Dr.-lng. Hans Hammer vom Wirtschaftsbeirat der Union (WBU) ist eine weitere treibende Kraft, der auf allen Ebenen für beste Rahmenbedingungen im Bereich der Mikroelektronik in der BRD kämpfte. Im Thesenpapier der WBU rüttelte er 1983/1984 die Politik auf, dass es zum Wohle der gesamtwirtschaftlichen Situation des Landes unverzichtbar ist, sich stärker in dieser wichtigen Zukunftsbranche zu engagieren. Die Gründe dafür und die Idee zur Schaffung eines neuen Instituts in Bayern, erläutert Dr.-lng. Hammer dem damaligen Redakteur bei Markt & Technik, Eduard Heilmayr.
Den Aufbau eines Instituts für Mikroelektronik in Bayern fordert ein Thesenpapier, das vom Wirtschaftsbeirat der Union (WBU) erarbeitet wurde. Die wichtigsten Ziele dabei seien die Information des Mittelstandes über bestehende Fördermöglichkeiten für die Anwendung der Mikroelektronik und die Ausbildung von Fachkräften. Weiterhin könne mit Hilfe eines solchen Instituts die Zusammenarbeit zwischen Forschung und Industrie gefördert werden. Mit dem Leiter des WBU-Ausschusses für Forschung und Entwicklung, Dr.-lng. Hans Hammer, sprach Markt & Technik über die Notwendigkeit, Konzeption und Möglichkeiten eines solchen Instituts.
Der Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft setzt den konsequenten Einsatz der Mikroelektronik voraus, so lautet ein Kernsatz des Thesenpapiers »Mikroelektronik in Bayern«, das im Wirtschaftsbeirat der Union (WBU) im Ausschuss für Forschung und Entwicklung von kompetenten Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, erarbeitet wurde. Weiter heißt es in dem Papier: »Ein Rückgang der internationalen Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft würde die Arbeitslosigkeit dramatisch verstärken.« Dr.-Ing. Hans Hammer, der Leiter des Ausschusses, verdeutlicht in einem Gespräch mit Markt &’Technik die Auswirkungen: »Wenn wir die neuen Technologien nicht schnell in Produkte umsetzen können, dann werden diese Produkte eben im Ausland hergestellt und müssen importiert werden.«
Diese importierten Produkte seien die wirklichen »Job-Killer« in der Wirtschaft. Es werden bereits fast 90 Prozent der in der Bundesrepublik Deutschland eingesetzten Chips importiert, so das Thesenpapier. Hammer weiter: »Es geht nicht darum, Mikroprozessoren beispielsweise in einer Waschmaschine einzusetzen, um bessere Steuereigenschaften oder eine Verbilligung von 10 bis 20 Prozent zu erreichen. Vielmehr muss man daran denken, dass der Verlust der Wettbewerbsfähigkeit auch die Motorenhersteller, die Schlauchlieferanten und so weiter mit deren Arbeitsplätze gefährdet.« Deshalb sei es unabdingbar, so Hammer, »dass die Gegner der neuen Techniken realistisch darauf aufmerksam gemacht werden, dass sie denen, die sie schützen wollen, in drei oder vier Jahren in Wirklichkeit die Arbeitsplätze nehmen«.
Für Hammer ist deshalb klar, dass die Wirtschaft in der Lage sein muss, diejenigen Mittel aufzubringen, die für die Weiterentwicklung von Technologien notwendig sind. Gerade in Bayern seien die Bedingungen zur Erreichung dieses Zieles gegeben. Denn hier habe sich im Vergleich zu anderen Bundesländern und Europa die Elektronik-Industrie im besonderen Maße konzentriert. Um diese Voranstellung Bayerns in der Mikroelektronik nicht zu verlieren, so das Thesenpapier weiter, »müssen alle Anstrengungen unternommen werden, die Voraussetzungen für die Entwicklung und Anwendung der Mikroelektronik im Freistaat Bayern zu verbessern«. Dazu gehöre besonders die Intensivierung der Ausbildung bei Jugendlichen und Erwachsenen, der Forschung und der Zusammenarbeit von Forschung und Wirtschaft, insbesondere durch die verstärkte Beratung von mittleren und kleinen Unternehmen in der Anwendung der Mikroelektronik.
Als ersten Schritt fordert deshalb Hammer die Gründung eines »Instituts für Mikroelektronik« in Bayern. »Der Mittelstand muss herangetrommelt werden«, nennt Hammer die dringlichste Aufgabe einer solchen Einrichtung. Trotz eines Anteils von mehr als 50 Prozent mittelständischer Betriebe an der Unternehmensstruktur Bayerns haben nach Hammers Erfahrungen mittelständische Firmen relativ wenig Gebrauch gemacht von den »dutzenden von Programmen, die der Freistaat Bayern, der Bund und die EG zur Mittelstandsförderung geschaffen haben.« Hammer führt dies in erster Linie auf mangelnde Information zurück.
Als weitere Aufgabe eines solchen Instituts sieht das Thesenpapier den Aufbau von Mikroelektronik-Ausbildungskapazitäten vor. »Der mikroelektronik-orientierten Wirtschaft, insbesondere dem Mittelstand, muss ein besser ausgebildeter Nachwuchs zur Verfügung gestellt werden.« Hammer erwartet sich von der Ausbildungsfunktion des Instituts einen »Multiplikationseffekt«: »Über diese dort ausgebildeten Fachkräfte kommt die Motivation in die Unternehmen selbst. Entweder wird dann in den Betrieben weiter ausgebildet oder sie schicken weitere Fachkräfte ins Institut.«
Um die Mikroelektronik vor allen an Berufsschulen und Fachhochschulen verstärkt lehren und in einer praxisnahen Ausbildung üben zu können, »muss«, so Hammer, »beispielsweise den Berufsschullehrer dort das Verständnis für die Anwendung der Mikroelektronik vermittelt werden. Dann können sie auch die Lehrpläne, die noch entsprechend aufgebaut werden müssen, wirkungsvoll erfüllen.« Während im kaufmännischen Bereich EDV relativ verbreitet gelehrt wird, sei die Mikroelektronik im Fertigungsbereich in den Berufsschulen stark vernachlässigt, lautet die Begründung.
Mit einem solchen Institut ließe sich nach Hammers Vorstellung eine weitere Wirkung erzielen. Durch die Berücksichtigung von kaufmännischen und wirtschaftlichen Implikationen könnten Firmengründungen angeregt werden. Beratung über die Technik hinaus, durch Kostenanalysen, Managementkonzepte, Marktbeurteilungen und so weiter würden die Risiken sowohl einer Neugründung als auch die Einführung neuer Technologien in bereits bestehende Unternehmen minimieren. Hammer: »Die Aufgabe eines solchen Instituts muss in der gesamten Auffächerung der mit der Anwendung und Ausbildung der Mikroelektronik verbundenen Bereiche gesehen werden.«
Im Hinblick auf die vielschichtigen Aufgaben und der Bedeutung genügten zum Aufbau eines solchen Instituts nach Hammers Erkenntnissen nicht nur »zwei Millionen Mark mit zwei oder drei Leuten«. Um in der Anlaufphase die notwendigen Strukturen aufbauen zu können, benötige man etwa 10 Millionen. »Der Staat muss in der Lage sein, eine Initialfinanzierung zu leisten«, fordert Hammer. Wobei er fest überzeugt ist, dass in zunehmendem Maße »sich so ein Institut selbst finanzieren kann«. Weiterhin wolle zur Finanzierung nach Hammers Informationen auch die Industrie mit einsteigen.
Die positive Einstellung der Industrie belegt Hammer mit einem Beispiel: »Die Idee eines solchen Instituts kommt aus der Wirtschaft. Dr. Freiesleben, Chef von Wacker-Chemitronic, des weltweit größten Reinstsilizium-Herstellers, hat diese Idee an mich herangetragen.« Die Mitwirkenden im Ausschuss für Forschung und Entwicklung, wie Dr. Gabrecht und Dr. Hofmeister von Siemens, die Herren Gebert und Kalitsch von Eurosil/Diehl, Dr. Ing. Heilbronner und Dr. Martin von Semikron, Professor Dr. Ruge von der Technischen Universität in München, Herr Watter (Dornier), Dr.-Ing. Wirn (Kuka) oder Dr.-lng. Kuhn von BMW hätten dieser Idee voll zugestimmt und arbeiten an der Realisierung aktiv mit, berichtet Hammer.
Nach seinen Vorstellungen wäre es durchaus denkbar, das VDI-Technologiezentrum in Berlin mit dem Aufbau des Instituts zu betrauen. Beispielsweise könnte man durch die Gründung einer Dependance des VDI-Technologiezentrums im oberbayerischen Burghausen, so Hammer, »einen weiteren Kristallisationspunkt schaffen«. Diesbezügliche Kontakte zum Geschäftsführer des VDI-Technologiezentrums, Klaus P. Friebe, wurden von Hammer bereits geknüpft. Auch habe Dr. Freiesleben von Wacker Chemietronic bereits Vorgespräche in Burghausen geführt, ob dort geeignete Räumlichkeiten geschaffen werden könnten. Hammer ist optimistisch: »Auf Grund der Dynamik, mit der sich Dr. Freiesleben, Herr Friebe und ich hinter dieses Projekt stellen, glaube ich an gute Chancen, das Institut realisieren zu können.« Spätestens im Februar soll die Strukturierung des Instituts soweit beendet sein, dass der Plan den politisch Verantwortlichen – dem bayerischen Ministerpräsidenten und den zuständigen Fachministern – vorgelegt werden kann, beschreibt Hammer die nächsten Schritte.
Gleichwohl betont Hammer, dass es ihm auf keinen Fall um die Durchsetzung der Idee aus persönlichen Gründen gehe: »Ich möchte lediglich durchsetzen, dass die volle Bedeutung der Mikroelektronik unseren Politikern bewusst wird.« Wie dringend dies erforderlich ist, weiß Hammer nicht zuletzt aus zwei Sitzungen mit den entsprechenden Ausschüssen des Bayerischen Landtags. Als Ergebnis baten ihn die Vertreter des Landtags »um Vorschläge für Sofortmaßnahmen im wirtschaftspolitischen Bereich«, da ihnen die bedrückende Situation der Mikroelektronik in Bayern nicht bekannt gewesen sei. »Das ist mit diesem Papier jetzt geschehen«, so der Kommentar Hammers.