbereitung gemeinsamen Handelns und gemeinsamer Projektanträge auf internationaler Ebene.

2000-09_KPF-TSH_Buch_Technologietransformation_16

Für die Fortsetzung des intraregionalen Gestaltungsprozesses der Informationsgesellschaft liefert die interregionale Kooperation als Vergleichs- und Reflexionsebene wertvolle Hinweise auf Herausforderungen und zukünftige Lösungswege. Daneben haben die in Schleswig-Holstein im Rahmen der Initiative Informationsgesellschaft gewonnenen Erkenntnisse über strategische Prozesskomponenten nichts an Bedeutung verloren. Diese umfassen jenes Selbstverständnis, jene Maßnahmen und Mechanismen, die einer Erstarrung des Gestaltungsprozesses entgegenwirken, notwendige Anpassungen ermöglichen und konzentriert in dem von der Technologiestiftung Schleswig-Holstein betreuten Handlungsfeld Dialog zum Tragen kommen:

  • die Fortsetzung vielfältiger interdisziplinärer Dialoge über die Gestaltungserfordernisse der Informationsgesellschaft, so dass die Auseinandersetzung um Chancen und Risiken des dynamischen Wandels nicht alleine Spezialisten überlassen bleibt;
  • die Einbettung der Gestaltungsaktivitäten in eine Kultur des Wandels, die zu kritischer Offenheit gegenüber den Möglichkeiten der luK-Technologien anregt;
  • eine zielführende Abstimmung der Akteure des privatwirtschaftlichen, des öffentlichen und des non-governmental-Sektors, die den unternehmerischen Charakter der Gestaltungsaufgabe betont, ohne die wichtige Rolle zu verkennen, die der Staat als Initial- und Kernkunde bei der Einführung neuer luK-Anwendungen sowie bei der Initiierung, Mobilisierung, Moderierung und Koordinierung von Endnutzergruppen und der breiten Öffentlichkeit spielen kann;
  • der Aufbau und die Unterstützung nachhaltig tätiger Kooperations- und Netzwerkstrukturen, deren transinstitutioneller Charakter sich aus der Vielschichtigkeit der Wirkungen der luK-Technologien ergibt und die zugleich als Trägerinnen eines gegenseitigen Know-how-Transfers nutzbar gemacht werden können;
  • die Umsetzung eines abgestuften Aktivierungskonzepts, das sich nicht nur an die wichtige, aber quantitativ kleine Zahl der innovativen Akteure wendet, sondern auch Breitenwirkung entfaltet;
  • das Kommunizieren der innovativen Ressourcen, des Willens und der Kompetenzen zur Gestaltung der Informationsgesellschaft inner- und außerhalb des Landes – nicht zuletzt, weil diese Faktoren zunehmend Standortentscheidungen von Unternehmen beeinflussen;
  • die aktive Bereitschaft, bei der Gestaltung der Informationsgesellschaft die Zusammenarbeit und den Know-how-Transfer mit anderen europäischen Regionen und sinnvolle Kooperationen mit den angrenzenden Bundesländern bzw. wichtigen Medienstandorten zu suchen sowie
  • die Evaluierung und laufende Fortschreibung zentraler Dokumente und Maßnahmen zur Gestaltung der Informationsgesellschaft.
2000-09_KPF-TSH_Buch_Technologietransformation_17

Im Rahmen der Fortsetzung der Initiative Informationsgesellschaft Schleswig-Holstein als Teil des europäischen Programms RISI+ finden diese strategischen Prozesskomponenten Eingang in die Aktivitäten der regionalen Akteure und sind wichtige Stützen des Transformationsprozesses der Region Schleswig-Holstein. Die Technologiestiftung Schleswig-Holstein betreut dabei das strategisch bedeutsame Handlungsfeld Dialog, das als Relaisstation für eine Vielzahl von Aktivitäten, Projektideen und Strukturdebatten fungiert.

2000-09_KPF-TSH_Buch_Technologietransformation_18

Zu den dringlichsten Fragen, die hinsichtlich der Auswirkungen und Gestaltungsnotwendigkeiten in der Informationsgesellschaft zu bearbeiten sind, gehören in Schleswig-Holstein

  • die zukünftige Verwendung der Strukturfondsmittel der Europäischen Union, die – flexibel und zielgerichtet eingesetzt – erhebliche Möglichkeiten auf dem Weg in eine nachhaltige Informationsgesellschaft bieten;
  • die Herstellung einer umfassenden Befähigung der Menschen in der Region zum selbstbewussten Umgang mit luK-Technologien im Sinne einer Informationsgesellschaft für alle;
  • die Entwicklung und Umsetzung zukunftsfähiger Strukturen im Bildungsbereich (Structures of Learning), die neue Aufgaben- und Rollenzuschreibungen der Institutionen und ihrer Vernetzung miteinander mit sich bringt;
  • der Aufbau von Simulationskapazitäten und -verfahren, um beispielsweise Entscheidungsstrukturen für Technologiefelder entwickeln zu können, die sich noch dynamischer entwickeln als die luK-Technologien in den vergangenen fünfzehn Jahren.

Für die Bearbeitung solcher Problemstellungen hat die Technologiestiftung Schleswig-Holstein umfangreiches Methoden- und Prozess-Know-how aufgebaut. Die Kooperation mit Regionen im europäischen Ausland ist ein notwendiger Beitrag sowohl für die Weiterentwicklung dieser spezifischen Kompetenz wie für die Gestaltung der Informationsgesellschaft in Schleswig-Holstein. Im Prozess des Zusammenwachsens der Ostseeregionen nehmen luK-Technologien einen wichtigen Platz ein: Mit dem Projekt der BIT-Häuser, welches in enger Kooperation mit der schwedischen RISI-Region Blekinge angeschoben wurde, entsteht auch in Schleswig-Holstein (Leck) eine Plattform, um Testanwendungen für Bürger und KMU zu erproben. Die Technologiestiftung Schleswig-Holstein beteiligt sich dabei intensiv an der interregionalen Koordination, und stärkt damit die Stellung Schleswig-Holsteins im Prozess der Ostseekooperation und setzt einen ihrer zusätzlichen Schwerpunkte in die Evaluation des Projektes, so dass ein Höchstmaß an Produkt- und Prozess-Know-how aus dem Gesamtprojekt wieder nach Schleswig-Holstein transferiert werden kann.

9. Perspektiven

Die Perspektiven von Technologietransformations- wie Technologietransferprozessen sind dadurch gekennzeichnet, dass die Dynamik technologischer Innovation weiter zunehmen wird – insbesondere durch die vielfachen Konvergenzen von Technologien. Zugleich steigt der Druck auf die Unternehmen durch die fortgesetzten Globalisierungstendenzen an. Dies stellt nicht nur die Unternehmen in einen komplizierter werdenden Wettbewerb und bringt neue Herausforderungen hinsichtlich des Innovationsmanagements, sondern führt auch zu besonderen Anforderungen an die staatlichen oder privaten Strukturen, die die gesellschaftlichen, wirtschaftsstrukturellen oder (einzel)wirtschaftlichen Adaptationsprozesse initiieren, moderieren oder fördernd begleiten.

Für die Technologiestiftung Schleswig-Holstein ergeben sich aus den bisherigen Erfahrungen drei wichtige Erkenntnisse.

  1. Die Förderung der Entwicklung sog. „weicher Faktoren« durch prozessbezogene Investitionen wird von staatlicher Seite immer noch vielfach unterschätzt. Zwar ist gemeinhin akzeptiert, dass Qualifizierung und Kompetenz wichtige Standortfaktoren sind, die den Unternehmen und der Wettbewerbsfähigkeit zu Gute kommen. Unterschätzt werden aber wohl noch immer solche »weichen Faktoren«, die weniger greifbar oder in verallgemeinerbaren Maßnahmen operationalisierbar sind, wie z.B. das Schaffen von Befähigung im Sinne der Möglichkeit des Sich-auf-Neues-einlassen-Könnens als Vorstufe von systematisierten Qualifizierungs- und Lernprozessen. Solche Faktoren sind in ihrer Unschärfe schwer zu greifen und zu gestalten, in ihrer gesellschaftlichen Wirkmächtigkeit – im vorwärtstreibenden wie im bremsenden Sinne – aber von beträchtlicher Relevanz. Was der Technologiestiftung Schleswig-Holstein mit dem Projekt Initiative Informationsgesellschaft ansatzweise gelungen ist, nämlich die Verknüpfung der verschiedenen Stränge einer Technologiefolgenabschätzung, die zugleich Technologiegestaltung ist, wäre zu verallgemeinern und dabei methodisch zu präzisieren und weiterzuentwickeln. Das zentrale Ziel entsprechender Aktivitäten wäre es, entsprechend den existierenden unterschiedlichen Befähigungs- und Qualifikationsniveaus zu einem breit verankerten Verständnis zu kommen, welche Technologien in welcher Anwendung für die Region nutzbar gemacht werden sollen und können. Dies wäre ein Beitrag zur produktiven Aufhebung des Spannungsverhältnisses zwischen der Dynamik global stattfindender technologischer Innovation und den fortbestehenden Gestaltungsnotwendigkeiten auf regionaler Ebene.
  2. In den Mittelpunkt ihrer Förderaktivitäten hat die Technologiestiftung den Aufbau einer dienstleistungsorientierten, unternehmensnahen Forschung mit hohem Anwendungsbezug an den Hochschulen des Landes gestellt. Daran hat sich die Unterstützung der Schwerpunktsetzung an den Fachhochschulen ebenso orientiert wie die zeitlich befristete Beteiligung an den Fachhochschul-GmbHs und die Förderung von technischer Ausstattung und personeller Kompetenz. Eine solche Strukturgestaltung, die durch die Verbesserung der Rahmenbedingungen die Wettbewerbspositionen von Unternehmen in der Region und deren Möglichkeiten zur Entwicklung innovativer Produkte verbessert, ist inzwischen angesichts der technologischen Dynamik nicht mehr ausreichend. Um tatsächlich mit neuen technologischen Entwicklungen früh am Markt zu sein oder gar Märkte zu schaffen, bedarf es auch von Seiten der Technologiestiftung einer aktiveren Rolle innerhalb der von ihr mitgestalteten Strukturen, z.B. bei der raschen Verwertung zukunftsfähiger technologischer Entwicklungen. Diese dauert derzeit in vielen Fällen aufgrund fehlenden Kapitals und unzureichender Marktübersicht zu lange, so dass mögliche Wachstums- und Beschäftigungseffekte geringer ausfallen als möglich.
  3. Die Durchsetzung von Basis- und Breiteninnovationen führt dazu, dass bisherige Verhaltensmodi, Kompetenzen und Strukturen nicht mehr angemessen sind, um die Zukunft zu gestalten. Sie müssen daher angepasst oder ersetzt werden. Solche Verschiebungen im gesellschaftlichen Machtgefüge bedürfen einer fortgesetzten Neubestimmung des Verhältnisses von Markt und Staat, Oligopolen und Individuen. Die dafür notwendigen – oft kontroversen – Diskussionen anzuregen, ist eine der Funktionen der Technologiestiftung Schleswig-Holstein als Frühindikator für das Handeln der Akteure im technologischen und politischen Feld. Die Technologiestiftung Schleswig-Holstein fokussiert damit auf langfristige, komplexe technologische und kulturelle Transformationsprozesse der gesellschaftlichen Strukturen. Sie unterscheidet sich von Institutionen, die sich auf die einzelbetriebliche Unterstützung oder Förderung konzentrieren, indem sie das Augenmerk auf die Veränderung der regionalen Technologiestrukturen und -kulturen insgesamt legt. Insbesondere die luK-Technologien bringen neue Herausforderungen mit sich, die nicht nur eine neue Kultur der Handhabung von Technologie und Innovation einerseits bedeuten sowie die Notwendigkeit zur Gestaltung veränderter Strukturen in der Region andererseits mit sich bringen, sondern insbesondere eine höhere Dynamik des Zusammenhangs dieser Kultur- und Strukturaspekte zum Ausdruck bringen. In diesem Sinne ist die Tätigkeit der Technologiestiftung Schleswig-Holstein denn auch mehr Transformation als Transfer. Der Transfer bezieht sich vor allem auf einzelne Technologien und deren Umsetzung in die Unternehmen. Transformation hingegen zielt auf Strukturen, soziale Kompetenzen und Befähigungen zu einer Kultur des Wandels, in denen Transfers in der Region stattfinden. Der Umgang mit Neuem und Innovativem ist nicht schematisch plan- und bearbeitbar. Zur Transformation gehört damit auch der Freiraum für Experimente und der Mut zur Unkonventionalität.

Wenn sich an der Schwelle zum nächsten Jahrhundert die Bedingungen für Unternehmen und Hochschulen ändern, dann kann für Agenten des Technologietransfers und der Technologietransformation nicht alles beim Alten bleiben. Es geht um die Innovation der Innovations- und Entscheidungsstrukturen in Staat, Wissenschaft und Bildungssystem, denn die zunehmend erforderliche Geschwindigkeit der Anpassung wird auch in staatlichen Strukturen ihren Niederschlag finden müssen. Im Ergebnis werden für die Gestaltung wissensbasierter Themen neue Zugriffs- und Zuordnungsformen entwickelt werden müssen, die quer zu den derzeit bestehenden Ressorts und Zuständigkeiten liegen und sich durch Multidimensionalität und Transdisziplinarität auszeichnen werden.

Dieser Weg in die Wissensgesellschaft bringt neue Anforderungen mit sich. Wie bereits bei der Gestaltung der Informationsgesellschaft, so wird die Technologiestiftung Schleswig-Holstein auch diese Herausforderung aktiv annehmen, besonders angesichts der Tatsache, dass der neue Transformationsprozess auf einer durch die luK-Technologien bereits dynamisierten Grundlage stattfinden wird. Besonderes Augenmerk muss in der sich bereits abzeichnenden Umbruchphase der wachsenden Technologiekonvergenz gewidmet werden, d.h. beispielsweise der Verknüpfung von Technologiefeldern wie Informations- und Kommunikationstechnologie mit den neuen Möglichkeiten der Opto-Technologien. Als strategiefähiger Akteur wird die Technologiestiftung Schleswig-Holstein dabei bewährte Methoden und Ansätze, wie beispielsweise das Experimentieren und die Gestaltung des kulturellen Umfeldes aufgreifen, aber auch weiterentwickeln müssen.

Schreiben Sie einen Kommentar